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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

31. 3. 2014 - 17:35

Frau, Hund, Soldat.

„Eine herbe Liebesgeschichte“ nennt Autor Feridun Zaimoğlu seinen Roman „Isabel“. Herb ist er, aber auch faszinierend.

Die Liebe ist zerbrochen, Isabel zieht aus. Weil ihr Exfreund kein Schwein ist, finanziert er die Möbel ihrer neuen Wohnung, Zimmer, Küche, Bad, direkt am Alexanderplatz. Doch die Wohnung bringt kein Glück.

Ex-Model Isabel wird vom Tod ihrer Freundin Juliette eingeholt. Sie tauscht die neue Wohnung mit Juliettes depressiver Mutter. Bei einem Kurztrip zu ihren Eltern in die Türkei verscheucht Isabel die Heiratskandidaten, die ihre Mutter für sie ausgesucht hat. Und dann taucht da auch noch Marcus auf, Exsoldat, Exfreund von Juliette, und will wissen warum Juliette sich umbrachte.

Portraitfoto des Autors Feridun Zaimoglu

Klaus Haag

Feridun Zaimoğlu

Keine Lust auf Scheinwelten

Feridun Zaimoğlus Figuren sind nie die im Scheinwerferlicht oder in wohlsituierter Bürgerlichkeit. Zaimoğlu ist in Anatolien geboren, in Berlin und München aufgewachsen. Bekannt wurde er in den 90er Jahren mit seinem ersten Buch Kanak Sprak, mit dem er einer staunenden Feuilleton-Öffentlichkeit die Welt (und die Sprache) jenseits des bürgerlichen Wohnzimmers nahe brachte. Inzwischen ist Zaimoğlu einer der meistdekorierten Autoren seiner Generation, 2003 z.B. gewann er den Jurypreis beim Bachmannpreis. Zaimoğlu schrieb und schreibt auch als Journalist für Zeit, Welt, Spex, FAZ und andere und beteiligt sich gern und in expliziten Worten an politischen Debatten.

Auch in seinem neuen Romen "Isabel" erzählt Zaimoğlu von den Menschen am Rand. Isabel ist weder als Schauspielerin noch als Model sonderlich gefragt, sie geht tagsüber zur Armenspeisung und zur Kleiderausgabe der Caritas und schaut abends bei Bekannten am Transenstrich oder auf der Geburtstagsparty des Galeristenfreundes aus besseren Zeiten vorbei. Isabel könnte es wohl anders haben, bei ihren Eltern und den Verehrern in der Türkei, auch wenn sie weiter mitmacht beim hippen Berliner Partyvolk, aber mitmachen ist das Gegenteil dessen, was Isabel will: sie verweigert sich, dem Leben, den Menschen, dem Vertrauen, der Liebe.

Eine Geschichte in Stichworten

Zaimoğlu erzählt die Geschichte von Isabel und dem Soldaten in stakkatoartig verknappter Sprache. Die Sätze haben selten mehr als fünf Wörter, manchmal nur zwei. Das wirkt anfangs fast aggressiv, hält sich nicht mit Belanglosigkeiten auf, schafft Spannung und Aufmerksamkeit und simuliert ein Erzähltempo, mit dem Leser und Geschichte Schritt zu halten versuchen.

Buchcover "Isabel" von Feridun Zaimoglu, nur Text

KiWi

Die Reduktion entspricht aber auch den maulfaulen und seelisch vereisten Hauptdarstellern - wortkarge Verlierer in einer geschwätzigen Stadt, zwei Leben, in denen es keine gesicherte Existenz gibt, weder materiell noch physisch oder emotional.

So wie die Versuche von Marcus und Isabel fehl schlagen, ihre Gefühle zu verstecken, so gibt Zaimoğlus Sprachgerippe, sein Verzicht auf elaborierte Seelenbeschreibungen, dem Seelenleben seiner Figuren erst richtig Raum. Es ist eine Sprache, die jede Schminke von der Brutalität des Lebens nimmt, die auch das Tauwetter zwischen Marcus und Isabels Herzen berührend macht, ohne an der Kitschgrenze nur anzustreifen.

Es geht immer weiter

Obwohl am Ende der Geschichte eine Art Lösung steht, hat man nicht den Eindruck, damit würde sich eine Art Situiertheit oder gar kleines Glück in Isabels Leben einstellen. "Isabel" handelt auch vom rastlosen Leben abseits bürgerlicher Sicherheiten; nicht von jenen Scheinwelten, in denen Bürgerskinder für eine gewisse Zeit so etwas wie ein gefährliches Leben nachzuspielen versuchen, sondern von einem Leben, in dem es weder materielle noch emotionale Sicherheit gibt.