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Sammy Khamis

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28. 3. 2014 - 11:03

Vom General zum Präsidenten: Abdel Fattah a-Sisi

In Ägypten hat der neue starke Mann Abdel Fattah a-Sisi seine Präsidentschaftskandidatur bekannt gegeben. Meet the new (very likely) Mr. President.

Am Mittwochabend trat Feldmarschall und Verteidigungsminister Abdel Fatah a-Sisi vor die Kameras des ägyptischen Staatssenders al Oula. Er gab bekannt, seine Militäruniform an den Nagel hängen und ab sofort Zivilist sein zu wollen. Ein Rücktritt? Ganz im Gegenteil.

Für den General und Feldmarschall beginnt mit dieser Aussage der Wahlkampf. A-Sisi will Ägyptens fünfter Präsident seit Gründung der Republik 1952 werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der populäre Militärmann die Wahl gewinnt. Umfragen in Ägypten zeigen, dass a-Sisi schon jetzt auf eine absolute Mehrheit zählen kann. Darauf zu Wetten, dass er gewinnen wird, sagt mir ein Freund in Ägypten, wäre vergleichbar mit einer Wette darauf, dass morgen die Sonne aufgeht. Safe bet also.

Sammy Khamis

Die gesamte Rede Sisis findet ihr hier [arabisch] und das englische Transkript

Auf den ersten Blick wirkt es schon verstörend: Ägypten befreit sich nach Jahrzehnten der militärischen Autokratie von seinem Machthaber (und General) Husni Mubarak, und nun wählt das Volk wieder einen Militär?
In Ägypten steht - ungeachtet der Menschenrechtsverletzungen der vergangenen Jahre - das Militär immer noch für Stabilität. Nach drei Jahren post-revolutionären Hochs und Tiefs soll Abdel Fattah a-Sisi das Land nun beruhigen und wirtschaftlich auf Vordermann bringen. Ob ihm das gelingt bezweifeln die meisten Analysten im In- und Ausland. Trotzdem verkörpert Abdel Fattah a-Sisi für viele Ägypter die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Auch für den Schriftsteller Alaa Al-Aswany, der Sisi als "Nationalhelden" bezeichnet: Gen. Abdul-Fattah el-Sisi, the army leader whom they considered their hero for siding with the will of the people and overthrowing the Muslim Brotherhood government in June.

Vom Underdog zum Strong Man

Wie aber kommt es, dass ein Mann, der vor einem Jahr noch fast unbekannt war, heute als der Messias des Volkes gefeiert wird? Abdel Fatah a-Sisi war es, der im Sommer 2013 Demonstranten in Ägypten unterstützte. Damals waren Millionen auf die Straße gegangen, um gegen die Herrschaft der Muslimbruderschaft zu demonstrieren. A-Sisi (ein sehr gutes Porträt hier und hier), damals Verteidigungsminister, stürzte die Regierung am 3. Juli. Das machte ihn zum Helden der einen und zum Gegner der anderen, der Muslimbruderschaft.

Held, Gegner, Mörder - Die vielen Gesichter des General Sisi

Dem "weichen Putsch" im Juni und Juli 2013 folgte ein blutiger August. Ägyptische Sicherheitskräfte und das Militär (und damit die Soldaten a-Sisis) töteten in wenigen Tagen über 1000 Menschen. Es waren Anhänger der Muslimbruderschaft, die in Protestcamps in Kairo die Wiedereinsetzung "ihres" Präsidenten Mohamed Mursi forderten. Seit dem Massaker im August befindet sich Ägypten in einem "war on terror" - wobei der Terror von der Muslimbruderschaft und all ihren Sympathisanten verkörpert wird. George W. Bush hatte es vor gemacht und Ägypten adaptiert das Konzept Krieg gegen den Terror für seine eigenen Belange.

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Menschen auf dem Tahrir feiern Sisi als Retter

Die Muslimbruderschaft ist mittlerweile zerschlagen. Ihre Mitglieder sitzen im Gefängnis, oder sind auf der Flucht. In der Öffentlichkeit spielen sie trotz anhaltender Proteste keine Rolle mehr. Diese Entwicklung wird Sisi zugesprochen und positiv angerechnet. Die 529 zum Tode verurteilten Unterstützer der Muslimbruderschaft sind ein Indiz für die extreme Abneigung der Bevölkerung gegen die islamistische Gruppe. Offiziell sind Muslimbrüder in Ägypten Terroristen. Als solche werden sie verfolgt. Die Gruppe sieht Sisi deshalb als Mörder und sprayt das auch auf Hauswände im ganzen Land.

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Unter dem Stencil Abdel Fattah a-Sisis steht "Mörder" auf Arabisch

Das rigide Vorgehen gegen Muslimbrüder, aber auch gegen liberale Oppositionelle hat zu rund 20 000 Verhaftungen seit August 2013 geführt, aber zugleich den neuen Strong Man Sisi zum Liebling vieler Ägypter gemacht. Die Sisi-Liebe trägt mittlerweile absurde Früchte. Sisi-Bilder sind in Ägypten überall zu sehen. Schokolade mit dem Konterfei Sisis wird im ganzen Land verkauft und sogar zum Tee gereicht

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Pop-Songs für das Militär

Auch wenn Sisi nicht überall Gast beim Nachmittagskaffee ist und er zahlreiche Gegner hat (die auch am Mittwoch nach Bekanntgabe seiner Kandidatur gegen ihn protestierten), ist er zu einem Stück Pop-Kultur geworden. Das aktuellste Beispiel, das gerade die Timelines zahlloser ägyptischer Facebook-User verstopft ist dieses Video von Hosny Abu Seif:

Die weibliche Stimme am Schluss stellt nocheinmal für alle ausländischen Kritiker klar: KEINE EINMISCHUNG IN INNERE ANGELEGENHEIT - No intereference in internal affairs.

Seit dem Sommer 2013 haben zahllose Pop-Musiker Hymnen auf das ägyptische Militär verfasst. Das bekannteste heißt Tislam al ayadi - zu Deutsch etwa: "Gesegnet seien deine Hände".

Es ist ein musikalisches Dankeschön für die Rettung vor der Muslimbruderschaft durch das Militär. Die Videos mit ihrer Armee Propaganda und den Waffenübungen sprechen für sich.

Diese Popvideos werden im ägyptischen Fernsehen zwischen die Nachrichtenblöcke gestreut. Pop wird zur Propaganda in Ägyptens war on terror (hier noch einige weitere Gassenhauer für das ägyptische Militär).

Wahlen in den kommenden Wochen

In den kommenden Wochen soll in Ägypten gewählt werden. Neben Hamdeen Sabahi, einem links-nasseristischen Kandidaten und a-Sisi gibt es bisher keine weiteren Kandidaten. Es wird auch schwer werden jemanden zu finden, der es sich zutraut, Ägypten regieren und gegen die Pop(-uläre) Figur Sisi antreten zu können.

Wäre die Lage in Ägypten nicht so drastisch: der Personenkult um die Figur Abdel Fattah a-Sisi wäre zum schreien komisch. Aber die drastischen Einschränkungen bei Pressefreiheit, dem Demonstrationsrecht und die schiere Anzahl an Verhafteten, zum Tode Verurteilten und bereits Getöteten lässt wenig Raum für Humor - und noch weniger Raum für Hoffnung auf Besserung, wenn Abdel Fattah a-Sisi in den kommenden Wochen zum Präsident Ägyptens gewählt wird.