Erstellt am: 27. 3. 2014 - 06:00 Uhr
Der blutige Weg der "Totenfrau"
fm4.ORF.at/buch
Literaturempfehlungen und Porträts von AutorInnen
Viele AutorInnen sind schon zufrieden, wenn eines ihrer Manuskripte zum Buch wird. Bernhard Aichner nicht. Er wollte vom Schreiben leben können - was in Österreich nur wenigen SchriftstellerInnen vergönnt ist. Doch drei Krimis um den Totengräber Max Broll, die im Innsbrucker Haymon-Verlag erschienen sind, haben ihm nicht den erwünschten Durchbruch gebracht. Zeit, etwas zu ändern.
Mit Außergewöhnlichem zum Traumverlag
Bernhard Aichner wollte zu einem großen Publikumsverlag wechseln, am besten in Deutschland, und baute darauf, dass diese Verlage nach etwas Neuem, etwas Ungewöhnlichem in der Flut an Krimis suchen. Für seinen neuen Roman "Totenfrau" setzte Aichner deshalb statt auf einen klassischen Ermittler auf eine junge Bestatterin als Protagonistin, die er kurz Blum tauft. Obwohl schon auf den ersten paar Seiten klar wird, dass Blum zwei Menschen ermordet hat, sollen die LeserInnen ihr bald Sympathie entgegenbringen.
Simon Welebil / FM4
Von drei Literaturagenturen, denen Aichner das Manuskript schickte, waren zwei sofort davon begeistert und wollten es vertreten. Literaturagenturen sind die neuen "Gate Keeper" in der deutschen Verlagslandschaft. Sie sortieren das Angebot für die Verlage vor, die oft nicht einmal dazu kommen, die tausenden unverlangten Einsendungen überhaupt zu lesen. Im Gegensatz zu unbekannten Autoren bekommen LiteraturagentInnen rasch eine Antwort von einem Verlag.
Aichner hat sich für die Agentur copywrite entschieden, die mit ihm ein Vorlektorat gemacht, am Text gearbeitet, das Manuskript dann verschiedenen Verlagen angeboten und es schlussendlich bestmöglichst verkauft hat, nachdem mehrere große Verlage Interesse an einer Veröffentlichung hatten.
Außergewöhnliches auch nach Vertragsunterzeichnung
Nachdem btb, einer der großen deutschen Publikumsverlage schließlich den Zuschlag für "Totenfrau" bekommen hat, ging es mit dem Roman Schlag auf Schlag weiter. Gemeinsam mit dem Buch wurde auch ein Hörbuch vorbereitet, eine Berliner Produktionsfirma kaufte die Filmrechte und - ungewöhnlich für einen Roman - es wurden noch vor Erscheinen in der Muttersprache Übersetzungsrechte für Italien, Frankreich, Spanien und selbst für Großbritannien und die USA verkauft. Dass btb Teil des internationalen Verlagsgiganten Random House ist, hat diese Entwicklung natürlich erleichtert, zeigt aber auch, dass die Verlage großes Potential in dem Buch sehen.
"Darf man einen Mörder mögen?"
btb
Es scheint, dass Bernhard Aichner mit seiner ungewöhnlichen Protagonistin Blum vieles richtig gemacht hat, wobei ihn die Frage, ob man einen Mörder mögen darf, angetrieben hat. Für ihn selbst war diese Frage schnell beantwortet, denn nach der Entscheidung, dass er seinen Roman aus der Perspektive einer Frau sowie aus einer Täterperspektive schreiben würde, wollte er sich nicht 444 Seiten lang mit einem Schwein, einem ganz schlechten Menschen umgeben müssen. "Mache ich doch eine nette Mörderin", hat er sich deshalb gedacht, "zum Einen, dass es mir gut geht beim Schreiben, zum Anderen, um zu polarisieren."
So stellt er Blum als junge, bildhübsche, liebenswerte Mutter dar, die einzig durch Ausweglosigkeit und Rache motiviert eine Blutspur von Innsbruck nach Wien und wieder zurück zieht und nach getaner Arbeit ihre kleinen Töchter wieder in den Arm nehmen kann. Nachdem sie die Leichen verschwinden lässt, ist für sie alles wieder gut. Ihr Beruf als Bestatterin hilft bei der Verarbeitung ihrer Taten.
Mit Bauchgefühl zum Ziel
Ihre Opfer lässt Aichner Blum relativ einfach finden. Sie ist ein Bauchmensch und kommt durch Intuition, Schicksal oder auch Glück immer einen Schritt weiter. In einer Zeit, wo Krimis riesige Verschwörungstheorien errichten, mag das banal erscheinen, es treibt aber die Handlung rasant voran und ist kein Widerspruch zur guten Unterhaltung, die der Thriller bietet. Mit dem Vertrauen auf das Bauchgefühl hat Bernhard Aichner Blum einen seiner eigenen Charakterzüge verpasst. Wie es aussieht, fährt er damit ebenfalls gut und das Beschreiten eines neuen Weges hat sich ausgezahlt. Bereits eine Woche nach Erscheinen des Romans ist er gleich auf Rang zwei der österreichischen Bestsellerlisten eingestiegen.