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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

25. 3. 2014 - 16:49

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 25-03-14.

Die Freiheit, die sie meinen. Die Freiheit des Nichts. Die Freiheit von jeder Verantwortung. Die freiheitliche Freiheit.

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Die Mölzer-Sprüche sind Teil eines fulminanten Textes im aktuellen SZ-Magazins, der sich eigentlich mit der drohenden nächsten Finanzkrise beschäftigt; sie sind ganz am Schluss zu finden und mittlerweile - nach anfänglichem Leugnen - auch bestätigt.

#machtpolitik #euwahl #rassismus

Vielleicht sollten wir zuerst einmal aufhören überrascht zu sein. Und empört. Schluss mit der Aufregung, der künstlichen.
Nichts von alledem ist neu oder unerwartet.
Es hat - im Gegenteil - Tradition; und Methode.

Mit den Nazi-Verharmlosungs-Sprüchen werden die Ewiggestrigen und die, die gern einen kleinen Hitler, oder zumindest einen Putin hätten, bedient. Und die rassistischen Gags sollen jene, die sich ihren gartenzwergigen Alltagsrassismus nicht wegregulieren lassen wollen, erfreuen. Vorzüglich und mit leichter Hand.
Da ist völlig egal, wer sich wann wie entschuldigt oder empört - die Botschaft ist klar gesetzt und bleibt hängen, bis runter zum schlecht gereimten Wahlplakat. Ein profitables Alleinstellungsmerkmal.

So funktioniert die Außendarstellung der FPÖ. Nicht erst unter Kampfsportfreund Strache, nicht erst unter dem Arisierungs-Landgewinnler Haider, nicht erst unter Waffen-SSler Peter, sondern schon immer; auch schon davor, als man im Verband der Unabhängigen nach 45 die ehemaligen NSDAPler vertrat.

Und natürlich fallen solche Sprüche in Österreich auf deutlich fruchtbareren Boden als etwa in Deutschland, wo die Neonazis zwar grimmiger agieren, aber zahlenmäßig relativ deutlich weniger sind.
Denn einer der Konstruktionsfehler der österreichischen 2. Republik war es schwammdrübermäßig auf eine Rückholung der rassisch und politisch Verfolgten und der vertriebenen Intelligenz zu verzichten (das hätte viel Arbeit und Aufklärung bedeutet und daran hatte niemand Interesse) und stattdessen die zahllosen Blockwarte als unschuldig zu entlasten.

Das prägt die Gesellschaft bis heute: die Schar der Mitläufer, der Stammtisch-Abnicker, der Dagegenseier, der latenten Rassisten, Antisemiten und Xenophoben ist unübersehbar; die Herrschaft auf den Schultern dieser Blockwart-Mentalität von jedem kleinen Hitler jederzeit an sich reißbar.

Andreas Mölzer

APA/HERBERT PFARRHOFER

Andreas Mölzer

Wenn nun der freiheitliche Delegationsleiter im Europäischen Parlament, Andreas Mölzer, in aller Öffentlichkeit davon spricht dass die EU eine Diktatur sei gegen die "das Dritte Reich wahrscheinlich formlos und liberal" gewesen wäre, "weil es sicher nicht so viele Regeln und Vorschriften, Gebote und Verbote gegeben hat" und vor einem "N*konglomerat", einem totalen institutionellen Chaos, der Massenzuwanderung, warnt, dann ist das kein Ausrutscher, der Aufregung oder Empörung nach sich ziehen sollte, sondern schlichte FPÖ-Normalität.
Die Geschichte dieser Partei ist mit solchen Sagern gespickt; und berechnet deren Wirkung ganz genau.

Wenn Mölzer, auch heuer Spitzenkandidat für die EU-Wahl, im Nebensatz anmerkt "das sage ich jetzt bewusst brutal politisch nicht korrekt" dann zeigt das, woher der Wind weht.

Es geht um die "Das wird man ja noch sagen dürfen!"-Mentalität der Marke Sarrazin, es geht darum einer wegen ihrer vorsintflutlichen gesellschaftspolitischen Ansichten teilentmündigten Bevölkerungsgruppe nach dem Mund zu reden.
Es geht darum, sich der Regulierungs-Hoheit, die Staat, Medien, NGOs und andere Verantwortungsträger in punkto Menschenwürde zurecht tragen, aber allzu verkrampft verwenden, zu widersetzen. Es geht darum arge Begriffe verwenden zu dürfen, alte sexistische Muster ausfließen lassen zu können, die Sau rauszulassen, weil eine moderne globale Welt das zunehmend naserümpfender ablehnt. Es geht um die Bewährung eines gefühlten letzten Refugiums älpischer Kleingeistigkeit.

Also: ist Mölzer ein Rassist?
Andere Frage: Scheißt der Bär in den Wald? Und: ist der Papst katholisch?

Ja, klar und er folgt seinem hassgeliebten vormaligen Parteiführer in der Belobigung ordentlicher Ansätze der Politik des Dritten Reichs.

Wirklich diskutierenswert ist das allemal nicht. Und leider bleibt die öffentliche Debatte, wieder einmal, so auch dieser Tage, im Aufschrei stecken, begnügt sich mit der Geste der Empörung, fordert aufgeregt Rücktritt und verkeilt sich im Infight um Formulierungen und Personen.

Dabei zählt das alles elfe.
Relevant sind die dahinterstehenden Mechanismen. Relevant ist das, wovon diese Sprüche ablenken sollen. Wovon?
Auch das erzählt Mölzer der SZ ganz offen: "Was passiert, wenn wir wirklich in die Verantwortung kämen? Was dann? Weil, wenn man die Bankenfrage mal betrachtet: Was machen wir dann? Da ist man fast froh, wenn man sagt: Wir sind Gott sei Dank nur in der Opposition."

Die FPÖ, sagt Mölzer da, hat hinter der bewusst verrohten Sprücheklopfer-Fassade auch nicht viel mehr zu bieten als die Stammtischnicker und littlehitler-Fans. Keine Ideen, keine Alternativen und auch - wie anlässlich des blauen Dauer-Debakels als Partner der Schüsselschen Wende-Regierung deutlich sichtbar - kein Personal.

Man steht also für inhaltlich eigentlich nichts. Und kann sich deshalb auch so ausführlich um Befindlichkeiten kümmern. Und so den Mythos pflegen, dass es ausschließlich die Freiheitlichen wären, die für Freiheit stehen, Bürger-, Freiheits- und Menschenrechte.

Das muss nicht einmal ansatzweise mit der politischen Praxis korrelieren, vergangene Ausblutungs-Exzesse und Beschränkungs-Orgien fallen sowieso schnell dem öffentlichen und medialen Alzheimer zum Opfer, und dass man im Vergleich zur in diesen Fächern tatsächlich als Klassenstreber aktiven FDP nichts anzubieten hat, wird durch deren politischen Verschwinden verdeckt.

Die einzige Freiheit, die die FPÖ durch ihre Mölzereien vertritt, ist die Legitimierung des schwadronierenden Daherredens, des rassistischen Sprücheklopfens, der scheinironischen Wieder-Verwendung von überkommenen Beleidigungs-Begriffen, der Gutheißung einer verbalen Verrohung, die in Ungarn oder der Slowakei, also engen Nachbarn, mittlerweile bereits zu ganz realem Rassismus und Antisemitismus geführt hat, zur Roma-Hetzjadg und zu Judenverfolgung.

Das ist eine zutiefst nihilistische radikalanarchische Freiheit, eine ohne Verantwortungsnahme, eine Ellbogen-Freiheit, die die Freiheit und die Würde des anderen, des Mitmenschen nicht mitbedenkt, weil sie in einer Clan-Ideologie verfangen ist, einen Volksbegriff pflegt, der sich immer tiefer in die Fiktion eines real bereits ausgestorbenen Volkskörpers verbohrt. Den anständigen reinblütigen Österreicher, den ganz ohne Konglomerats-Anteile, den hat es nie gegeben - außer als Pappkamerad für die Propaganda.

Dass Hans-Peter Martin sein heute bekannt gewordenes Nicht-Antreten bei der EU-Wahl mit den "Sog" der FPÖ und der Angst dem Rechtsruck (und der "beängstigenden Sehnsucht nach einem neuen Heil-Hitler-Gefühl") nichts entgegnen zu können, wirft ein bezeichnendes Bild auf den Auseinandersetzungs-Willen der politischen Mitbewerber. Martin will nun wieder als Journalist tätig sein. Vielleicht hat er dort mehr Mut.

Das alles mündet angesichts der eigenen, von Mölzer beinhart sezierten Ahnungs- und Hilflosigkeit gegenüber den anstehenden Problemen in einer Freiheit jenseits jeder Verantwortung, einer Zuständigkeit für Nichts jenseits des Gefühls sich auskotzen zu müssen.

Für viele, vor allem für einen Gutteil der gelernten Österreicher, ist genau das die Freiheit, die sie meinen.

Dass eine politische Kraft ohne jeglichen Plan (viele andere Ideen und Lösungen sind ja auch nur eingebildet, aber sie existieren zumindest) erfolgreich dieser Gattung des homo austriacus apoliticus vertritt, ist auch all jenen zum Vorwurf zu machen, die dieser Freiheit der Freiheitlichen nicht auf der Meta-Ebene begegnen, sondern als Oberflächen-Schwimmer in tiefenlosen öffentlichen Foren zur künstlichen Aufregung und damit wieder nur zum egoistischen Distinktionsgewinn nutzen.