Erstellt am: 25. 3. 2014 - 14:47 Uhr
Schnee fürs nächste Jahr
fm4.ORF.at/sport
Fußball, Wintersport und Trendsportarten
Es ist schönstes Frühlingswetter in der Ramsau am Fuß des Dachsteins. Die Sonne knallt runter, die Wiesen sind schon grün, auf den letzten verbliebenen Loipen drehen ein paar LangläuferInnen noch ihre Runden. Alles scheint normal für diese Jahreszeit, wäre da nicht der riesige Schneeberg hinter dem Langlaufstadion, der von Schneekanonen umzingelt ist.
Simon Welebil / FM4
Tausende Kubikmeter Schnee haben die Beschneier hier im Hochwinter bereits produziert. Geringe Luftfeuchtigkeit und Temperaturen um -10° seien ideal für die Schneeproduktion, erklärt mir Daniel Wieser, einer der Beschneier und Loipenarbeiter. Bei diesen Bedingungen erhalte man den meisten Ertrag.
Schnee für die nächste Saison
Während man Ende März fast überall in Österreich froh ist, wenn der Schnee bald von den Wiesen verschwindet, hofft man in Ramsau, dass möglichst viel davon den Sommer überlebt. Denn mit dem Schnee betreibt man Snowfarming, das heißt man versucht ihn zu konservieren, um möglichst früh im nächsten Herbst wieder in die Langlaufsaison starten zu können.
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Diese Idee ist nicht neu. In finnischen Langlaufgebieten macht man das schon seit Jahren. In letzter Zeit haben viele mitteleuropäische Wintersportzentren nachgezogen, Davos in der Schweiz, Ruhpolding in Deutschland oder Hochfilzen in Tirol, um entweder die Saison zu verlängern, oder um Schneesicherheit für ihre Großevents zu haben, Biathlon oder Langlaufrennen. Auch in Sotschi wurde letztes Jahr viel Schnee gebunkert, damit die Olympischen Spiele ohne Schneesorgen ablaufen konnten.
Vor Wind, Regen und Sonne geschützt
In Ramsau hat man letzten Sommer zum ersten Mal versucht, Schnee vorzuproduzieren. Ca. 5.000 Kubikmeter Schnee hat man damals aufgetürmt. Mit Pistengeräten und Baggern hat man den Schnee verdichtet, um den Haufen möglichst kompakt zu halten. Anschließend hat man 20 cm Hackschnitzel darauf gepackt, die als Isolierschicht dienen. Über die Hackschnitzel kam dann noch eine weiße Folie und ein weißes Vlies, um einerseits Regen abzuhalten, andererseits möglichst viel Sonnenstrahlung zu reflektieren.
TVB Ramsau
80 Prozent des Schnees haben so den Sommer überdauert. Anfang November wurde der Haufen dann ausgepackt, die Hackschnitzel entfernt und der Schnee mit Traktoren und dem Miststreuer auf den Wiesen verteilt. Eineinhalb Kilometer Langlaufloipe sind so zusammengekommen, noch bevor der erste Schnee gefallen ist. Durch die lange Lagerung und die Kompaktheit ist der gelagerte Schnee robuster als Neuschnee oder frisch produzierter Kunstschnee und schmilzt auch auf einem Boden, der noch nicht gefroren ist, nicht gleich weg.
TVB Ramsau
Doppelte Schneemenge durch Recycling
Heuer soll der Schneehaufen doppelt so groß werden. Daniel Wieser und seine Kollegen hoffen noch auf ein paar kalte Tage, um noch mehr Schnee produzieren zu können. Außerdem wollen sie möglichst viel alten Schnee "recyceln". Im Auslauf der Schisprunganlage liegt noch genügend weiße Pracht, die heuer nicht mehr benötigt wird. Zu siebt werden sie dort an einem Tag zusammenkratzen, was möglich ist, und diesen Schnee dem Haufen hinzufügen.
Simon Welebil / FM4
Ökologie und Ökonomie
Snowfarming ist noch zu jung und zu wenig verbreitet, als dass seine Auswirkungen auf die Umwelt schon ausreichend untersucht worden wären. Was man wohl zweifelsfrei sagen kann ist, dass ein so großer und ganzjähriger Schneehaufen die Artenzusammensetzung und die Produktivität des Bodens darunter verändert, weshalb er am Besten auf einem Schotterplatz angelegt wird. Was die Ökobilanz angeht, schneidet Snowfarming vielleicht etwas besser ab, als die klassische Beschneiung mit Schneekanonen im Frühwinter, da die Produktion bei effizienten Bedingungen weniger Wasser und Energie benötigt.
Simon Welebil / FM4
Ein ökonomischer Vorteil wird schon eher deutlich. In Ramsau, einem Ort, der vom Tourismus abhängt, wird die Langlaufsaison um ein paar Wochen verlängert. Letzten November sei die Loipe etwa schon einen Tag nach Eröffnung gut besucht gewesen, erzählt dazu Maria Perner vom Tourismusverband. Nur, dass die Sportler nicht extra wegen des aufbereiteten Schnees in die Ramsau gekommen sind, die SpitzensportlerInnen sind zu dieser Jahreszeit ohnehin schon da, um am nahen Dachsteiner Gletscher zu trainieren. Die haben sich einfach den Weg auf den Berg erspart.
Snowfarming bald überall?
Für Ramsau, wo die SpitzensportlerInnen einen großen Teil zu den Nächtigungszahlen beitragen, mag sich Snowfarming lohnen, da die Saison ein wenig verlängert wird und die AthletInnen mit einer einzigen Loipe wohl auch zufrieden sind. Ob sich Snowfarming auch für andere Langlauf- oder gar Schigebiete rentiert, ist fraglich, meint der Autor einer Bachelorarbeit über Snowfarming in Davos. Interessiert sind andere Tourismusorte zumindest, wie Maria Perner aus eigener Erfahrung weiß: "Wir bekommen immer wieder Anfragen, die wissen wollen, wie wir das gemacht haben. Wir haben sie auf jeden Fall schon mit Snowfarming-Fieber angesteckt."