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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

24. 3. 2014 - 13:33

Flimmern - der assoziative Wochenrückblick

Aussprache, die über Schicksale entscheidet, das Cabaret-Stück von The Knife, ein trauernder Iggy Pop und nordkoreanische Studenten, A-ha covern.

Flimmern - der assoziative FM4 Wochenrückblick

"Musik kann so belanglos sein, wenn du dein Begehren verlierst, deshalb haben wir versucht uns in Büchern wieder zu finden, die Sprache von anderen zu unserer eigenen zu machen, neue Verknüpfungen zu schaffen." Das meinte Karin Dreijer Andersson zum Entstehungsprozess von Shaking the Habitual, der jüngsten Platte der Electro Pop Band The Knife, die sie gemeinsam mit ihrem Burder Olof hat.

"Shaking the Habitual" lag eine Leseliste zugrunde und über die Sprachen anderer Autorinnen haben The Knife versucht, in ihrer Musik Fragen zu komplexen identitätspolitischen Themen zu stellen. Fragen wie: Aufgrund welcher Kriterien wird wem welcher Platz zugeschrieben? Fragen, die ein Schritt zu einer Veränderung, zu verschiedenen Formen von Widerstand sein können. "End Extreme Wealth" stand blinkend zur Zeit der Veröffentlichung auf der Seite der Band.

Letzte Woche haben The Knife bekannt gegeben, dass ihr nächstes Werk Musik ein politisches Cabaret-Stück namens Europa Europa ist. Im Infotext heißt es, dass sich "Europa Europa" gegen die Kriminalisierung von Migranten und die Menschenrechtsverletzungen der EU-Asylpolitik wendet. Frontex und die Regierungen der EU-Staaten sollen als die wahren Verbrecher entlarvt werden. The Knife haben "Europa Europa" mit der Künstlergruppe Ful gemacht und zu meinem großen Leid ist die Website auf Schwedisch. Premiere ist am 1. Juli 2014 in Visby und The Knife, deren Liveauftritte rar gesäht sind, werden mit "Europa Europa" auch auf Tour gehen.

Weder um die inhaltliche noch die musikalische Dimension von Sprache ging es letztes Wochenende bei dem Vortrag im Haus der Kulturen der Welt. Lawrence Abu Hamdan hat sein Aural Contract Audio Archive vorgestellt. Hamdan beschäftigt sich mit Zuhören und was aus Sprache, nicht aus sprachlichen Inhalten, tatsächlich oder scheinbar erkannt werden kann. Er sprach darüber, dass die Polizei des United Kingdoms seit 1984 Polizeinotrufe aufnimmt und dass Methoden, Algorithmen entwickelt wurden, den Stress, die Panik in der Stimme der AnruferInnen zu messen und dass danach die Reihung nach Dringlichkeit, nicht nach dem Inhalt erfolgt. Weiters hat er über seine künstlerische Forschung zu den Methoden gesprochen, mit denen in EU-Staaten Asylbewerber nach deren vermeintlichen Sprachbesonderheiten identifiziert werden. Mitarbeiter privater Firmen, die selbst Flüchtlinge waren und keine Linguisten sind, hören sich Sprachproben an und entscheiden anhand des Klanges von Konsonanten und Vokalen, ob die Person aus der von ihr angegeben Region stammt.

Die Arbeit Conflicted Phonemes aus dem Jahr 2012 basiert auf den Biografien und der exakten Sprachanalyse von somalischen Flüchtlingen, denen aufgrund gewisser Betonungen und vermeintlich zu Orten gehörenden Dialekten Asyl verweigert wurde. "Conflicted Phonemes" zeigt in wissenschaftlich akribisch und dennoch dem Laien verständlichen Diagrammen, wie nach Jahren auf der Flucht und in Lagern die Aussprache verwischen kann. Sehr schön das Photo auf der Seite von "Conflicted Phonemes" einer sehr gequält lächelnden holländischen Asylrichterin, der die Arbeit überreicht wird.

Überreicht wurde Julian Assange im Jänner 2013 die "Delivery for Mr Assange" . Am 16. Jänner schickte die Mediengruppe Bitnick, die Hacking als ihre künstlerische Strategie ausweist, ein Päckchen an Wiki-Leaks-Sprecher Julian Assange, der damals wie heute in der ecuadorianischen Botschaft in London festsitzt. In dem Päckchen war eine Kamera, die die Reise der Sendung auf dem Weg zu Julian Assange filmte und live ins Netz übertrug. Die fertige Videoinstallation "Delivery for Mr. Assange" inklusive der Fragen aufwerfenden Sendeausfälle kann man sich auf Streaming-Plattformen ansehen.

Wahrscheinlich nie mehr live sehen werden wir die Stooges. Scott Ashton, der Schlagzeuger der welteneinreißenden Punk-Pioniere Iggy and the Stooges ist letzte Woche im Alter von 64 Jahren verstorben. Iggy Pop sagte in Trauer über das Ableben seines Kollegen und Freundes etwas, das ich als würdigen und sehr rührenden Nachruf empfinde, etwas, das sehr viel mehr ist als das hilflos geschockte "Wir werden ihn sehr vermissen".

"I don’t feel right now like there’s any reason for me to go jumping out onstage in tight Levi’s. What am I going to scream about?"

Mit seinem Bruder Ron und dem Sänger Iggy Pop hatte Scott Asheton die Stooges 1967 in Detroit gegründet. 1969 erschien das Debütalbum und seit 2003 machten die Stooges die spätgeborenen Fans ihrer exessiven anarchischen Rohheit sehr glücklich, als Iggy mit den Stooges fast in Originalbesetzung wieder auftrat.

Auch Iggy Pop hat sich wie Karin Dreijer von The Knife einst die Frage nach belangloser Musik gestellt. Er hat sie für sich so beantwortet, dass er Zeit seines Lebens Musik machen will, die ihn wie eine Rakete aus dem Leben schießt, das die Welt für ihn geplant hat.
Und ein letztes Apropos möchte ich euch diese Woche noch zumuten: