Erstellt am: 23. 3. 2014 - 22:39 Uhr
The daily Blumenau. Weekend Edition, 23-03-14.
Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Heute mit einer (unrunden) Replik auf mich selber.
Greift meine harte Kritik an Roland Düringers offenem Brief in Sachen Hypo zu kurz?
#euwahl #machtpolitik #wutbürgerlichkeit
So berechtigt meine Hinweise auf die zweifelhafte Schieflagigkeit des offenen Briefes von Düringer auch seien, lautet der Tenor der seriösen Anmerkungen zu Dem Herrn Düringer sein Volk vom letzten Donnerstag, so berechtigt die Warnung vor den selbsternannten Tribunen eines in der Folge von ihnen zu definierenden Volkes auch wäre und so nötig der Hinweis auf die Gefahren der achtlos verwendeten kruden Sprachmittel auch sei - die größere Perspektive, das größere Bild würde ich außer Acht lassen.
Dass nämlich angesichts der drohenden Nummer-Eins-Werdung einer ganz deutlich ganz ganz weit rechts angesiedelten Populisten-Bewegung nichts Wichtiger sei als eine Gegenposition; ein anderer Populismus, egal ob ein linker, ein liberaler, ein globalisierungskritischer. Hauptsache, er ist imstande ebensolche Massen zu bewegen, solange er nicht rechts der FPÖ steht (wo ja eh kaum noch Platz ist), wäre das egal. Und selbst wenn es eine Figur wie Düringer wäre, hinter der sich die Menschen sammeln könnten: alles besser als das Nichts, die Null-Bewegung, das Verharren im Konjunktiv.
Das ist natürlich auch richtig.
Vor allem jetzt, wo sich die FPÖ im beginnenden EU-Wahlkampf tatsächlich so fest am rechtsextremen Rand eingebissen hat, dass eine entsprechende Resozialisierung zu meinen Lebzeiten (also unter den Generationen Kickl oder Gudenus jr.) nicht mehr möglich sein wird.
Mölzers Ausritt im Wortlaut. Und Straches Nicht-Entschuldigung.
Es gab ja die Vermutung, dass die Freiheitlichen angesichts der bald anstehenden Regierungsverantwortlichkeit ihr Profil von Nationale Scharfmacher auf Soziale Herausforderer drehen. Jetzt, wo der Spitzenkandidat Mölzer auf den unseligen Spuren des Hypo-Hauptschuldigen und ewigen NS-Fettnapftreters Jörg Haider von einer ordentlichen juristischen Politik, die das 3. Reich im Gegensatz zur EU, dieser wahren Diktatur, gemacht habe, redet, und sich nicht einmal (auch nicht mit einem trutzig-haider'schen "meinetwegen") dafür entschuldigt, ist diese Hoffnung fahrenzulassen.
Die Nachfolgerin der VdU genügt sich im Blut-und-Boden-Gestus, und stellt ihre Protest-Kompetenz allen zur Verfügung, die politische Kurzatmigkeit zu schnellem Outsourcing der eigenen Gedanken zwingt.
So saugt man praktisch alle, die schnellen Populismus als politischen Vertretungs-Mechanismus sehen wollen, auf. Die interne Konkurrenz ist am Ende, Stronach oder Martin haben sich schnell überlebt, und die NEOS wildern nur im bürgerlichen Feld, einem schmalen, letztlich nur von der VP und den Grünen noch betretbaren Korridor.
Das breite Feld der einstmaligen Linken, der klassischen Arbeiterschaft, des unteren Mittelstands, als dessen vordenkerische Avantgarde sich manchmal vereinzelte Künstler und Intellektuelle missverstehen, bleibt unangetastet. Die linken Kräfte jenseits einer extrem heruntergewirtschafteten und deshalb extra unattraktiven Sozialdemokratie existieren nur in Spurenelementen.
Rettung würde also nur ein in diesen Gewässern fischender Populismus bieten, einer, der andere als die von der FPÖ angebotenen Lösungen forciert, vordergründig ganz ohne komplexe Erklärungs-Modelle, sondern mit ebenso wuchtigen Keulen, die sich jedoch nicht aus der Lust speisen, andere kleinzumachen, wegzudrängen und sich abzuschotten, sondern aus der Lust das Leben durch geschickte Aufteilung und Verantwortlichmachung der wirklich Verantwortlichen offener und lebenswerter zu machen. Ganz ohne Regulierungswut oder moralinsaure Beschränkung, mit nachhaltigem Spaß und süffigem Einfallsreichtum, die dem ledergesichtigen Nationalismus die lange Nase dreht.
Und das wäre mit den Düringers dieses Landes möglich.
Lautet der oben benannte Tenor.
Mit anderen Worten: Ich bin politisch-moralisch vor die Wahl gestellt dabei zuzusehen, wie die Rechtsaußen-Populisten mit den Proteststimmen, die die mitgekaufte Ideologie gar nicht bedenken, an Boden gewinnen und eine uneinige Gegnerschaft an einer Gegenstrategie scheitert (das wäre der Status Quo), oder mitzuwirken, dass sich eine ebenso wenig bedachtsam argumentierende Gegenbewegung aufzäumt, um den Druck des zunehmenden, unaufhaltsamen Protests gegen die aktuellen demokratischen Strukturen anderswie aufzufangen.
Nun kommt es mir so vor, als ob ich in hiesigen Wutreden und Streitschriften, die diesen anderen Populismus begründen könnten, vieles vorfinde, was sich (halt auf andere Art) genauso auf Blut-und-Boden-Mythen bezieht, ein seltsames Verständnis von Demokratie oder Volksvertretung hat und sich über das Modell einer in Permanenz per Meinungsumfrage (letztlich überwiegender Ahnungslosigkeit zum Trotz) befindlichen Volksdemokratie dem Rechtaußen-Populismus wieder sehr eng annähert. Da wie dort geht es um Handeln auf Zuruf, um die Dominanz der guten Schlagzeile, des lässigen Gags auf Kosten der Differenziertheit jeglicher Problemlösung.
Aber selbst wenn ich mich da irren sollte: Ist es wirklich nötig zum ersten, dahergesprinteten Kandidaten jubelnd Ja! sagen zu müssen? Bleibt mir/uns nichts anderes übrig, als den bannertragenden Düringer zu akzeptieren, nur weil sich sonst grad niemand anderer aufrafft?
Die EU-Wahl ist bereits verkorkst, da kommt keiner mehr rein.
Tut Schnelligkeit also derart Not?
Oder wird sich Düringer noch als der Beste all jener herausstellen, die sich den Tschoch eines österreichischen Volkstribunen überhaupt antun werden?