Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Aufruhr im Wasserglas"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

23. 3. 2014 - 16:31

Aufruhr im Wasserglas

Der Song zum Sonntag: tUnE-yArDs - "Water Fountain"

Ein wesentliches Merkmal der Musik von Merrill Garbus ist ihr gehöriger Nervfaktor. Der ist mit voller Absicht vorhanden und auch deutlich herausgearbeitet. Alles quietscht und hupt aufgeregt, es rasselt, rappelt und scheppert permanent. Dann wieder gibt es da und dort windschiefes Getröte, das Garbus wohl mithilfe eines Gartenschlauchs mit Plastiktrichter vornedran durch die Wand aus einem Freejazz-Club aufgenommen hat.

Die ursprünglich aus New England stammende Musikerin Garbus ist Sängerin, Percussionistin, Ukulele-Spielerin, Produzentin und noch einiges mehr. Die ständige Aufgebrachtheit und das ganze Gewusel in der Musik wird von einer manierierten, wenn man so will: stilisierten Schreibweise des Namens ihres Bandprojekts unterstützend begleitet: tUnE-yArDs. Aber das ist schon okay so. tUnE-yArDs wollen nicht schmeicheln, sie wollen auf die ganz große Glocke hauen.

tUnE-yArDs

Holly Andres

tUnE-yArDs

Das Debütalbum war noch das typische Lo-Fi-Skizzenbuch, zuhause am Kassettenrekorder zusammengeschustert, der wild wuchernde Ideenreichtum von Garbus war da aber schon nicht zu überhören. Das zweite tUnE-yArDs-Album fand sich dann Ende 2011 in nicht wenigen Jahresbestenlisten ganz weit vorne, im renommierten Pazz and Jop Poll gar auf Platz 1: Das bei 4AD erschienene Album namens "W H O K I L L" war ein haarsträubendes Kuriositätenkabinett, designet und aneinandergenagelt von einem delirierenden Architekten im LSD-Rausch.

Merrill Garbus baute da mit Unterstützung des Bassisten Nate Brenner ein großartiges und großartig anstrengendes Potpourri aus weirdem Folk, Afropop, R’n’B, HipHop und allerlei überdrehtem Gepolter zusammen, das dabei immer so klang, also könnte es eben nur von dieser einen Band tUnE-yArDs stammen.

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Im Mai wird - wieder via 4AD – das dritte Album der tUnE-yArDs erscheinen und den schönen Namen "Nikki Nack" tragen – wenn man bedenkt, dass "nick nack" auf Deutsch in etwa so viel wie "Schnickschnack" bedeutet, dann ist das wieder ein ganz passender Name für eine Platte dieses ständig aufgekratzten und verspielten Projekts. Die Vorabsingle "Water Fountain" verspricht Großes: So catchy waren tUnE-yArDs noch nie. Der Rhythmus ist hier wie so oft bei tUnE-yArDs das zentrale Element. Ein wie auf Instrumentarium vom Alteisenplatz, auf allen möglichen Töpfen, Rohren und ausrangierten Heizkörpern zusammengeklopftes großes Rumpelorchester.

Dazu hat sich Merrill Garbus prominent die berühmteste Zeile aus der Karriere von Busta Rhymes geborgt, die der wiederum von der Sugarhill Gang geklaut hatte: Woo-Ha! Das alles ist sehr lustig, in den Lyrics tut sich dazu jedoch eine neue, politische Ebene auf, die wiederum perfekt mit der Schrottigkeit und dem wie aus der Not geborenen Minimalismus der Musik korrespondiert: "No Water in the Water Fountain". Es geht um das Grundrecht auf Zugang zu sauberem Wasser, weiter gefasst um allgemeine Ausbeutung und Knechtung durch Konzerne, Wirtschaft – und auch die Politik. " I saved up all my pennies and I gave them to the special guy / When he had enough of them he bought himself a cherry pie". Selten finden Form und Inhalt so stimmig zueinander, selten ist ein aufrührerisches Protestlied so - in jedem Sinne - aufrüttelnd gut in einem Partysong verpackt.