Erstellt am: 23. 3. 2014 - 12:36 Uhr
Intime Geschichten im Scheinwerfer
Diagonale
Festival des österreichischen Films. Graz, 18.-23. März 2014
Tägliche Berichterstattung aus Graz im Diagonale Tagebuch auf fm4.orf.at und auf orf.at/diagonale
Sondersendung zum Filmfestival in einer FM4 Homebase Spezial, hier zum Nachhören: 7 Tage FM4
Mehr zur Diagonale:
Ein Anruf bei der Ticketline. Jemand hat ein Filmstill gesehen und möchte den Filmtitel wissen. Die Diagonale-Mitarbeiterin durchblättert den Katalog, mit dem Anrufer am Apparat. Zwei nackte Männer in einer Badewanne sind das Sujet zum gesuchten Film, und es findet sich nicht im Festivalkatalog. Doch eine Kollegin kennt den gesuchten Kurzspielfilm "DMD KIU LIDT" von Georg Tiller. Wo der Film nach der Diagonale zu sehen sein könnte, wäre die nächste Frage.
"Kino findet im Kino statt", sagt der Schauspieler Carl Achleitner gestern Abend bei der Preisverleihung des Festivals des österreichischen Films. "Also gehen Sie hin und schauen Sie das an!" Zu blöd nur, wenn Filme schließlich überhaupt nicht ins Kino kommen, weil sie keinen Verleih finden und keinen Kinostart schaffen.
Die Preise für den besten österreichischen Spielfilm sowie den besten österreichischen Dokumentarfilm des jeweiligen Jahrgangs sind nicht allein Geldpreise zu je 15.000 Euro. Sie pushen Filme noch einmal so richtig.
Als beste Doku kürte die Jury Regisseurin Ruth Beckermann für "Those who stay and those who go".
Die Gewinnerfilme sind heute Nachmittag noch einmal in den Grazer Diagonale-Kinos zu sehen
Die Entscheidung für den besten Spielfilm fiel auf "Der letzte Tanz" von Houchang Allahyari. In den beiden ausgezeichneten, sehr berührend schönen Filmen stehen zwischenmenschliche, persönliche Beziehungen im Fokus.
Preise seien etwas Wunderbares, sagt die gestern Abend für ihre bemerkenswerte Darstellung in "Der letzte Tanz" ebenfalls ausgezeichnete Erni Mangold. "Preise loben und würdigen dich. Trotzdem ist der größte Preis der, den wir vom Publikum bekommen."
Diagonale/Alexi Pelekanos
Die KinobesucherInnen der Diagonale 2014 haben "Das Kind in der Schachtel" von Gloria Dürnberger zum beliebtesten Film gewählt. Entschieden wird per abgegebener Kinokarte mit Punktewertung. Spätestens in den letzten Minuten des Films kullerten vielen dicke Tränen über die Wangen. Denn Gloria Dürnberger erzählt von Beziehungskonstellationen. Sie tut das über ihre eigene Beziehung zu ihrer leiblichen und psychisch kranken Mutter, die sie als Baby einer Pflegefamilie gab und doch alle zwei Wochen besuchte. In etlichen Momenten wird die intime Erzählung zu einer Folie, die sich allgemein auf die Eltern-Kind-Beziehung legen lässt. Wie schaut denn die Beziehung zu der Frau aus, die meine Mutter ist?
Die Frage nach dem Vater wird in einer kurzen Passage abgehakt.
"Das Kind in der Schachtel" startet am 9. Mai 2014 in den heimischen Kinos
Die Ankündigung von Dürnbergers leiblicher Mutter, sie werde sie wieder mitnehmen, versetzte die Tochter als Kind regelmäßig in Panik. Dürnberger erfasst Kindheitsgefühle, dadurch wirkt die Doku derart stark, bringt es Annika Strassmair, eine der Besucherinnen, auf den Punkt.
Man könnte es auch konservativ nennen
Die Fachjurien wechseln jedes Jahr. In diesem Jahr war gerade das Dokumentarfilmsegment prall gefüllt. Dass ausgerechnet jene Filme, die Strukturen und Prozessen nachgehen und über höchstpersönliche Geschichten hinaus weiter ins Gesellschaftspolitische führen, mit keinem der 18 Preise bedacht wurden, mag Gründe haben. Man könnte es aber auch konservativ nennen, wenn etwa die Kameraarbeit in einem Museum ausgezeichnet wird. Ohne Zweifel tolle Arbeit. Draußen, nicht an Schließtagen, auf der Straße und unter Menschen zu drehen, ist auch eine ziemliche Action.
Wohl nicht wenige, die nicht zur Preisverleihung gekommen waren, hätten Arash T. Riahi zugenickt. Mit seinem Bruder Arman hat er "Everyday Rebellion" gemacht, seine Worte gestern waren klipp und deutlich, als der Moderator wissen wollte, was er denn mit seiner Filmproduktion so mache? "Wir machen Filme, die sich um soziale Dinge kümmern. Wie 'Mama Illegal', der von der Diagonale abgelehnt wurde, oder 'Everyday Rebellion', der heute keinen Preis bekam. Aber wir sind ja nicht nachtragend", sagt Riahi und überreicht einen von seiner Firma gestifteten Gutschein.
"Eine Übung auf Leben und Tod"
Diagonale/Alexi Pelekanos
Bevor Michael Ostrowksi Wu-Tang Clan für alle bei der Abschlussparty auflegte, wurde bei der Preisverleihung von nahezu jedem Filmschaffenden auf ihren Appell zur Fortsetzung des Film- und Fernsehabkommens verwiesen und von einer die Einführung der Festplattenabgabe gefordert.
Und Gerald Liebmann, ausgezeichnet für sein Schauspiel in gleich drei Filmen ("Blutgletscher", "Bad Fucking" sowie "Das finstere Tal"), fand diese Worte: "Geschichten können Menschen verändern. Menschendarstellung ist kein Kinderfasching, kein Zeitvertreib, kein selbstverliebtes Affentheater, sondern eine Übung auf Leben und Tod."