Erstellt am: 20. 3. 2014 - 21:42 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 20-03-14.
Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
#machtpolitik #wutbürgerlichkeit #kabarettismus
Ich weiß nicht, wieviel Wutreden es normalerweise braucht, um zur musterhaften Pose zu erstarren: wahrscheinlich eine Menge. Insofern ist der Wutbrief, den der in der österreichischen Öffentlichkeit hauptsächlich als Kabarettist bekannte und höchst populäre Roland Düringer in Sachen Hypo-Schlamassel und Kosten-Abwälzung auf den Steuerzahler an den Finanzminister geschrieben hat, erst Teil 2 einer Reihe, die Ende 2011 mit einer Wutrede Düringers in der TV-Sendung Dorfer's Donnerstalk (Stichwort Systemtrottel) begann.
Die damalige Kritik an Düringers Aktion (die recht unkrtitische Übernahme von Standpunkten einer neoliberal-populistischen Streitschrift) war logischerweise extrem unpopulär: Niemand mag es, wenn man einem süffig vorgetragenen "das-musste-schon-lange-gesagt-werden!"-Ausbruch Unstimmigkeit unterstellt.
Diesmal handelt es sich um einen Originaltext Düringers, ganz ohne ungenaue Bezugsquellen. Und deshalb wird es, vor allem sprachlich, interessant.
Düringers Anliegen ist klar: Der Finanzminister möge die Hypo-Hintergründe so ausleuchten, dass die wahrhaft Schuldigen drankommen, anstatt ein bissl zu jammern und die Last auf den Steuerzahler abzuwälzen. Die Fragen sind konkret und unangenehm, verweisen auf Profiteure und Absurditäten, sind pointiert gesetzt.
So weit, so alles richtig.
Irritierend ist nur Düringers Wir-Zugang, die Vereinnahmung der "Kleiner Mann von der Straße"-Position, die zur "Wir-sind-das-Volk"-Geste wachsen möchte. Was als Ich-Brief beginnt, gerät dann systematisch zu einer Vertretung, einer zwar mandatlosen, aber tribunenhaft, tribunal inszenierten.
Die Verwendung des "Wir", wenn es um Aktionen der verantwortlichen Politiker geht, schleicht sich unmerklich ein, steht zunächst für die Bürger/Steuerzahler, die die politisch Verantwortlichen quasi anstellen und entlohnen (auch eine diskutierbare Sichtweise, jemandem, der für eine Periode bestellt wird, im besten Fall einem Experten, als Laie in jeder Aktion dreinreden zu wollen, letztlich aber legitim).
Im direkten Appell an Spindelegger wird Düringer dann deutlicher: Nach der Aufzählung aller Schweinereien, Ungereimtheiten, Versäumnisse und Defizite lässt er den Satz "Lassen Sie es nicht zu, dass unser Glaube an den Rechtsstaat und die Demokratie endgültig erlischt" folgen.
Und noch ehe ich meine Verwirrung über die Verknüpfung von Verfehlungen und der ganz prinzipiellen Infragestellung der Demokratie und des Rechtsstaats (denn so arg das ganze Hypo-Debakel auch ist: bislang findet alles auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit statt, demokratiegefährdend wäre auch die Verhinderung eines U-Ausschusses nicht einmal im Ansatz) formulieren kann, kommt schon ein echter Knock-Out-Satz. Düringer führt an, dass es für viele Menschen in diesem Land zunehmend enger würde und sie die Schnauze zunehmend voller hätten und sagt: "Verhindern wir, dass ihre Wut eines Tages auch unsere Straßen heimsucht und der Staat sein wahres Gesicht zeigen muss: Die Diktatur."
Damit wird es wirklich eng.
Und zwar für Düringer.
Er sagt da nämlich nichts anderes, als dass der österreichische Rechtsstaat, die Demokratie der Zweiten Republik, bereits eine Diktatur sei. Die bislang nicht ihr wahres Gesicht zeigen musste, was aber dann passieren wird, wenn die Wutbürger ihren Grant auf die Straße tragen.
Im PS des Briefes kommt dann noch eine Verdeutlichung, was den Wir-Begriff betrifft. Düringer ersucht Spindelegger, den Kollegen Kanzler zu derglengen: "... sprechen Sie ihn bitte darauf an und versuchen Sie, auch ihn auf die Seite des Volkes zu ziehen."
Abgesehen davon, dass ich die Bezüglichkeit "auch" in diesem Satz nicht verstehe (ich muss nicht alles verstehen): "Das Volk" sind also jene, die Düringers Meinung sind; die, die nicht wollen, dass dann, wenn sie einmal wutbürgerlich auf die Straße gehen müssen, der Staat sein wahres, diktatorisches Gesicht zeigen muss.
Da wird das finale Wir dann wieder eins mit den beginnenden Ich.
So weit, so verwirrend, so beängstigend.
Ich will einmal, ganz ohne Wir, beim Ich bleiben: Was mich an Düringers Brief so unrund macht, ist seine geiselhaftige Verwendung eines Wir- und eines Volksbegriffs, in dem ich mich nicht wiederfinden kann und auch nicht mag, wiewohl ich in der Sache (Hypo) ja keiner anderen Meinung als Düringer bin (sein kann). Der Grund dafür: Die extrem diffuse Verwendung, ja der Missbrauch von Begrifflichkeiten wie Diktatur, Demokratie oder Rechtsstaat. Zweiteres und Dritteres ist durch die Causa Hypo weder direkt noch indirekt bedroht, Ersteres als logische Folge hinzustellen, dessen Erreichen bei Zuwiderhandeln quasi unvermeidbar wäre, halte ich für fahrlässig und gefährlich.
Abgesehen davon, dass Volkstribunen, noch dazu selbsternannten, durch Popularität im Unterhaltungsbereich scheinlegitimierten, prinzipiell zu misstrauen ist: Ich kann ein solches Wir besonders mit jemandem wie Düringer rein gar nicht teilen.
Düringer hat einen Saulus/Paulus-Wandel der absurdesten Art hinter sich: vom konsumkonformistischen, strukturkonservativen Mainstream-Kabarettismus-Menschendarsteller hin zum talibanesken Modernitätsverweigerer; vom Gashebel-Kasperl zum steineindenbartflechtenden Kaspanaze.
Wer von einem Extrem ins andere, von einer schrillen Ideologie in ihr ebenso schrilles Gegenteil kippt, wer dabei zudem im Bewusstsein, schweigende und satte Mehrheiten hinter sich zu haben, aus einer Position der selbstzufriedenen Zweifelsfreiheit vorgeht, kann mich nicht vertreten. Er sollte es sich auch ersparen, im Namen des Volkes zu agieren, vor allem dann, wenn er die Möglichkeit hat, im öffentlichkeitswirksamen Rahmen der Kunst/Unterhaltungsindustrie zu sprechen.
Anders ist es so, wie das aktuell bei den deutschen Nachbarn Die Anstalt beinhart durchzieht, die zuletzt die politisch-ökonomisch-medial ausgedealte Lüge um die private Rentenvorsorge und den deshalb gehypten Generationen-Konflikt entlarvte. Mit künstlerischen Mitteln wohlgemerkt, Theatralik, Performance, Witz, mit wohlgesetzten Worten, gut durchüberlegten Ansätzen, historisch-philosophischen Querverweisen, die dann final auf einen hochpopulären Punkt gebracht werden, den jeder Kleingeist nachvollziehen kann.
So muss politische Agitation.
Gut, das von Düringer zu verlangen, ist nicht fair. Seine Stärken als Menschenimitator lagen anderswo, das blitzkluge Erläutern von Zusammenhängen oder die tiefergehende Recherche komplexer Thematiken hat er immer anderen (den Dorfers, den Vieren da, den Staatskünstlern etc.) überlassen.
Wohl deshalb strahlt Düringers aktuelle, jenseits jeder künstlerischen Äußerung betriebene Polit-Agitation trotz aller inhaltlichen Klasse etwas Bierdunstiges, nach dem berüchtigten gesunden Volksempfinden Miefendes aus. Denn auch, wenn sich ein Text außerhalb des Portfolio-Kontextes seines Autors stellt, sollte er sich an den dortigen Maßstäben orientieren und gemeingefährliche Gemeinplätze vermeiden, anstatt sich auf das Niveau populistischer Kleingeldwechsler zu begeben.
Für dem Herrn Düringer sein Volk, auf dessen Seite der Finanzminister den Kanzler ziehen soll, um so Wutbürgereien, die zur Diktatur führen müssen, gerade noch einmal zu vermeiden, kann ich keinen Respekt aufbringen.