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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

19. 3. 2014 - 12:01

Von bissigen Zahlen und der Verantwortung Kunst

Was geht, wenn mit immer weniger Geld noch immer mehr geht? Die Diagonale, das Festival des österreichischen Films, ist eröffnet.

Diagonale

Festival des österreichischen Films. Graz, 18.-23. März 2014

Tägliche Berichterstattung aus Graz im Diagonale Tagebuch auf fm4.orf.at und auf orf.at/diagonale

Sondersendung zum Filmfestival: heute Mittwoch, ab 19 Uhr in einer FM4 Homebase Spezial.

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Die Sonne strahlt, dennoch sind seit Ende letzter Woche zahlreiche Vorstellungen dieser gerade beginnenden Diagonale ausverkauft. Vom Publikum aufgekauft - denn ein Kontingent ist traditionell für Gäste, Presse, Branche reserviert. Zeitnah zur Eröffnung gestern Abend in der Helmut-Liste-Halle in Graz fand eine Vorführung des Eröffnungsfilms "Das große Museum" im Annenhof-Kino statt. Erstmals läuft der Festivaltrainer, gestaltet von Michaela Grill, die sich dem innovativen Kino und in diesem Fall den Tieren verschrieben hat.

Diagonale Festival Trailer 2014 from Diagonale Film Festival on Vimeo.

Zu den Tieren im österreichischen Film, den Tigern und den Skorpionen auf der Diagonale 2014, wird an dieser Stelle anderntags ausgeholt werden. Georg Friedrich ist da, und er wird am Beginn dieses gestrigen Abends, der mit Plaudereien bei Eierspeis und Würsten und Freude über den Eröffnungsfilm zu Ende ging, mit einem Preis ausgezeichnet.

"Ja, Text ist da kaner drin - jetzt steh' i' da". Georg Friedrich erhält den Großen Diagonale-Schauspielpreis und schaut in eine Mappe. Sein Preis ist ein Bild, das einen Mann zeigt. Eine Art Scherenschnitt von der Ferne. Gar nicht so fern von seinen Rollen zeigt sich Friedrich, der kaum je ein Interview gibt und seit 1986 bis heute in über vierzig Kinofilmen mitgewirkt hat.

In Plauderton und chicem Dreireiher erzählt Georg Friedrich, dass er ungern seine Post öffne und lieber warte, bis alles verjährt sei und ungeöffnet weggeschmissen werden könne. Denn meistens sei etwas Unangenehmes bei der Post. Wie gebannt hören alle dieser Stimme zu, die in Filmen in weinerlichen Singsang verfallen und MickeyMouse Konkurrenz machen kann. Darum kann dieser Mann etwas Banales erzählen, und es wird am nächsten Tag wiedergegeben: Zum Glück des Eröffnungspublikums spielt Georg Friedrich wöchentlich Billard. In seinem Billardcafé hat ihm die Frau Weingartner gratuliert zu einem Preis in Linz. Er bekäme tatsächlich einen Preis, wusste ein Billardspieler, aber in Graz. Im Süden. "Pack' i' a' Badehose ein und häng an Urlaub dran, des zahlma die eh".

Die Pointe ist komplett egal. An diesen Georg Friedrich kommt keiner so schnell heran oder vorbei.

Georg Friedrich schmunzelt amüsiert am Eröffnungsabend der Diagonale 2014

Diagonale/Klaus Pressberger

Von der Wahrhaftigkeit im Spiel

"Zuletzt möchte ich mich bei meinen Eltern bedanken, die immer an mich geglaubt haben. Bei allen Kollegen und Regisseuren bedanken", geht er ab. Hihi! Dieser Schmäh auf eigene Kosten steht dimetral zu all den in der Laudatio zitierten Lobpreisungen. "Intuitiv und aus großer Lebenserfahrung" erarbeite Friedrich die von ihm verkörperten Figuren, weiß Barbara Albert. Sowieso hätte er sich mit einer Szene aus Ulrich Seidls "Hundstage" "in die Annalen des österreichischen Films eingeschrieben", gab - ja - Seidl zu Protokoll. Ob Drogendealer, Möchtegern-Pornoproduzent, Junkie oder Biedermann - in Georg Friedrichs Spiel liegt eine Wahrhaftigkeit, so Laudatorin und Schauspielerin Johanna Orsini-Rosenberg. Das Wort "authentisch" fällt, mein persönliches Wort-Bingo-Spiel zählt eins, und ich traue mich wetten, Georg Friedrich würde mitspielen.

Barbara Pichler, Johannes Holzhausen lehnen entspannt

Diagonale/Lukas Maul

Tatsächlich war die Eröffnung der 17. Diagonale einer der kurzweiligsten ersten Festivalabende bislang

Klare Ansagen

Kino ist soziale Kunst, die in einem dynamischen Zusammenhang entsteht, erklärt vorab die Diagonale-Leiterin Barbara Pichler und bringt in dynamischem Tempo eine kluge Rede. Denn Pichler bringt eine Tatsache auf den Punkt, die sich viele nicht eingestehen können und nicht wollen: Wir alle hätten uns willig daran gewöhnt, Kunst von ökonomischen Faktoren abhängig zu machen. Die Umwegtrentabilität zu berücksichtigen und die Standortpolitik - diese Worte könne sie schon nicht mehr hören, sagt Pichler.

Dennoch: Die Wertschöpfung des österreichischen Films sei - und ist - nachweisbar enorm. Allein der Diskurs wäre nicht positver geworden, im Gegenteil, so Barbara Pichler. Die Dominanz der Zahlen dränge alles andere in den Hintergrund. Dass "immer mit etwas weniger immer mehr geht", diese eindimensionale Wachstumslogik sei die Devise. Dass selbst, wenn finanzielle Mittel rückläufig sind, alles immer gleich weitergehen solle - wider der eigenen Logik, doch zu sehr sei man an diesen Umstand gewöhnt. "Dass alle immer wieder zu Kompromissen bereit sind, um die Dinge am Laufen zu halten". Pichler bezieht sich auf die Kunst, doch in welch anderem Gesellschaftsbereich passiert nicht das Selbe?

Kunst ist eine super Sache, doch für eine offene, selbstkritische, zukunftsorientierte Gesellschaft. Das sei vielen bewusst, doch nicht die Basis unserer Handlungen, sagt Barbara Pichler. Sie verweist auf die Sinnlosigkeit, über Urheberrechte öffentlich zu debattieren, wenn einer Öffentlichkeit das grundsätzliche Verständnis für Werke und auch deren Verwertung fehle. An diese Öffentlichkeit wendet sich die Intendantin des Festival des österreichischen Films schließlich mit Fokus auf den ORF. Die Kürzung des ORF Film- und Fernsehabkommens steht im Raum, Pichler bezeichnet dies als "existentielle Bedrohung" für das heimische Filmschaffen.

Johannes Holzhausen

Diagonale/Klaus Pressburger

Johannes Holzhausen, Regisseur des diesjährigen Diagonale-Eröffnungsfilms "Das große Museum"

"Es ist ein unerträglicher Zustand, wie sich ein öffentlicher Sender aus der Verantwortung herausschleichen will", legt wenig später der Regisseur des diesjährigen Eröffnungsfilms, Johannes Holzhausen, nach und spricht direkt anwesende Politiker an. Holzhausens Ankündigung "ich komm' dann wieder nach dem Film", klingt in diesem Fall wie eine sehr ernste Ansage. Mit Holzhausen wäre zu rechnen. Und bevor sein Dokumentarfilm "Das große Museum" Österreich-Premiere hat, läuft noch ein Video-Appell heimischer FilmarbeiterInnen an ein Publikum, das an diesem Abend größteils KollegInnen sind.

Liebevoller und witziger Blick hinter Kulissen

Von der Kritik an einer Institution geht es zum Blick hinter die Kulissen einer anderen: Das Kunsthistorische Museum in Wien porträtiert Johannes Holzhausen in seinem jüngsten Dokumentarfilm "Das große Museum". Mit Situationskomik und Witz in den Perspektiven der Kameramänner Joerg Burger und Attila Boa erreicht die Doku einen Grad an Unterhaltung, die den reinen Schauwert übersteigt.

Mitarbeiter des Kunsthistorischen Museums hängen ein großes Gemälde auf

Navigator Film

Zwischen Markenpositionierung und von Käfern unterfressenen Gemälden arbeitet das Personal des Museums für die Bewahrung von Kunst und deren Wertschätzung in der Gegenwart. Da attestiert der käufmännische Geschäftsführer einer grafisch etwas spitzen Zahl 3 auf einem Plakatentwurf: "Der Dreier schaut bissig aus. Ehrlich gesagt: Ein No-Go!" und bei Auktionen um historische Uniformen haben seine KollegInnen das Nachsehen gegenüber privaten Sammlern. Hoher Besuch aus dem Britischen Museum erklärt offen und nahezu lachend: "Es ist immer risikoreich, Kunstwerke in Auftrag zu geben!" Überhaupt wären die Persönlichkeiten, die "Das große Museum" vorstellt, jede und jeder, wunderbare Hauptfiguren einer einzigen Doku. Über manche Länge lässt sich hinwegsehen, "Das große Museum" ist leichtfüßige Unterhaltung in einer altehrwürdigen Kulisse.