Erstellt am: 19. 3. 2014 - 13:30 Uhr
Sture Weltbürger mit Freiheitsdrang
Nein, er will nicht jammern, meint Anatol Bogendorfer am Telefon, und das sonst so übliche "aber" bleibt aus. Anatol Bogendorfer will wirklich nicht jammern, denn Valina haben sich den Grad ihrer Wahrnehmung in heimischen Medien ja selbst ausgesucht.
Underground ist nicht nur ein Wort
Valina sind eine der Bands, für die der Status Underground noch seine ursprüngliche, in Jahren der Kapu-Punk-Sozialisation geprägte Bedeutung hat: Tante Google gibt kaum Informationen über sie preis, in der Mainstreampresse kommen sie so gut wie gar nicht vor. Valina machen einfach nicht mit beim Aufmerksamkeitswettstreit, und auch sonst geben sie sich prinzipientreu: sie spielen nicht für Parteien oder Sponsoren, beschäftigen kein Management, sie wollen dezidiert nicht von ihrer Musik leben. Denn Valina wollen nicht, weil die Miete zu zahlen ist, irgendetwas tun müssen, was sie sonst nicht auch tun würden – geschweige denn irgendwelche musikalischen Kompromisse eingehen.
Zoe Fotografie
Jetzt ist das ja so eine Sache mit dem Sturschädel: manchmal verbaut er einem den Weg, nicht nur den zu Ruhm, Ehre und Reichtum, sondern auch den Weg zu musikalischer Entwicklung. Im Falle Valinas kann man getrost vom Gegenteil ausgehen: Gerade weil sich Anatol, Anselm und Husbert zum Musikmachen einen Freiraum geschaffen haben, den sie nutzen und ausbauen können, kommen solche Alben heraus wie Container, ihr aktuelles Werk, das Ende März bei Trost erscheint.
Hier leben sie ihre Freiheit aus, an den Rändern des Post/Punk/Math/Emo/Rock/Core/whatever zu wildern, aber auch die Freiheit, sich immer wieder auf die Energie des alten Gitarre/Bass/Schlagzeug-Spiels einzulassen, ihre Sozialisation im Rock eben nicht zu verleugnen, ohne allerdings jemals in Verdacht zu geraten ihn irgendwie anders als progressiv auszulegen.
"Progressive Schlager-Noise"
Ein Interview mit Anatol Bogendorfer von Valina gibt's am 19.3. ab 23 Uhr in der Basement Show im House of Pain.
Im Chicagoer Meisterproduzenten Steve Albini (Pixies, Nirvana, Shellac, Jarvis Cocker u.v.a.m.) haben Valina dafür ein perfektes Pendant gefunden, denn der hat einen ähnlichen un-machoiden Zugang zum Rock und übt sein Amt mit solcher Zurückhaltung aus, dass auch er die musikalische Freiheit der Band nicht antastet. "Progressive Schlager-Noise from Austria" nennt er ihre Musik. Es versteht sich fast von selbst, dass Valina ihr Album live und analog aufgenommen haben und ohne Overdubs, Autotune oder ähnliche Sperenzchen auskommen.
Container ist bereits das dritte Album, das die Linzer bei und mit Steve Albini produziert haben, und die Entwicklung ist beachtlich. War das 2002er Werk Vagabond noch verspielt und leicht verhuscht, noch zu sehr in der eigenen Schrulligkeit verloren, klang das auch schon großartige A Tempo! A Tempo! (2008) – auch der neue Drummer scheint dazu seinen Teil beigetragen zu haben – deutlich präziser und selbstbewusster.
"Container" erscheint am 28. März bei Trost.
Valina live:
- 18.04. PMK Innsbruck (+ Carla Bozulich + Bluemling)
- 19.04. Stadtwerkstatt Linz (+ Carla Bozulich + Free Nelson Manomjazz + DJ Marcelle)
- 20.04. Feierwerk München (+ Kitty Empire + Candelilla)
- 24.04. Chelsea Wien (+ Jung an Tagen)
- 25.04. Forum Stadtpark Graz (+ Žen + Crystal Mathematics)
- 26.04. Menza Pri Koritu Ljubljana
- 29.04. 007 Strahov Prag (+ Peleton)
- 03.05. Boro-Klub Brno
- 09.05. Röda Steyr (+ Dirt Deflector)
- 10.05. Ballonfabrik Augsburg (+ Kitty Empire + Atatakakatta)
- 18.06. OKH Vöcklabruck (+ Elsa Tootsie & The Miniband)
- 12.09. Rittersaal Waidhofen/Ybbs (+ Sergeant Pluck Himself)
Valina / Thomas Draschan
Container ergänzt nun diese Präzision mit einer unglaublichen Energie, die das Album vom ersten bis zum letzten Ton durchzieht. Diese Band weiß genau wo sie hin will, und das ist sicher nicht der Heimatsumpf, weder der musikalische noch der geografische. So kommen zum gewohnt sachlich-entspannten Gesangsstil von Anatol Bogendorfer diesmal jazzige Saxophon-Einsprengsel von Teilzeit-Bandmember Werner Zangerle. So pflegen Valina, statt sich um Präsenz in der heimischen Medienlandschaft und um wöchentliche Gigs in den immer gleichen Venues zu bemühen, lieber ihre in Jahren aufgebauten internationalen Kontakte, um die USA zu betouren, Russland, Israel oder zuletzt Brasilien, Argentinien und Chile.
Einfach mal weg
Wie die Südamerika-Connection zustande kam, ist beispielhaft für das Musik- und Lebensverständnis von Valina: Weil ihm das Leben zu Hause zu bequem wurde, erzählt Anatol Bogendorfer am Telefon, gab er vor drei Jahren seine Linzer Wohnung auf und zog, ohne einen Brocken Spanisch oder irgendwelche Kontakte, für mehrere Monate nach Buenos Aires. Keine Angst vor neuen Erfahrungen – der internationale Rock-Untergrund kann schließlich auch eine Heimat sein.
Heute im House of Pain (22 Uhr)
In der Basement Show hat Rainer Springenschmid Valina-Sänger und Gitarrist Anatol Bogendorfer zu Gast, der "Container", das neue Album der Linzer Post-Emocore-Legenden, mitbringt. Zu hören ab 22 Uhr im FM4 House of Pain und danach für sieben Tage zum Nachhören unter fm4.orf.at/7tage.