Erstellt am: 18. 3. 2014 - 18:23 Uhr
Very Last Action Heroes
Ein junger Mann, der sich in keinster Weise an Verkehrsregeln und die strengen Geschwindigkeitslimits im Land der (un-)begrenzten Möglichkeiten hält, der die Raserei zum Lebensprinzip erklärt, soll die Verkörperung des amerikanischen Traums sein? Aber natürlich. Denn Tobey Marshall steht für alles, worauf die Mythenindustrie Hollywoods sogar im desillusionierten 21. Jahrhundert immer noch insistiert.
Während das US-Fernsehen in Serien wie “Walking Dead”, “Mad Men”, “Game of Thrones” und zuletzt dem genialen “True Detective” Antihelden am laufenden Band produziert und tradierte Männlichkeitsideale dekonstruiert, seziert und auf kreative Weise besudelt, gibt das Mainstream-Kino nicht auf. Und so darf Aaron Paul, der in „Breaking Bad“ als Drogendealer Jesse noch beeindruckend mit dem Bösen paktierte, in "Need For Speed" den Liebling aller Redneck- und Trailerpark-Schwiegermütter spielen.
Constantin
Analoge Auto-Action
Als ehrliche Working-Class-Haut wird seine Figur des Tobey Marshall in dem Action-Blockbuster eingeführt, ein junger Mechaniker, der nichts will als mit seinen Kumpels abhängen, von der verflossenen Liebe träumen und gelegentlich ein bisschen Zubrot mit illegalen Street Races gewinnen.
Aber der grinsende Asphalt-Cowboy wird von seinem Rich-Kid-Rivalen Dino (Dominic Cooper) nicht in Frieden gelassen. Als ein gemeinsames Wettrennen mit dem Tod eines Teenagers endet und Tobey unschuldig im Gefängnis landet, schwört er nach der Entlassung dem Kontrahenten Vergeltung. Er will Dino bei einem legendären Underground-Rennen um jeden Preis schlagen.
Regisseur Scott Waugh schwärmte im Vorfeld von "Need For Speed" von seiner Vision: Endlich mal wieder einen Verfolgungsjagd-Film zu drehen, der auf erdige, analoge Auto-Action setzt. Im Zeitalter von artifiziellen Greenscreen-Rasereien, wie sie die Konkurrenz-Reihe "Fast and Furious" dominieren, hat sich das schon fast zu gut angehört. Wenn Waugh dann noch rauhe Streifen aus den sechziger und siebziger Jahren wie "Bullitt", "Vanishing Point" oder "Grand Prix" erwähnte, träumten nicht wenige Fans bereits von einer überfälligen Genre-Hommage.
Constantin
Erdige Outlaws mit digitalen Gadgets
Auf dem Weg zur Ziellinie befinden sich allerdings einige gröbere Hindernisse. Zum Beispiel die Tatsache, dass "Need For Speed" auf einem der erfolgreichsten Videospiele überhaupt basiert. Um den Film zielgruppengerecht mit der Game-Vorlage zu verknüpfen, werden Unmengen digitaler Gadgets in die Story eingeflochten, bis zu einem Punkt, wo das Geschehen eher an den Crosspromotion-Exzess diverser Computerfirmen erinnert, als an eine Ode an Motoröl und Straßenstaub.
Dann ist da noch die Story. Dialoge, die ständig an der Peinlichkeitsgrenze entlangschlittern und Figuren vom Reißbrett würden in einem kurzen Exploitation-Rausch aus heulenden Polizeisirenen und ineinanderkrachenden Fahrzeugen keineswegs stören. Aber "Need For Speed" nimmt sich 130 lange Minuten Zeit, um die Gang um Tobey als humorvolle junge Menschen darzustellen, die eben gerne potentiell tödliche Straßenschlachten veranstalten.
Für die Darsteller am Steuer ist das alles nicht sehr vorteilhaft. Aaron Paul und seine Beifahrerin Imogen Poots werden zum grundguten Outlaw und zur dauergrinsenden Blondine reduziert, Dominic Cooper gibt einen Bösewicht wie aus einem Disney-Cartoon. Die wahren Stars des Films sind ohnehin die Stuntleute mit ihren zugegeben wirklich irrwitzigen Einlagen. Vor ihnen und ihrem Mut möchte man den Cowboyhut ziehen, den Geist von Steve McQueen sollte man bei "Need For Speed" aber bitte lieber nicht herbeibeschwören.
Constantin
Oh-oo-oh you're in the army now
Wer das aktuelle Hollywood-Eventkino nicht einfach nur nach ästhestischen Kriterien durchwinkt, sondern sich auch ein wenig für ideologische Hintergründe interessiert, wird beim Namen des Regisseurs ohnehin stutzig. Scott Waugh, der aus einer Stuntmen-Dynastie stammt, sorgte mit seinem grottenschlechten Langfilmdebüt "Act Of Valor" für einige Kontroversen. In dem Kriegsspektakel, dass mit Unterstützung des amerikanischen Militärs entstanden ist, spielen echte Mitglieder der Navy Seals sich selbst, die Grenzen von unverhohlener Propaganda, Actionkino und unfreiwilliger Kasperliade verlaufen dabei mehr als fließend.
Wenn Scott Waugh, der auch ganz offiziell zu den wichtigsten Filmemachern im Dienste der US-Army zählt, mit Filmen wie "Need For Speed" beschäftigt ist, springt sein Kollege Peter Berg ein. Dessen nur oberflächlich als Science-Fiction-Blockbuster getarntes Truppenrekrutierungs-Epos "Battleship" floppte zwar ganz gewaltig, aber der Regisseur und Autor versucht es nun mit einem bodenständigeren Ansatz.
Am Anfang von "Lone Survivor", der auf einem wahren Vorfall aus dem Jahr 2005 beruht, steht eine herzige Montage wie aus dem Navy-Seals-Poesiealbum. Schnappschüsse aus dem knochenharten Training, gequälte Gesichter, geschundene Körper, aber auch Lachen und Siegesposen. Was an einen flotten Werbespot der US-Army erinnert, verwandelt sich aber bald in ein Inferno aus Blut und Knochensplittern.
Officer Marcus Luttrell (Mark Wahlberg) und seine Kameraden (unter anderem Taylor Kitsch, Emile Hirsch und Ben Foster) werden in die afghanische Bergwelt geschickt, um einen berüchtigten Taliban-Anführer aufzuspüren und umzubringen. Dass die Soldaten eine Gruppe einheimischer Zivilisten einfach so ziehen lässt, erweist sich natürlich als kapitaler Fehler. Denn die Schafhirten verständigen sofort ihre Taliban-Freunde und unsere witzelnden Protagonisten geraten in einen Hinterhalt. Abgeschnitten vom Funkverkehr und weit weg von jeglicher Hilfe beginnt ein erbitterter Kampf ums Überleben.
Universal
Blut- und Wüstenboden-Kitsch
Zugegeben: Das dreiviertelstündige Mittelstück von "Lone Survivor" erweist sich als meisterlicher Film im Film, zumindest was die handwerkliche Virtuosität betrifft. Peter Berg zieht uns Zuseher distanzlos in das Gemetzel hinein, holt den Horror beklemmend in den Kinosaal. Aber dann fallen sie, mitten im ärgsten Sperrfeuer, die befürchteten Sätze von Opfermut und unbedingter Kameradschaft. Und wer wirklich glaubte, hier geht es um unbedingten und gnadenlosen Realismus und Menschen in Extremsituationen, wird eines Schlechteren belehrt.
"Lone Survivor", basierend auf dem Tatsachenroman des echten Marcus Luttrell, erweist sich letztlich als Blut- und Wüstenboden-Kitsch, der jeder Beschreibung spottet. Wenn am Ende David Bowies "Heroes" in der Peter-Gabriel-Version als Abspannsong pervertiert wird, muss man keineswegs Pazifist sein, um fassungslos zurückzubleiben. Die formale Brillanz, die fantastischen Splattereffekte, die bemühten Darsteller, alles dient einem ungebrochenem Kniefall vor dem amerikanischen Militär.
Dabei hätte die Luttrell-Geschichte nicht einmal einen messerscharfen Subtext über Abhärtungsstrategien und Körpertransformationen gebraucht, wie ihn Stanley Kubrick in "Full Metal Jacket" so beklemmend verpackte. Etwas mehr Ambivalenz hätte gereicht, ein Hauch von emotionalen Grauzonen und Zweifel. Ich würde vorschlagen, wer Kathryn Bigelows düsteres und differenziertes Meisterwerk "Zero Dark Thirty" als US-Jubelfilm kritisierte, muss sich zur Strafe zwanzigmal "Lone Survivor" auf Autorepeat ansehen.
Universal
Hollywood geht in die Luft
Man könnte sich in der Navy-Seals-Kommandozentrale übrigens sehr gut Liam Neeson vorstellen, der den selben Job bereits in Peter Bergs "Battleship" grimmig absolvierte. Die spätberufene Actionkarriere des mittlerweile 61-jährigen Iren führt ihn ja in unterschiedlichste martialische Szenarien, von denen bislang die existentialistische Eiswüste in "The Grey" am nachhaltigsten in Erinnerung blieb.
In "Non-Stop" geht Neeson nun in die Luft. Als von der Midlife Crisis und dem Leben generell schwer gebeutelter Air Marshal wird er auf einem Linienflug mit einem gefährlichen Psychopathen konfrontiert. Der unbekannte Erpresser macht via SMS unmissverständlich klar, dass alle zwanzig Minuten ein Passagier stirbt, wenn nicht die Lösegeldsumme von 150 Millionen Dollar auf ein bestimmtes Konto transferiert wird.
Eigentlich müsste die Spannung über den Wolken grenzenlos sein. Spielen doch einige der allerbesten Thriller auf engstem Raum, von abgelegenen Waldhütten, fahrenden Zügen bis zu Rettungsbooten. Weder für den Gejagten noch für den Jäger, für den Killer wie den Ermittler gibt es eine Fluchtmöglichkeit. Aber auch wenn die klaustrophobische Enge einer Passagiermaschine geradezu nach bösartigen Katz-und-Maus-Spielen schreit, endet die nervenkitzelnde Reise meist mit einer dramaturgischen Bruchlandung.
Der Grund: Hollywood überspannt in Filmen wie "Red Eye" oder "Flightplan" den erzählerischen Bogen, möchte cleverer sein als es die Luftraumüberwachung erlaubt. Auch in "Non-Stop" endet die unglaubliche Reise im verrückten Flugzeug nicht gerade befriedigend. Einem rasanten Start und einer suspensereichen Mördersuche folgt ein Haufen blöder Wendungen im finalen Sturzflug.
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Liberale Agenda an Bord
Immerhin weiß Regisseur Jaume Collet-Serra, der zuvor auf Horrorfilme spezialisiert schien, aber, dass er sich auf klassischem B-Movie-Terrain befindet, die Laufzeit wird nicht überdehnt, die Inszenierung wirkt kompakt. Wie die besten Schundregisseure seit der seligen Ära von Produzentenguru Roger Corman schmuggelt der Spanier auch eine liberale Agenda in die rabiate Non-Stop-Action.
"Need For Speed" und "Lone Survivor" laufen diese Woche in den österreichischen Kinos an, "Non-Stop" ist bereits gestartet.
Während andere aktuelle Tschinn-Bumm-Streifen den reaktionären Status Quo zementieren und auch miefige Männlichkeitsbilder abfeiern, wimmelt es an Bord dieses Flugzeugs vor Paranoia, Selbstzweifel und politischer Verunsicherung. Dass ein kaputter Typ mit Alkoholproblem, wie ihn Liam Neeson spielt, dann in dem Trubel triumphiert, mag alles andere als neu sein. Aber ein paar solcher dysfunktionaler Antihelden hätten den zuvor erwähnten Filmen nicht geschadet, soviel ist sicher.
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