Erstellt am: 16. 3. 2014 - 20:42 Uhr
The daily Blumenau. Weekend Edition, 16-03-14.
Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Siehe auch:
The daily Blumenau. Friday Edition, 21-02-14: Man kann es nicht laut genug sagen: Matthias Hartmann wird ungerecht behandelt.
The daily Blumenau. Monday Edition, 03-03-14: Entwicklungen und Nachreichungen.
The daily Blumenau. Monday Edition, 10-03-14Man glaubt es kaum.
#hochkultur #medien
Es geht mich immer noch nix an.
Hochsubventionierte Hochkultur wohnt auf einem anderen Planeten; und die Beurteilung von künstlerischer szenischer Aufführung soll jenen obliegen, die sich intensiv damit beschäftigen. Mir fiele da nur die Klasse an Schauspiel-Seminaristen ein, die sich vorgestern auf meinem Kinderspielplatz zuerst bei der Schaukel und dann bei der Sandkiste versammelte, um dort Selbstpräsentationen zu üben.
Es geht mich wohl auch nix an, weil der nominelle Status Quo gerade Lichtjahre von meiner Realität entfernt ist - das zeigt mir das Interview mit Frank Castorf, das mich erkennen lässt, dass meine Art der Differenzierung zwischen kreativer Theater-Erneuerung und schnöseligem Copycat-Posertum von einem der (zumindest einstmals) stärksten Protagonisten der ersten Kategorie massiv ad absurdum geführt wird, und wohl nichts zählt. Vielleicht muss das Bewirtschaften eines subventionierten Repertoire-Theaters im aktuellen zynisch-neoliberalen Umfeld von Kalkulatoren der Macht wie Hartmann geführt werden, vielleicht ist jede andere Herangehensweise Wunschdenken.
Vielleicht geht es wirklich "nur" um das, was der Chef des Wiener Klangforums in seiner ultraharschen, diese Woche im Falter geäußerten (nicht im Web lesbaren) Kritik an der Wiener Staatsoper fordert: die Einhaltung von Gesetzen; im vorliegenden Fall solche, die Bundestheater organisieren. Denn wie oft in dieser Republik sind die Bestimmungen und Rahmenbedingungen gar nicht so übel aufgesetzt: da aber niemand hinter der Umsetzung steht, sind sie recht wertlos.
In jedem Fall geht es um die Sinnhaftigkeit eines lebendigen Kulturjournalismus. Und der hat im Fall Hartmann überwiegend, großflächig versagt.
Es dauerte sogar noch diverse Schrecksekunden nach der Fristlosen am Dienstag, ehe sich die Hochkukltur-Abteilungen der selbsternannten Qualitätsmedien dazu durchringen konnten neben den finanziellen Gebarungen, die sie (in ideologischer Kumpanei mit Direktor Hartmann) nur mit der Kohlenzange angreifen wollten, endlich auch die künstlerischen und Management-Fähigkeiten zu besprechen. Und auch gezielt das anzusprechen, was jeder Mensch, der in Wien lebt und sich sozial nicht völlig absondert und einigelt wusste. Sogar weit Außenstehende wie ich.
So lese und höre ich seit ein paar wenigen Stunden mehr Wahrheit über die Ära Hartmann als in den letzten Jahren zusammen. Weil den Hochkultur-Redaktionen jetzt gar nichts anderes überbleibt; weil sie jetzt unter den internen Druck ihrer Ressort-Kollegen geraten sind und nicht mehr wie bisher (Flucht in die rezensive Behandlung, die Ruhm-Mitnahme durch Image-Transfer, das joviale Gespräch um Scheinaugenhöhe zu erleben) können, sondern auch die Umstände und das Zustandekommen der geleisteten Arbeit mitzubedenken und aus dem Zugang Schlüsse auf den künstlerischen Wert abzuleiten.
Ist im Bereich der Bildenden Kunst ja nicht ansders: auch die Erwin Wurms dieser Welt haben irgendwann eine gut verkaufbare Idee und können sich, wenn der Markt sie füttert drauf zurückziehen, nur anzuschaffen und die Assistenten ausführen zu lassen - ein Modell, das zumindest seit Rembrandt gut klappt.
Ist mir selber alles aus dem Sub/Popkultur-Bereich genauso bekannt; mit vollen Hosen ist ja leicht stinken. Auch da ist es nicht unüblich, sich mit Genres, Szenen, Künstlern gemein zu machen. Auch das ist oft kein echter Journalismus, sondern (vor allem dort, wo sonst keine Mittel zugesetzt werden) angewandte Kulturarbeit.
Und somit nicht mit dem Hochkulturbereich zu vergleichen: denn dort schwingen politische, ökonomische, touristische und staatshaushaltliche Einflüsse mit; und der Journalismus jenseits des Boulevards ist dafür zuständig, zu kontrollieren. Auch in dieser Hinsicht, auch die verehrten Künstler, auch die mächtigen Direktoren.
Wenn ich also heute in einer Sonntagszeitung in Kolumnenform lese, dass Hartmann für (ich zitiere) "einen Hauch von Regie" 50.000 Euro berechnet hat, und eine sehr noble, leise Empörung darüber konstatiere, dann stellt sich mir schon eine Frage: derlei (und andere Arbeiten, bei denen Hartmann zwar nominell Regisseur war, die Alltagsarbeit aber andere erledigten) ist jedem Insider seit Anbeginn seiner Ära bekannt. Warum ist diese wenig ruhmvolle Handhabung bisher kein Thema gewesen?
Bevor ich wieder Post von Sven Gächter bekomme: In praktisch jedem Hartmann-Postings habe ich die entscheidende Rolle, die das profil im Fall Burgtheater eingenommen habe, herausgestrichen. Ohne die investigative Kraft, die dort - und zwar auch im Bereich der Kulturredaktion - am Werk war, hätten sich Hartmann und Springer wohl aus der Sache rauswinden können.
Und dann gleich noch ein paar Anschluss-Fragen:
- Warum ist es der Chef einer Kulturinitative, der die Arbeit der Staatsoper nach akribischer Recherche journalistisch hinterfragt, und kein Journalist?
- Warum publiziert ein Theater-Redakteur des nämlichen Mediums seinen kritischen Hartmann-Text im süddeutschen Ausland, nicht aber in seinem Stammblatt (wo bis vor kurzem nur putzige Andeutungen zu lesen waren)?
- Warum wagt sich auch der einschlägige Outlaw-Kultur-Reporter nur über die Zeit (und deren Österreich-Redaktion) an sein (dringend notwendiges) Musiktheater-Bashing.
- Warum wagen sich die Kulturredationen der selbsternannten heimischen Qualitäts-Presse nur via einer Revue deutscher Medien an Hartmann an kritische Worte?
- Warum bleibt es wiederum der auswärtigen Presse vorbehalten die ökonomische und moralische Krise der großen Staatstheater in einen größeren Zusammenhang zu stellen?
Mir geht es nicht darum, nachtretende Enthüller-Geschichten zu lesen oder das Gesudel, das man sich jetzt plötzlich an den journalistischen Stammtischen erzählt, medial verbraten zu kriegen. Das wäre letztklassig.
Mir geht es darum, dass jenseits der als Kritik getarnten, letztlich aber im l'art pour l'art steckenbleibende Rezensions-Unkultur auch eine ernsthafte, kritische auch künstlerisch-reflexive und in einen Kontext stellende Behandlung von Bundestheater-Angelegenheiten möglich sein muss. Auch wenn man sich sicher sein kann, dass ein Verärgerter den Chefredakteur angackert.
Es geht nämlich selbst im abgehobenen Hochkulturjournalismus nicht um Nichts, sondern - ganz im Gegenteil - um alles, um die Glaubwürdigkeit der Branche, um ihr Überleben.