Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Liebe schmerzt"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

16. 3. 2014 - 15:33

Liebe schmerzt

Der Song zum Sonntag: How To Dress Well - "Words I Don't Remember"

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Ausnahmsweise wollen wir die Ironie einmal draußen lassen und ein Lied singen, das komplett aus dem Herzen kommt und alles so sagt, wie es ist oder wie es war und wie es gemeint ist: Dass die Liebe nämlich schon auch toll ist. Jetzt ist sie aber vorbei. Schade. Es gibt eine neue Single - die nicht vom letzten Album stammt - von How To Dress Well und sie nennt sich "Words I Don’t Remember". Nach einem etwas über eine Minute dauernden Intro, in dem wortlos gegurrt, gehaucht und zärtlich gefaucht wird, sind die ersten echten gesungenen Zeilen dieses Songs denkbar schlichte: "You Know That I Love You, Baby". Man hat sie schon oft gehört. Eventuell auch in einem Song von R. Kelly, dessen Phrasierung und Timbre in "Words I Don’t Remember" perfekt nachgestellt werden.

How To Dress Well

How To Dress Well

How To Dress Well ist das Projekt des ursprünglich aus Chicago stammenden Musikers, Produzenten und Sängers Tom Krell, der einst gerne als das sexy missing link zwischen zwei feinen Hype- und Hip-Musiken mit doofem Namen in den Dienst genommen wurde: Witch House und Hipster-R'n'B. Aaargh. Those were the days. Was so viel heißen mag wie, dass How To Dress Well katzengleich zwischen zähflüssigem Ambient in der Tongebung Dunkelgrau, unheilverheißenden synthetischen wie auch echten Streichern, Beats in Zeitlupe und ätherischem Zischen und hyperslick aufpoliertem Digital-Pop hin- und herzugleiten vermag.

How To Dress Well hat Kollaborationen mit ganz ähnlich gelagerten Produzenten wie Forest Swords, Shlomo und Active Child in seiner Biografie stehen, gecovert hat er schon Stücke von Schmerzensmann Xiu Xiu, seinem großen Vorbild Janet Jackson oder eben R. Kelly. Das passt dann alles schon ganz gut zusammen.

Man soll aber nicht vergessen, dass die Tatsache, dass diese Stil-Mixtur heutzutage als völlig normal angesehen wird und dass R'n'B auch bei so komischen Indie-Leuten wie Dir und Mir schon seit einiger Zeit en vogue ist, zu nicht geringem Anteil eben auch von Herrn How To Dress Well mitbefördert worden ist. Gesungen wird klarerweise über allerlei Liebesdinge, aber auch dunklere Sujets: Tod, Verfall, Schmerz, Ende.

"Words I Don’t Remember" ist das beste Stück von How To Dress Well bislang, thematisch wird hier auch schon die im Titel des letzten Albums verankerte Ansage weitergesponnen: "Total Loss" hieß die Platte. Es geht also auch in diesem Stück um das Verlorene und Verflossene. Es ist ein R'n'B-Song ohne Prä- und Suffix. Einmal abgesehen davon, dass so ein sechs Minuten langer Song ohne herkömmlichen Refrain, wie es dieser ist, in den Charts normalerweise so wohl nicht stattfinden würde.

"What is there for me to say but words I can't remember" singt Tom Krell, und "SAID IT WAS YOU FOR THE REST OF OUR LIVES". Hier singt der Schmerz in feinstem Schmelz. Die Stimmen überlagern sich, das Stück steigert sich sachte in großes Drama hinein. Die Beziehung mag zu Ende sein und jetzt mag es weh tun. Dank dieses Songs wissen wir aber also genauso, dass das Leben auch einmal einen Sinn gehabt hat. Und es gut gewesen ist.