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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

14. 3. 2014 - 14:08

The daily Blumenau. Thurs/Friday Edition, 13/4-03-14.

Eine fußballbedingte Träne und literarische Serienqualität.

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Die Anmerkungen zu Basel vs Salzburg hätten schon gestern kommen sollen, ich bin aber nach dem Match eingeschlafen, sorry - wird hiermit nachgeholt.

Wie Salzburg für vergessene, also völlig neue Gefühle sorgt

#fußballjournal14

Ich bin nicht mehr der Jüngste, auch nicht, was fußballerische Erinnerungen betrifft. Aber: daran kann ich mich nicht erinnern; das, was gestern abend passiert ist, wurde zuletzt vor so langer Zeit beobachtet, dass man es - zumindest für die Unter50jährigen als völlig neu bezeichnen kann.

Insofern war das Spiel des FC Basel gegen FC/Red Bull Salzburg ein wahrhaft historisches: Es war das erste seit ewigen Zeiten, in dem sich eine gegnerische Mannschaft von Klasse taktisch gezielt auf ein österreichisches Team eingestellt hat.

Weder für die anderen internationalen Teilnehmer, wie zuletzt die Austria oder Rapid hatte das ein Gegner von Niveau nötig, auch nicht gegen die Salzburger der vergangenen Jahre. Auch nicht Deutschland, Irland oder Schweden, geschweige denn die gegnerischen Nationalteams der Ära vor Koller; niemand.
Auch die drei Euro-League-Gegner der Salzburger taten das nur punktuell und bedingt - auch weil ihnen die Möglichkeiten fehlten.

Der FC Basel, eine Mannschaft von internationaler Klasse, erwies Salzburg nun die Ehre, die bereits Ajax Amsterdam diesem strategisch/taktisch/systemisch herausragendem Team hätte zuerkennen müssen: Murat Yakin und sein österreichischer Analyst, Co-Trainer Markus Hoffmann, ein Salzburger im Übrigen, hatten ein Mittel gegen das übermenschliche Pressing des bislang in dieser Saison niederlagen- und auch remisfreien Gegners; sie fanden Wege die Flügel-Kraft einzudämmen und konnten nicht nur den Sturmführer, sondern auch das zentrale Mittelfeld neutralisieren.

Nochmal: das ist ein historisches Ereignis. Eines, das mir zurecht eine Träne in den Augenwinkel trieb.
Bislang (zumindest seit den 80ern) war eine derart komplexe Behandlung einer in Österreich ausgebildeten Mannschaft nicht nötig. Selbst das System Osim forderte Gegner nie so weit heraus, dass man die eigene Spielanlage der anderen unterordnen musste.
Und im Fall von FC/Red Bull Salzburg muss man das dieser Tage tatsächlich. Zumindest in der Europa-League wäre jeder der noch im Bewerb verbliebenen Mannschaften gut beraten.

Eine detailreiche Analyse zum Wie dieser geschickten und teilerfolgreichen Unterordnung der eigenen Spielanlage findet sich hier bei abseits.at.

Ich war vom 3-4-1-2 Yakins echt überrascht. Vor allem als in der Praxis dann daraus ein 3-5-2, vielleicht sogar ein 3-5-1-1 wurde, weil sowohl Delgado als Serey Die ihre Aufgaben zunehmend defensiver auslegten.

So waren es letztlich zwei enge von den flügelstarken Degen-Brüdern flankierte Dreier-Ketten, die die Räume, in die Salzburg sonst mit seinen raffinierten Läufen und seinen unvorhersehbaren Direktpasses taucht, so besetzten, dass deutlich weniger als sonst möglich war, die sonst so hohe Qualität der Salzburger Offensive nur partiell ausgeführt werden konnte.

Dazu kam, dass das Fehlen von Alan, Ulmer und später auch Schwegler dann doch einige Probleme aufwarf: Zulj ist ein anderer Stürmer-Typus als Alan, Svento hat andere Qualitäten als Ulmer, und Klein, ja, Klein ist eben nicht Schwegler. Die gefühlte Hundertprozentigkeit, die das Salzburger Spiel sonst so auszeichnet, wird um ein paar Grade gemindert. Und weil der FC Basel genau dort ansetzen konnte, gelang es ihm besser auszusehen als der Kontrahent. Und das ist in dieser Saison noch keiner Mannschaft gelungen, auch nicht dem FC Bayern.

Im Übrigen ist es Yakin und seinem Team wohl auch deshalb leichter gefallen, sich so vollständig am Gegner zu orientieren, weil seine Mannschaft personell durch diverse Ausfälle geschwächt war und deshalb ihr eigenes Spiel wohl nicht so wuchtig und präzis einbringen hätte können. Man sieht: manchmal kann eine Schwächung zu Stärke führen.

Gerechtfertigter Vorteil für literarisch erzählte Serien

#bewegtbild #serien

Weil ich gestern nach dem Spiel einen Trailer für die ORF-Ausstrahlung von Breaking Bad gesehen habe (better now than never): Vince Gilligans Opus Magnum ist ja eines der Musterbeispiele für moderne epische großbogige Erzählweise, mit dem die Serie das Fernsehen als relevantes Medium mitrettet.

Apropos: unter den aktuell eher unter dem Radar der allgemeinen Wahrnehmung dahinwabernden Serien, die ich regelmäßig ein zwei Folgen lang abchecke (Bates Motel hat nicht bestanden, The Mob Doctor schwankt), hat eine überlebt. Eine, mit der ich selber nicht gerechnet hatte.
Und das aus einem guten Grund; einem literarischen.

Ich meine damit nicht Literatur-Literatur im Reich-Ranickischen Sinn, sondern gritty-hardboiled Genre-Writing der amerikanischen Schule; was sich besonders deshalb gut für Serien-Umsetzung eignet, weil es da wie dort gute gefinkelte eine Geschichte transportierende Dialoge gibt.

Ich meine Justified von Elmore Leonard, eine Serie, bei deren Inhaltsnacherzählung man sofort weghören möchte, deren Machart dann aber das pure Gegenteil der Erwartungen generiert. Denn davon auszugehen, dass Leonard, der zb Rum Punch, die Romanvorlage zu Tarantinos Jackie Brown, einige Western und noch dutzende andere, auch verfilmte Bücher (Get Shorty ist der bekannteste), geschrieben hat, hierzulande sofort als Trademark erkannt wird, wäre verwegen.
Ich wusste das alles vorher ja auch nicht.

Mir war allerdings schnell der Unterschied klar, den ich da gezeigt bekam.
In Justified, einer Geschichte, die auf einer Figur aus einem Roman basiert, für den Leonard dann Drehbücher schrieb, die wiederum teilweise zu neuen Romanen wurden, arbeitet auf vielerlei Ebenen deutlich literatirscher als your average tv-show.
So sind etwa die auch Nebenfiguren, bei denen klar ist, dass sie nur für die eine Folge erdacht wurden, ausgefeilt portraitiert, sauber konturiert und mit viel aussagekräftigem Dialog ausgestattet. Ein Luxus, den sich andere Crime-Serien nicht gönnen - aber anstatt sich mit Holzschnitten von Bösewichten zu begnügen, vergnügt sich Leonard damit diesen Side-Charakters Kanten zu verliehen und vergnügt dadurch auch mich.

In "The Fixer" etwa, der Folge die ich zuletzt nachgeschaut habe, sind das die vier Teilnehmer einer absurd-schwarzhumorigen Entführung, die Leonard nicht nur liebevoll bis hin zu ihrem Schuhwerk präsentiert, sondern zwei von ihnen auch eine subkutane Gemeinsamkeit mit dem Serienhelden verleiht: alle sind Gestrandete am Ort der Handlung, in Kentucky, dem südlichen Vorhof zum Mittelwesten, die wieder raus in ihre Metropolen wollen: der Schlauberger nach Brooklyn, der Fixer nach Detroit, der US-Marshall nach Miami. Und es sind die gegeneinandergeworfenen Dialoge (und die von der Synchronisation geschluckten, aber dennoch spürbaren Akzente) die diesem Gefühl des Gefangensein in der tiefen Provinz dann den Touch geben, auf dem Justified entlangreitet.

Ein echter Autor, also ein Schriftsteller hat gegenüber den Autoren-Kollektiven, die bei den meisten Serien die Handlung setzen, und damit entweder dem Serienerfinder verpflichtet sind, oder in ständiger Übertrumphung leben, einen entscheidenden Vorteil: er kann sprunghaft entscheiden; zb auch einen besonders gelungenen Neben-Charakter in den Plot-Faden einspinnen. Und er kann die Athmopshäre, die Tonalität mit jedem Detail verdichten.

Und deshalb ist die an sich nur dämlich nachzuerzählende Story-Line vom US-Marshall, der sich wie ein Cowboy kleidet und gerne Bösewichte im direkten Duell erschiesst, nach einem solchen Killing in seine alte Heimat strafversetzt wird, und dort mit diverser Vergangenheit (Ex, Ex-Schwarm, Familie, Freunde, Feinde) einer provinziell-freundlichen Kollegenschaft und Verbechen, die zwischen hinterwäldlerischem Neonazi-Dreck und sympathischer Schlitzohrigkeit oszillieren, konfrontiert wird, auch so prall und frisch erzählt. Ich hätte fast lebensnah gesagt, obwohl ich doch keine Ahnung von Lexington/Kentucky habe (außer dass es in Lily of the West vorkommt) - so sehr hat Elmore mich schon drangekriegt.

Wie schon angedeutet, neben sarkastisch aufbereitetem Lokalkolorit, exakt gezeichneten Figuren, Sorgfalt für Detail und Dramaturgie lebt Justified in allererster Linie von Dialogen. Dialoge, deren Gesagtes und Ungesagtes nicht wie bei normalen Ärzte-, Forsensik- oder Murder-Serien die Bilder vertonen oder Stoff nachliefern müssen, den eine schlechte Dramaturgie noch nicht vermittelt hat, sondern Dialoge, die die Menschen und ihre absurd-schönen Verhaltensweisen zeichnen. Ich bin in diesem Zusammenhang fast versucht Billy Wilder und seine Sprüche zur Bedeutung des Dialogs zu zitieren. Wilder war Österreicher. Seine Thesen sind anderswo auf fruchtbaren Boden gefallen.