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Katharina Seidler

Raschelnde Buchseiten und ratternde Beats, von Glitzerkugeln und Laserlichtern: Geschichten aus der Discommunity.

18. 3. 2014 - 13:13

Facts are Facts and Fiction's Fiction

Liars präsentieren auf ihrem siebten Album "Mess" ihre vollbrachte Metamorphose hin zum Rave-Punk und sind unsere Artists of the week.

"You may like their music, but don't forget that they hate you. You didn't do anything; they're just sick of your bullshit." So lautete der Einstieg zur Pitchfork-Rezension des ersten Liars-Albums "They Threw Us All in a Trench and Stuck a Monument on Top" aus dem Jahr 2002. In den seither vergangenen zwölf Jahren haben die Liars weitere fünf Alben veröffentlicht, das sechste davon folgt nächste Woche. Sie haben dabei nie aufgehört, die Abgründe von Sein und Schein zu erforschen, Erwartungen zu zertrümmern und Missstände anzuprangern, denn Liars waren immer dies: ein Kreischen im Ohr, sobald man es sich bequem gemacht hat, ein Bändigen der Dämonen, ein Stachel im Fleisch der Wohlfühloase.

Liars

Liars / Mute Records

Aaron Hemphill, Angus Andrew, Julian Gross

Als ihr vergangenes, 2012 veröffentlichtes Album "WIXIW" ("Wish you") nicht nur eine Hoffnung im Titel trug, sondern statt kreischender Gitarren und überraschenden Noise-Ausbrüchen auf sanftere, elektronischere Töne setzte, fing sich die Band so einige Kritik ein, weniger von Rezensenten- als von Fan-Seite. Dass die Hinwendung zu diesem neuen Sound für eine Band wie Liars ein ebensolches Bekenntnis zur Radikalität ist, wurde dabei oft übersehen. Die latente Spannung und distanzierte Kühle, das brodelnde Unwohlsein unter der Oberfläche blieben natürlich auch auf dieser sechsten Platte erhalten. Dennoch war der arrogante Blick, mit dem einen die Liars früher gestraft hatten, einem eher skeptisch-zweifelnd-paranoiden gewichen. Die Band selbst beschreibt den Produktionsprozess von WIXIW als einen vorsichtigen, in dem sie sich an ihre neuen, elektronischen Klangerzeuger erst herantasten musste, sowohl an deren Handhabung als auch an die musikgeschichtlichen Referenzen, die ein verwendeter Sound absichtlich und unabsichtlich eben impliziert.

Mess

Wolle in der Unterhose

Liars / Mute Records

"Mess" nun, der nächste Woche erscheinende, siebte Longplayer des Trios, prescht wieder nach vorne, und das ab der ersten Sekunde. "Mess on a mission", die erste Singleauskopplung daraus, gibt die Richtung des aktuellen Liars-Sounds bereits vor: Neben dem neuen Selbstbewusstsein, das die von Mute-Boss Daniel Miller unterstützten Elektronikschritte der Band nunmehr zum knallbunten Rave-Punk werden ließ, setzt Sänger Angus Andrew wieder vermehrt auf Hooklines, die den Sound der Liars trotz aller Spröde auch früher bereits ausgemacht haben und tauscht die vielleicht sogar Radioheadesque Falsettstimme wieder vermehrt gegen seinen normalen Gesang. Wer bei der Single Zweifel hat, möge ihr noch zwei, drei Durchgänge geben, denn früher oder später wird die Message greifen: "Facts are facts and fiction's fiction", mit diesem persistenten Mantra wird, wie Aaron Hemphill im Interview erzählt, der Bandname erstmals auf Textebene verhandelt und die eigene Attitüde auf Lüge, Vorgaukelei und Wahrheitsgehalt geprüft.

Liars "Mess" Albumcover

Liars / Mute Records

"Mess" von Liars erscheint am 25.03.2014 via Mute.

Es gibt mit "Darkslide" auch wieder eine reine Instrumentalnummer auf "Mess", aber anders als früher könnte man sie sich heute problemlos in einem experimentellern DJ-Set von, sagen wir, Thom Yorke oder Modeselektor vorstellen. Bei anderen Tracks wie etwa "Perpetual Village" fügt sich Andrews Stimme wie so oft als zusätzliches Instrument in den dichten Instrumententeppich ein; ruhigere Momente wie "Can’t Hear Well" oder der Abschlusstrack "Left Speaker Blown" verströmen einen unaufdringlichen, einlullenden Sog, ein beständiges Glosen, das gleichzeitig versöhnlich oder tröstend in all dem Chaos, den Missständen und Wirrnissen der Welt und des eigenen Seins wirken kann.

Die Essenz der Platte, die selbstbewusst zwischen den Eckpfeilern Rave und Noise, Post-Punk, Techno und Pop ihre Fäden spannt, ist die Kunst, bei einem derart großen ästhetischem Stilwechsel unverkennbar nach Liars zu klingen.