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Felix Knoke Berlin

Verwirrungen zwischen Langeweile und Nerdstuff

12. 3. 2014 - 16:45

De:Bug nimmt Abschied

Die De:bug, das Berliner Magazin für elektronische Lebensaspekte, hat nach 16 Jahren das Heft-Aus bekannt gegeben. So fühlt sich das aus der Innenperspektive an.

Die Nummer 181 wird voraussichtlich die letzte Ausgabe der De:bug sein. Dass es ein Heft wie die De:Bug gar nicht geben dürfte, nicht nach 16 Jahren, war irgendwie schon Thema meines Bewerbungsgesprächs, das ich im Dezember 2012 in der Schwedter Straße in Berlin-Prenzlauerberg mit den De:Bug-Redakteuren Sascha, Thaddi und Timo führte. Es ging dann auch viel darum, wie dieses seltsame Heft anders sein könnte, ob man überhaupt noch so viel über Musik schreiben und wie man denn zwischen dem sympathischen Eigenbrötlertum und einer angemessen professionellen Schreibe balancieren solle. Und überhaupt: Ob es denn überhaupt sinnvoll sei, so für mich, so generell finanziell und professionell, bei diesen zum Heft-gewordenen Bausparverträgen mitzuarbeiten.

Ich hatte sehr persönliche Gründe, mein eigentlich ganz gut laufendes Freiberuflerdasein für ein Leben in der Redaktion auf Pause zu schalten. Aber die eigentliche Entscheidung war natürlich für das Heft selbst: Für mich war - und ist - die De:Bug eine der letzten Oasen des unabhängigen, relevanten und spannenden Kulturjournalismus, die mir zugänglich ist und die eine Vorstellung von einer spannenden Welt hat, die auch in Momenten etwas über mein Leben und meine Verhältnisse preisgibt, die anderen egal sind. Bei der es immer wichtiger war, eine steile These zum ganz, ganz aktuellen Stand der Dinge zu haben, denn Dinge, die längst passierten, - viel zu spät - auf die Schliche zu kommen oder hinter bürgerlichen Schutzwällen Sicherheit zu suchen. Bei der die Welt erstmal ein toller Ort ist und Abweichungen vom Ideal immer spannend und eine Norm niemals die eigene sein kann. Die De:Bug macht und machte für mich eine optimistische und spielerische Selbst- und Welterklärung. Und wenn der Ton oft all zu selbstsicher und verkünderisch war, dann nur deshalb, weil man daran glaubte, dass etwas jetzt, genau jetzt gesagt werden müsse. Und als die anderen das dann ein paar Wochen, Monate, Jahre später auch sagten, war mal längst weiter: Hey, hierher schauen! Es gibt längst etwas neues, lasst uns drüber reden, jetzt sofort. Und dann tanzen!

@de-bug.de

nach 181 Ausgaben ist Schluss mit der De:Bug

Denn das darf man auch nicht vergessen: Die De:Bug war immer auch eine Party, ein Ort im absoluten Jetzt, Ekstase und Emphase, tollpatschig und morgen-ist-eh-alles-vergessen. Deshalb hat mir die De:Bug früher als Leser und im letzten Jahr als Redakteur auch immer besonders Spaß gemacht. Sie resonierte mit einer Art zu Leben, bei der Geldverdienen zweitwichtig und Leben und Bewegung die eigentliche Aufgabe ist. Und dass das 16 Jahre lang auch eine Alternative zum Brotjob darstellte, war auch eine ein bisschen utopische Verheißung: Es gibt eine Möglichkeit, aus Leben und Überleben eine gemeinsame Sache zu machen.

Jetzt arbeiten wir aber nun mal an der letzten Ausgabe. Dass es die überhaupt gibt, verdanken wir Anzeigenkunden, von der ein Heft nun mal abhängig ist. Die Freiheit war immer erkauft. Ein Heft ist teuer und das Überleben nicht umsonst. Die gemeinsame Sache Leben und Überleben war in Wirklichkeit ein Kompromiss: Etwas weniger Überleben, dafür mehr Leben. Und dieser Kompromiss ging in dem Moment nicht mehr auf, in dem die Werbegelder versiegten.

Und das ist der Punkt, der mich auch ein wenig wütend macht. Ich finde, dass es Magazine - oder sonst wie gestrickte Orte - wie De:Bug braucht und dass man diese Themen und Leute nicht immer weniger Corporate-Magazinen und -Blogs und -Radiosendern und sonstigen -Projekten überlassen darf. Konkret habe ich das Gefühl, dass die finanzielle Seite der Club- und elektronische Kultur sich gerade stark konzentriert: Getränkehersteller und Vermieter machen das Geld mit den Clubs, hatten wir mal über einem Bier nachgerechnet. Das kreative Keimbett, die ProduzentInnen, DJs und - jaja - Magazine und Blogs, die KünstlerInnen und AktivistInnen werden zugunsten einiger, wirklich weniger Unternehmen ausgebeutet - und da machen sie ja gerne mit. Und die Konsumenten haben ihre Umsonstkultur - die aber eben immer weiter von Umsonst-Anbietern versorgt wird, die ihr Geld über, zum Beispiel Getränke oder Telekommunikationsleistungen, also letztlich doch von den KonsumentInnen und ProduzentInnen einholen.

Debug 178 Cover "OMG DAFUQ VORBEI"

De-Bug.de

OMG DAFUQ VORBEI: prophetisch, nur nicht bei sich selbst?

Das ist vielleicht ein bisschen eine naive und verkürzte Sicht der Dinge, aber der Frust ist eben da: Clubkultur ist eine riesige Industrie, aber das Geld fließt an der eigentlichen Clubkultur vorbei. Irgendwas ist da in den letzten Jahren - oder wie auch immer - ganz schön falsch eingefädelt worden. Und damit es Orte wie De:Bug noch geben kann, mal ganz egoistisch, wäre nur ein kleiner Teil dieser Gelder, vielleicht in Form einer Biotop-Pflege nötig. Wenn es so weiter geht, mal ganz kommunistisch, ist das gemeinsame Feiern nur mehr eine produktive, Geldwerte Tätigkeit. Tanzen, damit es anderen gut geht.

Die letzte Frage ist auch, ob es so ein Heft wie die De:Bug, ob es die De:Bug überhaupt braucht. Denn natürlich reicht es nicht, das auf ein Projekt Angenehmer Arbeitsplatz zu reduzieren. Die Antwort für mich war bislang immer, dass wir (und vor "wir" waren es "sie") eben Themen auf eine Weise angehen und sie überhaupt erst entdecken, wie es kaum wo anders passierte. Mir fällt aus dem Stand heraus kein anderer Ort wie die De:Bug ein, wo Flitzpiepentum und Bescheidwisserei und Neuigkeitswertschöpfung so zusammenfallen. Natürlich werden einzelne Themen woanders hervorragend bearbeitet, aber in den tollen Momenten fielen all diese auf den ersten Blick oft disparaten Themen nur in der De:Bug so zusammen - eben zur De:Bug.

Gerade sprach ich mit Sascha über die Haltung der De:Bug, und wo man sie sonst vorfinden könnte und was sie überhaupt ausmache. Und da fiel es mir auf: Ich ging damals zur De:Bug, weil ich ihr - entgegen vieler journalistischer Orte - vertraute. Sie gehörte zu den Guten, sie wollte heilen und nicht verletzen, etwas aufbauen (und von mir aus erhalten) und scheute sich eben nicht vor der Zukunft, sondern vertrat dieses energische Pochen auf die Arbeit an einem besseren Morgen (oder zumindest: netteren Morgen). Und dass eben dieser Glaube ans Glück, im Tanz wie vorm Computer, in der Kunst wie in der Mode, im Kleinen wie im Großen passiert und der gemeinsame Nenner eben diese Haltung ist: For a better tomorrow.

For a better tomorrow!