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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

12. 3. 2014 - 13:21

Datenschutzverordnung passiert EU-Parlament

Mit 621 Pro-Stimmen fand der Entwurf heute eine überraschend deutliche Mehrheit. Nun ist der Ministerrat am Zug, der die Verabschiedung der Novelle monatelang blockiert hatte.

Das Europäische Parlament hat heute die Novelle zum EU-Datenschutz mit überwältigender Mehrheit von 621 Stimmen verabschiedet. Der vor allem von den britischen Konservativen noch am Dienstag angekündigte Widerstand gegen die Datenschutzverordnung fand nicht statt, gerade einmal zehn Gegenstimmen und 22 Enthaltungen wurden registriert. Erst bei der begleitenden Regelung zum Datenschutz in strafrechtlichen Angelegenheiten, die ebenfalls eine Mehrheit fand, stimmte der konservative Block dagegen. Das ergab 276 Gegenstimmen, 371 Parlamentarier waren dafür, 30 enthielten sich.

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Die weit umfangreichere, für den gesamten Zivilbereich gültige Datenschutzverordnung wurde en bloc abgestimmt, da keine Änderungsanträge für das Plenum eingereicht worden waren. Auch im federführenden, parlamentarischen Innenausschuss hatten im Oktober nur zehn Prozent der Mitglieder gegen die Verordnung gestimmt.

Das Ergebnis entspricht ziemlich genau dem Abstimmungsverlauf im parlamentarischen Innenausschuss (LIBE). Das war am 21. Oktober 2013, seitdem war das Paket aus Datenschutzverordnung und begleitender Richtlinie festgesteckt.

Kurz danach fand der Bericht des Untersuchungsausschusses zum NSA-Spionageskandal mit 544 Pro-Stimmen wieder eine große Mehrheit im Plenum, nur 78 Parlamentarier waren dagegen, 60 enthielten sich.

Manöver im Ministerrat

Dass die Abstimmung erst heute ins Plenum gekommen war, lag allein am Ministerrat, der dies mit einem überraschend aus dem Hut gezauberten juristischen Manöver im Herbst 2013 blockiert hatte. Die Stoßrichtung war klar. Angesichts des NSA-Skandals wollte man das Thema Datenschutz nach Möglichkeit aus dem EU-Wahlkampf heraushalten. Ebenso klar war, dass die Blockade der längst überfälligen Neuregelung der seit 1995 gültigen Datenschutz-Richtlinie von den großen, konservativ regierten Mitgliedstaaten initiiert worden war.

Diese Blockade besteht noch immer, weil es sich um die erste Lesung im Parlament handelte. Hier hat der Ministerrat allerdings in Folge entscheidend mitzureden, bis jetzt wurde dieses Recht allerdings in erster Linie dazu benutzt, den gesamten Prozess nach Kräften zu obstruieren.

Die Begleitrichtlinie

"Der Fortschritt bei der Reform des europäischen Datebnschutzes ist nach dieser Abstimmung im EU-Parlament nun unumkehrbar" - erste Reaktion der EU-Kommission auf das Ergebnis

Bei der begleitenden Neuregelung des Datenschutzes im strafrechtlichen Bereich hatte man sich auf die Form einer Richtlinie festgelegt. Während eine EU-Verordnung im Wortsinn umgesetzt werden muss, gibt eine Richtlinie nur einen Rahmen vor, der bei der Umsetzung in nationales Recht entsprechenden Spielraum bietet. Das war auf Drängen der Konservativen Fraktion geschehen, die dann im Ministerrat die zivile Neuregelung blockierte.

Die Folge waren drei Monate Stillstand für eine Regelung zum Datenschutz, die davor schon über zwei Jahre lang in Arbeit und nach Ansicht aller Fraktionen absolut notwendig war, um das europäische Datenschutzrecht entlang der rasanten Entwicklung des Internets zu adaptieren. Die bis jetzt gültige Datenschutzrichtlinie stammt aus dem Jahr 1995, als Google noch nicht existierte und Mark Zuckerberg auf dem College war.

Wie es dazu kam

Erst gegen Ende der vergangenen Woche hatte sich abgezeichnet, dass die Modernisierung der seit 1995 gültigen Datenschutzrichtlinie das Parlament noch vor den Wahlen im Mai passieren würde. Der Abstimmungstermin war erst am Montag in der Tagesordnung für die Plenarsitzungen dieser Woche in Straßburg aufgetaucht.

Im Mai 2013 war die EU-Datenschutzreform in ihre heiße Phase getreten. Im federführenden parlamentarischen Innenausschuss LIBE mussten die Berichterstatter insgesamt 4.000 Änderungsanträge aus den anderen, damit befassten Auschüssen auf einen brauchbaren Umfang reduzieren.

Die ebenso rasch angesetzte Diskussion am Dienstag Nachmittag zu diesem Thema sowie zum Schlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses über den NSA-Spionagskandal war absolut sehenswert.

Appelle an den Ministerrat

Die beiden Berichterstatter hatten gleich eingangs an "gewisse Mitgliedstaaten" appelliert, ihre Blockade der Datenschutznovelle im Ministerrat zu beenden. Auch die zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding, die als nächste am Zug war, hatte den Rat aufgefordert, doch "jetzt den Frühling einkehren zu lassen" und die Parlamentsbeschlüsse zu respektieren.

Sie selbst habe zum Beispiel als Höchststrafe gegen schwere und fortgesetzte Datenschutzverstöße durch internationale Konzerne zwei Prozent des jährlichen Umsatzes als angemessen erachtet, so Reding weiter, aber: "Wenn das Parlament sagt, fünf Prozent sind adäquat, dann sind es eben fünf Prozent."

Plötzliche Sorgen

Neben Großbritannien erweis sich vor allem Irland als Blockadestaat. Wie interne Dokumente der damaligen irischen EU-Ratspräsidentschaft im Jänner 2013 zeigten, wollten die Iren Geldstrafen für Datenschutzverstöße überhaupt durch "Rügen" ersetzen. Fast alle US-Internetkonzerne haben ihre Europazentralen in Irland angesiedelt, was nicht nur steuerliche Gründe hat. Irland hat auch die mit Abstand laxeste Praxis im Umgang mit Datenschutz an den Tag gelegt.

Der Widerstand eines Teilѕ der EVP, vor allem aber der viel kleineren, rechtskonservativen ECR-Fraktion, die von den britischen Konservativen angeführt wird, erwies sich als ebenso schwach wie ihre Argumente. So sorgten sich mehrere Abgeordnete hintereinander plötzlich um die Zukunft medizinischer Forschungsprojekte, die durch stärkere Datenschutzgesetze angeblich gefährdet seien.

Ebenso wurden plötzlich die Interessen von kleinen und mittleren Internetfirmen aus Europa ins Spiel gebracht. Angesichts der neuen Datenschutzregeln müssten Europas KMUs Wettbewerbsnachteile gegenüber den Großkonzernen aus den USA befürchten, da sie angesichts ihrer geringere Größe von den Datenschutzauflagen härter getroffen würden. Beispiele dafür gab es nicht.

Wie es weitergeht

Mit diesem deutlichen Ergebnis im Rücken gehen die Berichterstatter nun in den den sogenannten Trilog. Dieses Dreiergremium aus Abgeordneten, EU-Kommission und Rat tritt dann zusammen, wenn es zwischen Rat und Parlament schwerwiegende Differenzen gibt.

Neben den Briten sind dort vor allem die Vertreter Deutschlands sowie die einiger NATO-Staaten blockierend tätig, in erster Linie weil sie nicht gegen die Interessen ihres hauptsächlichen militärischen Verbündeten, der USA, stimmen wollen. Im Unterschied zu den Parlamentsbeschlüssen sind die Ratssitzungen nicht öffentlich. Bekanntgegeben wird in der Regel nur das Ergebnis, nicht aber wie es dazu gekommen ist.