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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

9. 3. 2014 - 22:58

The daily Blumenau. Weekend Edition, 09-03-14.

Warum der erste grüne Erfolg seit langem heruntergespielt wird.

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Manchmal hat das, was bei mir im Bezirk (ich bin gebürtiger Gumpendorfer und lebe seit einigen Jahren wieder dort) passiert, dann auch Einfluss auf die nächstgrößeren politischen Einheiten. Wie im Fall der Befragung zur Mariahilferstraße.

#machtpolitik #nrwahl13-nachwehen #mariahilferstraße

In den Tagen davor wurde haustürgewahlkämpft, dass es eine Art hatte, es soll hausinterne Überzeugungs-Schlachten gegeben haben wie in schlechten Gemeindebau-Sitcoms und es war in jedem öffentlichen Dialog im Bezirk spürbar, dass eine Entscheidung anstand.

Gefallen ist sie dann gar nicht so knapp, wie alle im Vorfeld gedacht, getrommelt, befürchtet hatten. Nicht so sehr die Prozentsätze, sondern die absoluten Zahlen sagen das: 17.600 vs 15.300, oder selbst wie im Fall der noch knapperen Radfahr-Entscheidung 9.125 vs 8.125 - das sieht nur in Prozente umgerechnet nach arschknapp aus.

Außerdem war es so erwartbar.

Denn im Gegensatz zur Propaganda, die seit knapp vor der NR-Wahl letzten Jahres zum Thema Mahü abgesetzt wurde und von der sich Ahnungslose und Nicht-Betroffene gerne, weil voll auf die Vorurteilsschläfe getroffen, ausknocken ließen, waren die Anrainer (also der 6. und der 7. Bezirk) immer schon tendenziell pro Verkehrsberuhigung eingestellt. Das lässt sich, wenn man genau schaut, auch aus den Bezirksergebnissen der NR-Wahl herausrechnen und es ist, abseits der Gefühlsebene, die sich aus hunderten kurzen Gesprächen, Bemerkungen etc. von/mit Mariahilfern und Neubaulern über die letzten Monate zusammensetzt, auch völlig logisch.

Der Unterschied zwischen einem verkehrsberuhigten Mariahilferstraßen-Spaziergang und allein der Überquerung von Gumpendorfer oder Burggasse, vom Betreten von Niederdruck-Zonen wie der Hofmühlgasse erst gar nicht zu reden, ist wie der zwischen Paradies und Pompeij nach dem Ausbruch. Okay, das ist übertrieben: dann sagen wir wie zwischen Schönbrunn und dem alten Flex gegen drei Uhr nachts - luft-, nicht soundtechnisch.

Die zum chaotischen Beginn der Verkehrsberuhigungszone übermäßige Neubelastung von Zufahrts-/Seitengassen hat sich fast komplett aufgelöst. Die ein paar Tage lang von verwirrten Autofahrern und uneinsichtigen Anrainern massiv frequentierte Hugo-Wolf-Gasse etwa ist - wie auch früher - quasi picknicktauglich. Denn mittlerweile versuchen die von der Umstellung - so wie alle anderen auch - unterinformierten und somit überraschten Kraftfahrzeugler die Gegend nicht mehr auf Biegen und Brechen zu queren, sondern umfahren sie.

Und weil letztlich alle Beteiligten irgendwann nach der Verwirrung und der Hysterie dann auf dem Boden der Tatsachen landeten, fand sich eine entsprechende Mehrheit, die sich mit der aktuellen Lösung deutlich besser fühlt als mit der alten (denn nur dann nimmt der Innergürtler, dieses faule Geschöpf, überhaupt die Mühe eines Wahlgangs auf sich). In den meisten Fällen ohne auf die entsprechend parteipolitisch punzierte, eh nur strategisch eingesetzte Meinung zu achten.

Es lief im Sinn der grünen Stadt-Mitregierer, die sich mit diesem Projekt fast schon selbstmörderisch weit aus dem Fenster gelehnt hatten.
Und nicht im Sinn der Stadt-VP, die sich zur Vertretung der Geschäftsleute hochredete; nicht im Sinn der Stadt-FP, die alles mit ohne Schmiss nicht leiden mag; und auch nicht im Sinn der mit- und eben nicht mehr alleinregierenden Stadt-SPÖ, die sehnlich darauf gehofft hatte, dass sich der Junior-Partner hier ein schönes Eigentor-Ei legen würde.

Sie alle hatten erwartet, dass das relative Kommunikations-Debakel der Anfangs-Phase sich fortsetzen, weiter verwirren und verunsichern und sich dann gegen die eh schon als allzu regulierende überkorrekte Zuchtmeister angesehenen Grünen richten würde.

Tat es nicht, weil der Haustür-Wahlkampf der letzten Wochen zwar intensiv, aber inhaltlich geführt wurde; von allen lokal Betroffenen, mangels Desinteresse an allzu starker Instrumentalisierung für Stadt- oder gar Bundespolitik.

Nach der Abstimmung geschah Erwartbares (die FP ficht alles an; die SPÖ zuckt mit den Achseln) aber auch Unerwartetes: die rote Bezirksvorsteherin von Mariahilf tritt zurück, die ÖVP sagt passt und Schwamm drüber und die Grünen tun so, als wäre dieser Erfolg gar keiner.

Dabei ist eine Abstimmung, bei der sich die Mehrheit für etwas Neues, Unerprobtes, Verwirrendes, Unwägbares entscheidet, in etwa so selten wie ein solcher Vorgang in einem Groß-Betrieb, einem großen Medien-Konzern etwa. Kommt kaum oder nur zufällig vor. Gegen Bewahrung und für Unsicherheit. Noch dazu gehören die MaHü-Anrainer eben nicht flächendeckend zu einer privilegierten latteschlürfenden Bobo-Oberschicht, der Normalo-Faktor (check einmal die Spielplätze der Parks) ist überaus hoch, der Schlechtmenschen-Anteil ebenso und die Jammeranten in den (ganz ohne Mahü-Mithilfe)n per se schlechtlaufenden Seitengassen-Geschäften sind Legion.

Der Erfolg der Grünen ist es nicht, ihre eigene Linie durchgesetzt zu haben (das war quasi ein Nebenprodukt), sondern die Debatte dort, wo sie verstanden wird, weil sie zur Lebenspraxis gehört, versachlicht und so die Ideologie-Instrumentalisierung rausgenommen zu haben.
Letztlich ist der Abstimmungssieg also der SebastianKurz der Grünen.

So und jetzt die Frage: warum wird es dann nicht dementsprechend rezipiert?
a) weil sie selber auf übergroßes Jubelgeheul verzichten. Das ist zwar nobel, aber ordentlich deppert, weil es dazu führt, dass
b) die Medien, in denen die Grünen durchgehend keine (gute) Rolle spielen, dieses Nicht-Geheul auch als Nicht-Sieg auslegen, weil dort wohl nur mehr schrille Propaganda wahrgenommen wird, und eher die Absonderungen der anderen Parteien transportiert, die sich wiederum darin ergehen
c) die Bedeutung einer solchen Befragung kleinzureden, was vielleicht formal richtig ist aber politisch, kommunikationstechnisch und auf der Meta-Ebene (debattenversachlichungstechnisch) gar nicht stimmt.

Den Verlierern, denen das bewusst ist und die daraus Trends ablesen und Entwicklungen befürchten müssen, ist es deutlich lieber, sich nicht in dieser Richtung parteiintern rechtfertigen zu müssen. Denn: eine Debattenversachlichung, das bringt nur Ärger, aber keine schnellen Stimmen, wie sie eine geschickte populistische Ansage deutlich schneller lukriert.

Das bedeutet dass
d) die gesamte österreichische politische Nomenklatura das alles also gar nicht hören will. Es hätte zu große Auswirkungen auf ein halbwegs stabiles System. Und da gehören die großen grünen Strukturen (die Bundesgrünen, die Wien-Grünen) womöglich auch dazu.

Deshalb läuft dieses in Wahrheit womöglich zeichensetzende Abstimmungs-Ergebnis nur ganz dezent unten durch, als kleine Unterzeilen-Info in der großen Bilderschlacht der heimischen Politik.