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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

9. 3. 2014 - 16:10

Mit dem Wetter anders werden

Der Song zum Sonntag: Future Islands - "Seasons (Waiting On You)".

  • Alle Songs zum Sonntag auf FM4
  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
  • Die Future Islands sind am 28. Mai im Wiener Flex

Über das Thema "Seasons" fühlt man sich eigentlich recht gut informiert: Unzählige Lieder, Platten und Binsenweisheiten benutzen den Wechsel der Jahreszeiten als Sinnbild für die Veränderungen im Leben eines Menschen. Meist geht es in entsprechenden Abhandlungen um das Verblassen, ein Vermissen, das mit dem Zuendekommen der jeweiligen Jahreszeit einhergeht. Wir sind traurig, weil der Sommer bald schon, bald verschwunden sein wird, und mit ihm die Wellen und die heißen Küsse.

Der unerträgliche Song "Seasons in the Sun" liefert einen bitter-nostalgischen Lebensrückblick eines Mannes kurz vor dem Tode, die Band Slayer erzählt von "Seasons in the Abyss": Längeren Aufenthalten im Abgrund, im Schlund der Hölle. Dazwischen war und ist Platz für allerlei andere "Seasons". Das weiß das ewig unterschätze Trio Future Islands natürlich - und hat in ihrem Song "Seasons" die Vorbelastetheit des Gegenstandes gleich mitreflektiert. Der Song "Seasons" führt einen Klammerzusatz im Titel: "Waiting On You" - noch so ein gut abgegraster Popallgemeinplatz.

Future Islands treten am 28. Mai im Wiener Flex auf.

Future Islands

Future Islands

Future Islands

Ende März wird bei 4AD das vierte Album der Band aus Baltimore erscheinen: "Singles" heißt die Platte schön arrogant, jeder Song ist hier pathos-triefender Hit; gleichzeitig geht es freilich um die Einsamkeit. Future Islands sind eine seltsame Band. In musikalischer Hinsicht gibt es hier meist recht konventionellen Synthie-Pop zu erleben, der noch leise Echos von Postpunk und ganz deutlich Spuren von New Order und Joy Division in sich trägt.

Bass, Elektronik, Gesang - mehr brauchen Future Islands selten. Diese synthetische Disco-Musik präsentieren Future Islands aber nicht - wie man das sonst eventuell gewohnt wäre - als schicke Mode-Boys in vielleicht schmaler Lederkrawatte und Glitzerhandschuh, sondern mit der erdigen Bodenständigkeit einer vom harten Leben gegerbten Indierockband.

Was besonders in der Person des Sängers Samuel T. Herring deutlich wird: Ein trauriger Koloss, dessen heisere Stimme wohl am Boden des Whiskeyfasses trainiert worden ist. Ein Mann, der so aussieht, als hätte er sich immer schon sein ganzes Leben nach den Gesetzen von Normcore eingerichtet, sich in seinen legendären Bühnenperformances und geschmeidigen und überzeichneten Tanzbewegungen dann jedoch als kaum fassbarer Entertainer zwischen den Polen Dandy und Kraftlackel inszeniert. Ein elegantes Ineinanderschmelzen von Morrissey und Henry Rollins, gewürzt mit der Theatralik - in Stimme wie in Gestik - von Glenn Danzig und Meat Loaf.

Das Stück "Seasons (Waiting On You)" eröffnet das neue Album der Future Islands. Man möchte sich wünschen, dass dieses Lied der künftige Theme-Song der Gruppe werden möge. Hier bündeln sich in einem wirklich schlichten Song alle Stärken der Band. Pomp und gleichzeitige Zerbrechlichkeit, Selbstüberschätzung und Weinerlichkeit, Trauer, Hoffnung, Selbstbetrug und schmerzliche Ehrlichkeit mit sich selbst.

Fast schon ein Meme: Der großartige Auftritt der Future Islands bei Letterman.

In vagen Bildern besingt Samuel T. Herring die alten Geschichten von den changes, die sich in und zwischen den Menschen und ihren (Liebes-)Beziehungen abspielen. Manchmal wird es besser, manchmal, meistens schlechter. "People change / But you know some people never do", singt Herring, eine Partnerschaft scheint zerbrochen, der Erzähler ist des Wartens auf eine Veränderung hin zum Guten müde: "But I've grown tired trying to wait for you".

Die schönsten, niederschmetterndsten Zeilen aber : "You know - when people change / They gain a piece, but they lose one too." Keine gerade optimistische Weltsicht. Morgen schon mag vielleicht der Frühling mit all seinen Farben kommen - den Phantomschmerz in unserem Herzen wird auch er nie ganz heilen können.