Erstellt am: 6. 3. 2014 - 18:41 Uhr
"Sie macht sich was vor und ich mache mit"
Schreibt an einem Roman mit dem Arbeitstitel "Am Ende schmeißen wir mit Gold", konnte man über Fabian Hischmann bereits 2012 auf fm4.orf.at lesen. Damals war er unter den besten zehn von Wortlaut. Aus dem Arbeitstitel ist mittlerweile der richtige Titel geworden und gleich der erste angefragte Verlag brachte das Debüt heraus.
Berlin Verlag
"Ich gebe Gas. Vor mir liegen meine blutigen Hände in vorschriftsmäßiger Zehn-vor-zwei-Stellung auf dem Lenkrad. Das Blut gehört Tim, einem Jungen aus dem Nachbarort. Er sitzt auf dem Beifahrersitz, auf Marias Schoß. Sie drückt ein nasses Tuch gegen seine Nase und sagt immer wieder, dass es ihr leid tut. Dabei war ich der Schütze. Aber mir tut es ja auch nicht leid."
Ein vielversprechender Romanbeginn, der über die ersten paar Seiten rettet. Denn die zeichnen ein abgegriffenes Szenario: vom lustlosen, frustrierten Endzwanziger, der in sein Heimatdorf zurückkommt, dort auf die Ex-Freundin trifft, die mittlerweile autark auf einem Bauernhof lebt - zusammen mit dem ehemals größten Rivalen. So weit so gähn.
Aber zum einen hat man noch das erste Bild von der Autofahrt im Kopf - siehe oben - und zum anderen bringt Fabian Hischmann bald so viele Wendungen in das Geschehen, dass in diesem Coming-Of-Age-Roman vom Gähnen keine Spur mehr ist.
Die Vergangenheit bietet Denkstoff, die Gegenwart überbietet das mit harten Schicksalsschlägen. Max, der Ich-Erzähler muss sich entscheiden und bewegen. Die Quintessenz ist für Fabian Hischmann "dass es darum geht, nicht allein zu sein."
Geschickt verbindet er Ereignisse aus der Vergangenheit mit gegenwärtigen Beziehungskonstellationen. "Sie macht sich was vor und ich mache mit."
Der Titel bezieht sich übrigens auf das Räuber und Gendarmspiel der Kindheit - Tannenzapfen waren das Gold, das es zu erobern galt. Bei diesem Spiel hat Max damals auf gewisse Weise seine Unschuld verloren.
"Damals, die Sache im Wald ..."
"Wir waren klein und dumm."
"Ich wollte dich umbringen."
"Echt?"
"Ja."
Peng!
Max reagiert äußerst sensibel auf Geräusche - v.a. auf knallende. Gleichzeitig verbindet er mit Musik verschiedenste Erinnerungen. Die Lemonheads, Tom Petty oder die Smith spielen eine Rolle.
Als Soundtrack für das Buch wünscht er sich allerdings
von Pavement "In the Mouth a Desert". Den Song habe er im Roman vergessen ...
© rabea edel
Fabian Hischmann
Der 30-jährige hat so was wie die Vorzeigeausbildung eines Jungautors: er studierte Literaturgeschichte in Freiburg, besuchte danach die Schreibschule Hildesheim und dann das Leipziger Literaturinstitut. Natürlich habe ihm das Studium sehr geholfen, er habe viel Spaß gehabt und Sinn darin gesehen.
Dass man in diesen Schulen marktorientiertes Schreiben lernt, verneint er. Abgesehen davon, dass man gar nicht kalkulieren könne, was der Markt wolle, seien die Bücher der Absolventen völlig unterschiedlich. Er wollte einfach eine gute Coming-Of-Age Geschichte schreiben - schließlich lese er die selbst sehr gerne.
Das ist ihm gelungen. Noch dazu mit einer feinen, erfrischenden Sprache. Mal trivial, dann wieder poetisch.
"Über mir hängt die erste kleine Wolke seit Tagen. Und weil der Himmel hier so arm an Dramen ist, wirkt der weiße Fetzen verloren wie ein Jungtier, das von seiner Herde getrennt ist."
Daran habe er lange gearbeitet. Aber irgendwann sei der Ton da gewesen - "und das war auch der schönste Moment für mich, als ich dachte – der Ton ist da und das ist gut jetzt."
Fabian Hischmann liest am Donnerstag, 6. März bei den Wortspielen in München.
Gut fanden das auch die JurorInnen vom Preis der Leipziger Buchmesse. Denn für diesen ist Fabian Hischmann nominiert. Etwas, was er nach wie vor kaum glauben kann - vor allem, weil das doch sein erstes Buch sei und er noch einen Rest Unsicherheit verspüre. "Ich kann immer nur hoffen, dass ich etwas geschrieben habe, was jemandem gefällt. Die Leute in der Jury sind sehr viel älter als ich. Das muss um Gottes Willen nicht allen gefallen." zeigt er sich schüchtern. Es habe ihn überrascht, dass die Juroren doch sehr viel älter seien als er und doch mit dieser Form etwas anfangen konnten.
Eine Dankesrede für die Preisverleihung werde er sich nicht überlegen. Er glaube: "Ganz ehrlich - das ist auch nicht nötig."
Ach ja, und warum stellt er dem Roman Zitate von den Strokes und Mathias Hartmann voran?
Letzterer sei ein guter Freund von ihm, der nur zufällig so heiße wie der Burgtheaterdirektor. Mit seinem Freund sei er mal in einem idyllischen Freibad gewesen und mitten in der Natur sei ein Kiosk mit einem riesigen Flatscreen gestanden. Völlig entgeistert habe sein Freund dann gemeint "Die Zivilisation ist das Allerletzte".
Vielleicht heißt es ja für Fabian Hischmann bei der Leipziger Buchmesse "Am Ende schmeißen wir mit Gold." Für Überraschungen ist das Debüt allemal sehr gut!