Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Festwochen und Rassismus "

Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

5. 3. 2014 - 18:12

Festwochen und Rassismus

Blackface und N-Wort im Programm der Wiener Festwochen zu reproduzieren sei eine Verharmlosung der rassistischen Realität in Österreich, sagt Njideka Iroh vom Verein Pamoja.

Der Dichter Jean Genet war wegen Landstreicherei und Diebstahl im Gefängnis, er war homosexuell, war als Deserteur auf der Flucht, er hat sich prostituiert. Er sah sich selbst am Rande der Gesellschaft – und sein dieser Tage viel diskutiertes Theaterstück „Les Nègres“ als Solidaritätserklärung mit allen Minderheiten.

Im aktuellen Programm der Wiener Festwochen wird die Neuinszenierung seines Theaterstücks mit einem Foto von vier weißen Frauen mit schwarz angemalten Gesichtern sowie dem N-Wort im Titel angekündigt.

Für gewöhnlich wird das Drama – auf ausdrücklichen Wunsch des Autors – nur von schwarzen Schauspielerinnen und Schauspielern gespielt. Es stellt die in den fünfziger Jahren vorherrschenden rassistischen Klischees kritisch dar. In der jetzt geplanten Neuinszenierung von Johan Simons sollen aber weiße Schauspieler die Menschen afrikanischer Herkunft spielen. Das Schauspielhaus sieht sich deshalb mit Rassismusvorwürfen konfrontiert. Vor allem die Plattform "Pamoja – Die junge afrikanische Diaspora in Österreich“ übt scharfe Kritik an der geplanten Inszenierung. Njideka Iroh: „So war das Stück nicht intendiert. Schwarzsein wird nicht thematisiert, indem weiße Menschen sich in Blackface präsentieren.“

Njideka Iroh

©Christoph Weiss

Njideka Iroh

Dass man mit der Aufführung Schwarze von der Bühne ausschließt, spiegle den strukturellen Rassismus in Österreich wider, so Iroh - und das sei auch nicht mit künstlerischer Freiheit zu argumentieren: „Wer ist frei in der Kunst? Wer hat Zugang zu Resourcen, wer kann Stücke inszenieren? Welche Positionen werden gesehen, welche Stimmen werden gehört?“

Von einer Veranstaltung wie den Wiener Festwochen wünscht sich die Aktivistin, dass Schwarzsein und Rassismus thematisert werden - das aber müsse "mit antirassistischen Tools" geschehen. Dabei sei weder Blackface angemessen, so Iroh, noch die Verwendung des N-Wortes. Letzteres stehe "in der Geschichte für Versklavung, für Tötung von schwarzen Menschen. Das ist nicht nur im Englischen so, sondern auch im Deutschen. Indem es reporuziert wird, und indem auch das Mittel Blackface reproduziert wird, werden diese Realitäten verharmlost.“

Die Festwochen böten auch die Chance, sich mit der Rolle Österreichs im Kolonialismus auseinanderzusetzen: „Die Kolonialgeschichte wird nicht als österreichische Geschichte gesehen", sagt Njideka Iroh. "Österreich ist jedoch keine Insel. Es hat vom Kolonialismus profitiert. Es geht um die Reflektion darüber.“

Die viel diskutierte Neuinszenierung von Jean Genets Theaterstück hat freilich noch niemand gesehen - das Ensemble trifft sich erst nächste Woche für die ersten Proben. Die Wiener Festwochen haben heute verlautbart, die Inszenierung werde "für sich sprechen." Dennoch wolle man nächste Woche auch ein offizielles Statement zu den Rassismus-Vorwürfen veröffentlichen. Regisseur Johan Simons war heute für FM4 leider nicht erreichbar.