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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

5. 3. 2014 - 14:32

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 05-03-14.

Ein Abend in der Medienszene; Groteske in einem Akt.

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Der nebenstehende Text und alle vorkommenden Personen sind natürlich völlig frei erfunden.

#medien #selfie

Er höre ungern zu bei Mediendebatten, er stehe lieber selber im Mittelpunkt, sagte der Buch-Vorsteller. Das sei vielleicht das Problem in einer Branche, die verstärktes Zuhören erfordert, meinte die Online-Chefin später, auf die erste Aussage bezugnehmend. Ja eh, sagt darauf der vormalige Chefredakteur, und dass es ironisch gemeint gewesen wäre.

Und da haben wir schon die Eckpunkte einer jeden aktuellen österreichischen Mediendebatte: Eitelkeit, die jede Aufmerksamkeit absorbiert, das Leben in einem ironisch-bürgerlichen Konjunktiv und viele ungefragte Konsultations-Sprüche.

So auch gestern, in einem Vorraum der Nationalbibliothek, wo Michael Fleischhacker (Ex-CR Die Presse) sein Buch "Die Zeitung. Ein Nachruf" vorstellte. In dem Moment, wo er davon sprach, nicht zuhören zu können und wollen (und das war zu Beginn der Veranstaltung; und die Ironie war dabei mit der Lupe zu suchen) habe ich beschlossen das (rezensionsexemplarswiderständige) Buch nicht zu kaufen; maximal zu klauen.

Die Online-Chefin ist die des Standard, die nach den ORF-Sites einzige als eigenständiges Produkt wahrgenommene Nachrichten-Seite des Landes, Gerlinde Hinterleitner. Die kam von einer Betriebsversammlung ihres Hauses, in der von der Branchenkrise verursachte Sparmaßnahmen in allen Bereichen bekanntgegeben wurden. Wieviele Redakteure gehen müssen, steht nicht fest, es ist vom einem "Sozialplan inklusive Beitritt zu einer Arbeitsstiftung" die Rede "um Auswirkungen abzufedern und berufliche Neuorientierungen zu unterstützen".

Der Diskussionsleiter des Abends, Rainer Nowak von der Presse ist von Zusammenlegungen seiner Zeitung mit dem Wirtschaftsblatt betroffen, in Kärnten hat erst dieser Tage eine Tageszeitung zugesperrt, in München kippt die Abendzeitung - Fleischhacker hat also einen guten Veröffentlichungs-Zeitpunkt für seinen historischen Abriss mit ein bissl Provokations-Faktor gewählt.

Auch mit dabei am Podium: Horst Pirker, der kürzlich vom Zeitschriften-Sammler (nach ein paar Kunsttiteln erwarb er auch das Datum) wieder zum Player wurde - er ist designierter Chef der Verlagsgruppe News. In der 1. Reihe: Michael Grabner, Consulter bei Raiffeisen oder der Hamburger Zeit, Österreicher; er redet mit als säße er am Podium, wiewohl er das Buch "nur diagonal", also gar nicht gelesen hat.

Zur Ehrenrettung der Sandkisten-Buben: ich habe in meiner Debut-Saison als Sandkisten-Papa noch keinen einzigen Streit erlebt. Zumindest in meinen Parks sind alle Kinder lieb. Man verzeihe mir also das schiefe Bild.

In der Folge stritten sich Fleischhacker, Pirker und Grabner, die für drei verschiedene Generationen von heimischen Print-Managern stehen, in diversen Konstellationen um das größte Schauferl in der Sandkiste, samt Durcheinandergeschreie. Der im Ton ruhig ausgetragene Konflikt zwischen Pirker und Fleischhacker, beide einst die jeweiligen Strahlehelden des Styria-Verlags (mit dem Flaggschiff Die Presse), erinnerte rein körpersprachlich (keinesfalls inhaltlich oder personell) an den Konflikt Haider-Strache, ließ also Schauer zu.
Ja, diese permanenten bewussten Aneinandervorbeiredereien ohne den geringsten Zuhör-Faktor, dieses Bestemm auf Revanche-Basis, das ist nur zum Fremdgruseln geeignet.
Und ja, auch die vor der Veranstaltung getauschten Bussis für den ebenfalls anwesenden, aktuell nur in Paarform auftretenden Profil-Herausgeber Christian Rainer, ließen noch eine zweite Erinnerung an die alte FPÖ zu: die an die Buberlpartie.

So, wenn jetzt hier der Einwand kommt, dass das alles allzu sehr nach seitenblickiger Tratscherei klingt: genau das ist der Punkt. Die Print-Medien-Gesellschaft ist just nach diesen Kriterien aufgestellt: es geht um Eitelkeiten, Nicht-Zuhörenkönnen, das Leben im österreichischen Konjunktiv und die ungefragte Konsultationskultur.

Und selbst, wenn es um ernsthafte Fragen, wie die nach der demokratiepolitischen Unverzichtbarkeit der Tagespresse (die Fleischhacker im Übrigen, wohl zurecht, in Abrede stellt) geht: immer steht ein Schnörkel, eine Anspielung, ein strategisches Widerwort der lösungsorientierten Analyse im Weg.
Und trotzdem lassen sich die Medienmacher in der Sandkiste vom präsentierenden Verleger ernsthaft sowas wie "Mut" konzedieren, sich einem solchen heutigen Thema zu stellen, anstatt von einer professionellen Pflicht zu sprechen, das schiere Reden oder Jammern irgendwann einmal zu überwinden. Im ersten Schritt empfiehlt sich etwa das Zuhören.

So bleibt Hinterleitners allererste Reaktion auf die Ankündigung des Buchprojekts (es sei eine nachträgliche Besserwisserei eines, der an den Schalthebeln war, dort aber nix bewegen konnte) unbeeinsprucht. Auch von Fleischhacker selber. Das ist ernüchternd.

Ja, es wurden auch ernste Themen gebührend verhandelt: das Wegbrechen des Anzeigenmarkts (vor allem der der unterschätzten Kleinanzeigen), die Fiktion von der 4. Gewalt jenseits jeder Herrschaftshörigkeit, Reichweitenoptimierung durch voyeuristische Foren-Politik und die Forderung nach den unverzichtbaren Geschichten und Medien, die Zeit/Geld/Aufmerksamkeit der Konsumenten mit Einzigartigkeit und Unterschiedmachung abgelten. Es gab (durch Pirker) auch die zaghafte Relativierung des durch die vielleicht schon einmal erwähnte Eitelkeit so absurd anmutenden Begriffs der Qualität im Journalismus. Alles aller Ehren wert, bis sich wieder ein Gebalge ums nächste Sandschauferl ergibt. Und im Zuschauerraum verzweifelt Ingrid Brodnig am Nicht-Verständnis der gar nicht so viel älteren Manager, was den Umgang mit dem digitalen Rückkanal (Stichwort: Zuhören) betrifft.

Und irgendwann in seinen McConaugheyhaften Exkursen entschlüpft Fleischhacker dann der sinngemäße Satz, dass ihm eine Ansage wie "dem User auf Augenhöhe begegnen" schon tauge, ihm das Gewähren dieser Augenhöhe aber schwerfalle; ob er das auf die anonymen Poster bezog oder es ganz prinzipiell meinte, blieb unklar.

Nachher, beim Smalltalk, ist der Standard-Medienredakteur so wortkarg wie die heutige Meldung in eigener Sache, erzählt der neue Datum-Redakteur von seiner überraschenden Freiheit, der ATV-Programmdirektor wagt den Exkurs zum nur am Rande erwähnten Fernsehen und berichtet von ihn stolz machenden Wien-Tag/Nacht-Online-Zugriffszahlen (was wiederum der Anfang vom Ende für die unschärfste aller medialen Währungen, die TV-Quote bedeuten könnte) und Clarissa Stadler klärt mich auf, dass die Provo-Thesen im Buch (sie hat es ganz, nicht nur diagonal gelesen) nicht allzu stark über die einigen noch neue These der Gutenberg-Klammer hinausgehen. Mein Plan das Buch zu klauen scheitert: der Mann am Büchertisch ist zu nett und noch dazu von der Buchhandlung Kuppitsch, das kann ich nicht verantworten.

Ich beschließe zumindest an diesem Abend ein Teil dieser Szene zu sein (denn natürlich hat jede Branche die Szene, die sie verdient; und ich bin irgendwie wohl auch mit Schuld dran), nicht wirklich gern zuzuhören, mir mit der Augenhöhe schwerzutun und das Buch nicht einmal diagonal zu lesen. Das Leben im Konjunktiv ist lustig genug. Braucht jemand einen ungefragten Rat?