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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

4. 3. 2014 - 18:39

Alte Decken wärmen gut

Folk-Pop mit viel Honig in der Milch: "Held in Splendor" - das neue Album des Trios Quilt.

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Musikrezensionen aus der FM4 Redaktion

Es ist natürlich eine gar fürchterliche Praxis, anhand des Namens einer Band Herleitungen bezüglich des etwaigen Sounds der Gruppe zu unternehmen. Eine Band, die sich schon allzu deutlich und plakativ in den eigenen Namen schreibt, um was es in Folge gehen soll, hat meistens kein Geheimnis mehr anzubieten. Wollen wir bei diesem wunderhübsch altmodischen Trio aus Boston, Massachusetts, das sich da unter der Überschrift "Quilt" schon über zwei Alben lang eine ganz bezaubernde Musik zusammenreimt, vielleicht einmal eine Ausnahme machen?

Weil diese Gruppe Quilt eben in ihrer Musik schon so etwas Großmütterliches oder ein bisschen miefig nach Gestern Riechendes, das aber auch mit einer heimeligen, nostalgischen Verklärung besetzt sein könnte, mitliefert wie die namenspendende bunt zusammengenähte Steppdecke? Weil Quilt auf ihrem gerade erschienenen zweiten Album "Held in Splendor" doch auch ein recht farbenfrohes und wohlig wärmendes Flickwerk angerichtet haben? Na gut, ausnahmsweise. Man kann sich Anna Fox Rochinski, Shane Butler and John Andrews, die drei Menschen hinter der Band Quilt, ebenso auch ganz gut dabei vorstellen, wie sie einen Quilt, vielleicht als Poncho, Cape oder Schal, zum Kleidungsstück umfunktioniert spazieren führen.

Quilt

Allison Pharmakis

Quilt

Vielleicht aber auch gleich einmal eine ein bisschen schlechte Nachricht: Eine besonders besondere Band sind Quilt nämlich leider nicht. Die gute Nachricht aber: Ihr zweites Album "Held in Splendor" ist ein sehr gutes geworden. Sehr gut auch fügt sich die Band klang-ästhetisch in eine Szenerie zwischen die auch schon wieder seit zehn Jahren populären Weirdo-Folker und Lagerfeuer-Käuze mit Bart wie Devendra Banhart, Fleet Foxes oder die kollektiven Unternehmungen eines abenteuerlustigen Haufens wie Sunburned Hand of the Man ein.

Außerdem zu hören auf "Held in Splendor": Golden glänzender und harmonieseliger Westcoast-Softrock, wie ihn beispielsweise Bands wie die Byrds oder Jefferson Airplane vor fünfzig Jahren in einem sonnigen Kalifornien betrieben haben. Manchmal regnet es auch.

So etwas wie klitzekleines Alleinstellungsmerkmal bietet der Gesang: Anna Fox Rochinski und Shane Butler wechseln sich meist an der Hauptstimme ab, dann wieder umspielen sich die beiden honigtrunken und vertonen so mit ihren Stimmen eine Art freundschaftliches, neckisches Hin- und Her-Gerangel. Shane Butler gibt dabei eher den bodenständigen, kernigen Sixties-Rock-Typen, Anna Fox Rochinski ist indes der eigentliche Star: Ihr gelingen mühelos fließende Nuancierungen zwischen Hauchen, Zwitschern, Zittern und blitzgeladenen Ausbrüchen und Schreien.

Held in Splendor

Quilt

"Held in Splendor" von Quilt ist bei Mexican Summer erschienen

Gerne suhlen sich Quilt auch auf Textebene im Hippie-Klischee: Oft wird von Natur und allerlei lieben Tierchen und Pflanzen gesungen. Von Bergen und der See ist viel die Rede, von einem Hai, von Tauben und Schwänen. Dabei erreichen die Erzählungen von Quilt nicht selten eine märchen- oder fabel-hafte Qualität. Auch vom Kosmos, dem Universum und diversen außerweltlichen Wahrnehmungen ist zu hören. Die Eindrücke aus der Außenwelt triggern in der Band expressionistische Poesie und leicht esoterische Gleichnisse, die Quilt glücklichweise immer wieder mit Humor aushebeln.

Im Vergleich zum ersten selbstbetitelten Album sind Quilt auf "Held in Splendor" mutiger geworden. Die Musik ist üppiger, die Strukturen offener. Menschen mit munteren Fiedeln und gar sexy Saxophon haben die Band im Studio in New York besucht. Es wird wilder georgelt, mal wird zart die akustische Gitarre bezupft, gleich darauf auf einem Acid-Trip in ausschweifende Sechziger-Jahre gezappt. Gleichzeitig gibt es auf "Held in Splendor" aufregendere, dezent aus dem Ruder laufende Experimente, genauso knappe putzige Popsongs - wie beispielsweise den Single-Hit "Arctic Shark". In abgestecktem Terrain finden Quilt ein paar schöne neue Töne, vielleicht auch demnächst, auf einer nächsten Platte, einen eigenen. Die Klamotten und der Bandname mögen bleiben.