Erstellt am: 4. 3. 2014 - 16:54 Uhr
The daily Blumenau. Tuesday Edition, 04-03-14.
Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Das Rechtfertigungs-Buzzword zum Oscar-Sonntag
#bewegtbild #werbebranche
Netter Versuch, dieses Bullshit-Bingo von Jimmy Fallon.
Aber der tatsächlich meistverwendete Begriff bei den diesjährigen Oscars, zumeist nicht in den Dankesreden, sondern den vorgestanzten Ansagen, war ein ganz anderer: Inspiration.
Wir, und damit meinten die schlecht geschriebenen, von hochbezahlten Act/ors/resses übel interpretieren Texte die Filmindustrie, wir inspirieren. Oder sind inspiriert. Mit ihren Filmen und der dahinterstehenden Arbeit. Praktisch alles. Jedes Keep on Keeping On, jeden Widerstand, jede Gefühlsregung. Alles die pure Inspiration. Mandela, Northup, Philomena, Aids-Meds-Schmuggler, Piraten, die Lady in Nummer 6, sogar der Weltraum, überall nichts als pure Inspiration. Kein Einstieg ging ohne ab. Spätestens ab halb vier tat die nächste Erwähnung schon körperlich weh.
Verbale Übersprungshandlungen wie diese kenne ich von anderen Galas, jenen der Werbebranche. Dort lautet das Codewort anders, es heißt "kreativ". Es bezeichnet aber dasselbe.
Eine Branche, die sich (und das schwankt über die Jahre zwar, bleibt aber ein stetes Problem, schwebt als dunkle Wolke über der Szenerie) ihrer inhaltlichen Bedeutungslosigkeit bewusst ist (nicht alle, aber einige, und die nicht immer, aber in lichten Momenten, oder aber im Umfeld einer Preisverleihung, wo es ja immer um die Wertigkeit der eigenen Arbeit geht) und sich dafür geniert, der Konsumindustrie mit der Fabrikation von Schrott zu dienen, ihr rattenfängermäßig neue Opfer zuzuführen, sucht dann verzweifelt nach Rechtfertigungen.
Deshalb ist die Werbebranche kreativ.
Deshalb ist Hollywoods Mainstream-Kinoindustrie inspirierend.
Weil beide am Ende des Tages nicht allein von ihrer Überbezahlung leben könne, sondern – wie alle Menschen – Gefühle haben und echte inhaltliche Anerkennung brauchen, erfinden sie diese Buzzwords; und hoffen durch endlose Wiederholung zu erreichen, dass eine kritische Masse ihnen das auch abnimmt.
Was absurd ist.
Wenn ich jetzt vor die Funkhaus-Tür gehe, die ersten zehn Menschen aufhalte und nach ihren ersten Assoziationen zu "Werbebranche" oder "Hollywood" befrage, werde ich keine Treffer bekommen. Und umgekehrt: wenn ich die Begriffe "kreativ" und "inspirierend" abfrage, werden weder die Werber noch Hollywood vorkommen.
Es klappt also nicht. Die Schere ist zu weit, die Vorgabe zu absurd.
Bis auf ein paar Zuliefer-Branchen, die vom Goodwill der mächtigen Industriezweige leben und ihnen deshalb eine Art Fake-Feedback geben (etwa die Medienbranche, die die Werbeindustrie anschleimt und dabei gern den Trigger "kreativ" benützt), glaubt keiner den Scheiß.
Hier ein wirklich kreativer, medienkritischer Act, ein vorbildlicher Prank von Jimmy Kimmel mit dem Wolf von Sochi.
Natürlich ist Hollywood nicht inspirierend, sondern hechelt in meterweitem Abstand hinter den wirklich inspirierenden Trends her, greift sie Jahre zu spät auf, versinkt dazwischen im Sequel-Fieber oder glaubt in einer Welle von Filmen nach "echten" Stoffen ihr Heil zu finden.
Je verzweifelter die Suche nach diesem Sinn, desto mehr wird von der Inspiration geredet. Insofern ist Hollywood wohl gerade sehr arm dran.
Dafür bewegt das Buzzword Kampusch gar nichts mehr
#tatort #einzeltäterthese
Apropos ein Jahr zu spät aufgreifen: soviel Vorlauf hat auch der Tatort.
Und der vom Sonntag, der uns zeigt, dass es in Wien im Vorjahr einen echten Winter gab, der blieb in einer damaligen Debatte stecken, die man für eigentlich beendet gehalten hat. Denn natürlich war Abgründe keine reine Nacherzählung des Falls Kampusch – es spielt aber die beiden beliebtesten Waswärwenn-Theorien durch.
1) Priklopil war kein Einzeltäter
2) Dahinter steckt ein Kinderporno-Ring, in den höchste Stellen verwickelt sind.
Klar ging es im Buch von Uli Brée um die weit über solche aufsehenerregende Fälle hinausgehenden Mechanismen, wo aus purer Vorab-Panik der Behörden geschlampt und vertuscht wird. Trotzdem waren die Figuren und Thesen des Kampusch-Falls allzu deutlich sichtbar, und nur weil es keine Verballhornung der Namen gab, machten sie trotzdem keine Anstalten sich zu verstecken. Inhaltlich hat sich, seit ich das letzte mal bei den Verschwörungs-Theoretikern vorbeigeschaut habe (2011 war das), nicht viel geändert. In der Zwischenzeit haben sich weitere stümperhafte Ermittler die Zähne ausgebissen, hat sich der Mantel des Vergessens über die Geschehnisse gelegt.
Weshalb auch der mediale Sturm einer allfälligen Empörung (egal in welche Richtung) hierzulande ausblieb und allein die deutschen Medien noch einmal die alten Akten herausgekramt haben. Um dann noch den Fall Edathy reinzubraten.
Wo in Deutschland dann die neue Debatte schwelt, bleibt hierzulande das schweigsame Nichts. So gesehen hat Brée mit seinem Buch eine self-fulfilling prophecy reinsten Wassers geschaffen.
Noch einmal Verschwörungs-Theorien und Einzeltätertum
#sport #doping #medien #redbull #fußballjournal14
Fangen wir anders an...
Manche Menschen haben ein Problem mit dem Wesen des Micro_Blog-Diensts Twitter. Wenn man, so wie ich gestern, einen Text mit einer interessanten (weil gewagten) These findet, und diesen Link mit dem entsprechenden Halbsatz versehen tweetet, dann kann es passieren, dass jemand kritisiert "diesen einen Link zu teilen ohne weitere Infos zu haben".
Dafür sind Tweets natürlich ungeeignet – dieses Blog aber kann. Also mache ich.
Die Erregung wurde durch den Schlussabsatz Analyse von Red Bull Salzburg auf sturm12.at ausgelöst. da ist von der "überragenden Athletik" und "bahnbrechenden Fitness" die Rede, und dann wird eine Geschichte über das "Red Bull Trainings- und Diagnostikzentrum in Thalgau (geleitet von einem Trainingsanalytiker aus dem ehemaligen Ostdeutschland)" verlinkt.
Hier poppt etwas zu einem Zeitpunkt auf, der jeden Mäkler klar als schlechten Verlierer entlarvt. Aber da es sich um eine echte Problembeule handelt, kann man das niemandem wirklich verdenken.
Der Chef des Zentrums in Thalgau ist Bernd Pansold, ein ehemaliger DDP-Doping-Arzt mit entsprechender Verurteilung und Sündenregister, den es in den 90ern nach Österreich verschlug, wo er zuerst im ÖSV-Umfeld beriet, dann von Schröcksnadel zur Persona non grata erklärt wurde und von Mateschitz den Auftrag zum Aufbau des nämlichen Zentrums bekam. Dort geht es um legale Ausschöpfung von Reserven.
Dass Pansold seine Vergangenheit immer wieder einholt, darf nicht verwundern. Denn der Tweet eines co-empörten Sportjournalisten – Eh, klar, wer einmal Dopingmittel verabreicht hat, wird das automatisch weiter tun... Bullshit! – ist (entgegen seiner Absicht) im Sportbereich traurige Realität.
Pansold spielte im Zusammenhang mit dem überraschenden kurzfristigen Abgang von Trainer Ricardo Moniz im Juni 2012 eine entscheidende Rolle. Ein knappes Jahr später kam Lindsey Vonn, auch eine Athletin aus dem Red Bull-Stall, in peinliche Berührungs-Troubles, die US-Medien auf den Plan riefen – hier erklärt Nate Vinton von der New York Daily News deppensicher, was Sache ist. Bis auf die bereits verlinkte Standard-Geschichte nahmen sich die heimischen Mainstream-Medien der Sache aus dem seit Waldheim und Haider beliebten Nestbeschmutzer-Blickwinkel an.
Klar ist, dass Doping eher im Skisport als im Fußball, wo es um einen hochkomplexen Mix aus Beweglichkeit, Kraft und Intuition geht, eine Rolle spielt.
Klar ist aber auch, dass sich ein mächtiger Verein, der sich noch dazu hinter einem komplett intransparenten Oligarchen-System verschanzt, mit einer Leistungsdiagnostik-/Steigerungs-Abteilung, die von einem ausgewiesenen Doping-Experten aufgebaut und geleitet wird, keinen Gefallen tut. Und entsprechende Vorwürfe anzieht wie ein Magnet die Bestecklade. Und mit pampigen Blockier- und jetzterstrecht!-Versuchen die Verdachtsmomente nur noch erhärtet.
Solange hier keine Kultur der Öffnung stattfindet und man sich nicht von Doping-Rentner-Ballast (und für so etwas, für die bewusste Gesundheits-Schädigung von jungen Menschen gibt's keine moralische Verjährung, das hält ewig) befreit, wird jede in kurzer Zeit zum Wettkampfschwimmer hochgewachsene Kicker-Brust wieder herhalten müssen für unsägliche Andeutungen.
Sportlich ist Red Bull Salzburg in Europa angekommen – kommunikationstechnisch steckt das absolutistische Fuschler Fürstentum noch auf Freedonia-Niveau fest.