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Veronika Weidinger

8. 3. 2014 - 16:47

Der Appell an die Jungen

In Österreich kannst du bei der EU-Wahl schon ab 16 wählen, das wünscht sich die Bundesjugendvertretung auch für andere EU-Länder.

Du hast alle Formalitäten erledigt, bist 16 oder 17 Jahre alt, kommst aus einem anderen EU-Staat und wirst das EU-Parlament am 25. Mai aus Österreich wählen?! Die Bundesjugendvertretung sucht Dich für ihre Aktion vote@16.

Es ist sowas wie ein demokratiepolitisches Schmankerl, das Recht der frühen Mitbestimmung, auf welches die Bundesjugendvertretung dieser Tage aufmerksam macht. EU-BürgerInnen, die hierzulande ihren Hauptwohnsitz haben, können hier auch das Europaparlament wählen. Das in Österreich geltende Wahlrecht macht damit auch alle 16-Jährigen zu Stimmberechtigten.

Es funktoniert aber nur dann, wenn die Eintragung in die Wählerevidenz rechtzeitig erfolgt - und Achtung - der letzte Tag, um das zu tun, ist der 10. März.

EU-Fahnen

APA / Georg Hochmuth

Wenn Johanna Tradinik von der Bundesjugendvertretung über die Info-Kampagne vor der EU-Wahl erzählt, verweist sie darauf, dass auch in anderen EU-Ländern die Senkung des Wahlalters diskutiert wird und wünscht sich mehr Lobbying für die Herabsetzung innerhalb der EU. Noch tut sich in dieser Hinsicht wenig, wo aber diskutiert wird, ist die österreichische Jugendvertretung Ansprechpartnerin, denn so früh wie hierzulande wählt, außer auf Komunalebene, sonst niemand in der EU. Die Erfahrungen seit der Wahlrechtsreform 2007 zeigen, dass die jüngsten Wählerinnen und Wähler eher für Oppositionsparteien stimmen und sich bei ihrer zweiten Wahl häufig anders entscheiden. Wechselwählen steht hoch im Kurs. Wer meint, dass sich die frühere Chance auf Mitbestimmung in einer hohen Wahlbeteiligung niederschlägt, irrt: Bei der Wahlbeteiligung liegen ErstwählerInnen im Durchschnitt.

Wahlaltersenkung, das war auch vor den letzten EU-Wahlen 2009 ein Thema, zu dem viele Fragen ans Team der Forschungsgruppe Jugend und Europa gestellt wurden. Seither hat sich nicht wirklich viel getan: In Finnland gab es Projekte. Im insgesamt auf Digitalisierung ausgerichteten Estland wird eine Senkung des Wahlalters diskutiert. Hierbei setzt Partizipationsforscherin Eva Feldmann-Wojtachnia im Kontext einer prinzipiellen Ausrichtung auf mehr direkte BürgerInnenbeteiligung.

Instant Partizipation und die Enttäuschung nach dem 1. Mal

Die Erwartung, dass gerade ErstwählerInnen ihr Stimmrecht aktiver nutzen als die restlichen Alterskohorten, kennt auch Eva Feldmann-Wojtachnia, Partizipationsexpertin in der Forschungsgruppe Jugend und Europa am Centrum für angewandte Politikforschung an der Uni München. Doch warum sollten gerade die ganz Jungen wählen, wenn sie sich abseits der Wahlen nicht für voll genommen fühlen? Einmal mitbestimmen, aber sonst nicht gefragt werden - die Politikwissenschafterin verwendet dafür den Begriff "Instant Partizipation"; und das kommt, so die Beobachtung in Deutschland, gerade bei den Jüngsten, den besonders kritischen WählerInnen gar nicht gut an. Die Mitbestimmung bei einer Wahl wirkt vordergründig, wenn es für jene, die sich tatsächlich einbringen wollen, kaum Strukturen und Angebote gibt. Im politischen Raum, der um Einiges weiter gesteckt ist als ein Wahltermin, fehlen vielfach die Möglichkeiten sich einzuklinken - gerade für Jugendliche.

Und wer dann wählen war, ist nach dem ersten Mal nicht selten enttäuscht, berichtet Eva Feldmann-Wojtachnia über Untersuchungen in Deutschland, die zeigen, dass die Wahlbeteiligung gerade bei Zweitwählenden sinkt. Ein Grund dafür kann der Eindruck sein, dass die eigene Stimme nur wenig zählt, zwar den Parteien nutzt, aber letztendlich doch nichts bewirkt. Eine Tendenz, die für die Expertin auch aus den Daten des Eurobarometers vom letzten Herbst bestätigt wird - nur noch 29 Prozent der EU-Bevölkerung sind der Meinung, dass ihre Stimme überhaupt was in der EU zählt. 66 Prozent teilen diese Meinung gar nicht.

Wahlkabine

APA / Roland Schlager

Empfehlung: der Info-Blog zur EU-Wahl eu2014.at von ErstwählerInnen für ErstwählerInnen

Was bedeutet die EU abseits der historischen Dimension eines friedlichen und geeinten Europas für die eigene Identität als junge/r Europäer/in? In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Fragen, die es zu klären gilt, durchaus abseits einer Parteienpolitik, in einem vorpolitischen Raum, wie die Politikwissenschafterin meint. Denn mit einer teilweise extrem hohen Jugendarbeitslosigkeit und einer damit einhergehenden Perspektivlosigkeit bietet die EU kein wirkliches Identifikationspotential für Jugendliche.

Die Expertin wäre nicht verwundert, wenn junge EuropäerInnen bei der anstehenden Parlamentswahl vor allem aus Protest wählen, oder aber: gar nicht erst zur Abstimmung gehen.

Jede Stimme zählt

EU-Wahl auf FM4

Interviews der österreichischen SpitzenkandidatInnen der EU-Wahl und jugendpolitische Themen

Aufmunternde Worte vor der Wahl, moralische Appelle, sein Stimmrecht zu gebrauchen, das wird nicht reichen, um junge Menschen in einem politischen Sinn an Bord der EU zu holen. Auch die Wahlaltersenkung alleine wird nicht viel ändern - die ist übrigens, so beobachtet Eva Feldmann-Wojtachnia, weniger ein Wunsch von Jugendlichen, denn mehr eine Forderung der sie vertretenden Verbände.
Dem gerade bei Jugendlichen vorhandenen Interesse an politischen Fragen und Zusammenhängen sollte auf Augenhöhe begegnet werden, mit Info-Angeboten und der Möglichkeit zur Auseinandersetzung.

Deine Stimme zählt! Das vermittelt und formuliert jedenfalls Johanna Tratinig als engagierte Jugendvertreterin und weist darauf hin, dass die Entscheidungen im scheinbar fernen EU-Parlament ganz konkrete Auswirkungen auf unseren Alltag haben.