Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Atmosphärische Störungen"

Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

3. 3. 2014 - 15:14

Atmosphärische Störungen

Dass beim Amadeus Award bereits drei Acts ihre Nominierungen zurückgezogen haben, zeugt von einem wachsenden Graben zwischen österreichischen Musikschaffenden und ihrer Industrie.

Das hat es in der 14jährigen Geschichte der Amadeus Awards noch nicht gegeben: Nicht nur ein Act ließ sich von der Nominierungsliste wieder streichen, sondern zum jetzigen Stand bereits drei. Sie taten dies aus etwas unterschiedlichen Motiven, die aber einen gemeinsamen Nenner haben: Österreichischs Musiker/innen fühlen sich von der eigentlich für sie zuständigen Industrie und den Medien im Stich gelassen und/oder nicht ernstgenommen.

Aber alles der Reihe nach...

HVOB

Den Anfang machte vergangenen Dienstag HVOB-Sängerin Anna Müller mit einem offenen Brief an die Amadeus Verantwortlichen, in der sie ihre Nominierung zurückzog. Die Band stieß sich vor allem an der Verquickung der für sie vorgesehenen Electronic/Dance-Kategorie mit dem Medienpartner Kronehit – und dem anfangs bestehenden Zwang, nur mittels Registrierung auf dessen Website abstimmen zu dürfen.

HVOB

Doron Nadav

HVOB

Wir möchten keinen Preis in einer Kategorie bekommen, die ihre wichtigste Aufgabe darin sieht, die plumpsten Marketingbedürfnisse eines (und zwar eines unserer Meinung nach alles andere als geeigneten) Partners – zumal ungefragt – auf dem Rücken österreichischer Bands zu befriedigen. Es ist uns insbesondere unangenehm, für das Abgreifen von Email-Adressen jener Leute missbraucht zu werden, die unsere Musik so sehr mögen, dass sie für uns voten möchten.

Zumindest letzterer Kritikpunkt wurde ernstgenommen: Seitdem kann auch für diesen Preis direkt auf der Amadeus-Seite abgestimmt werden!

Naked Lunch

Am Donnerstag ging die Kandidatenschmelze weiter, als auch Naked Lunch einen kurzen Brief schrieben. Ihre Kategorisierung unter Rock/Hard & Heavy (die frühere Sparte Alternative wurde – wohl auch wegen potenziellen Überschneidungen mit dem Spezial-Award dieses Senders heuer zugunsten von Best Video aufgegeben) habe sich die Band noch köstlich amüsiert. Diverse Tipp- und Fakten-Fehler in der Kurzbiographie auf der Amadeus-Seite später aber schon weniger:

Die Band Naked Lunch in einem herbstlichen Park unter einer wehenden Goldfolie

Ingo Pertramer

Naked Lunch

Dass sie aber, in ihrer dürftigst gehaltenen Kurzbeschreibung der jüngsten Bandhistorie alles, aber auch wirklich alles, falsch zusammengefasst und aufgelistet haben, dies – mit Verlaub – hat uns ein wenig verstimmt.
Weder haben wir 2001 eine Auszeit genommen, oder aber haben wir 2005 ein Album mit dem Titel "Stay" veröffentlicht, noch pflegen wir unseren Bandnamen mit c vor dem k zu schreiben.
Lernen sie Englisch, um Himmels Willen, oder lernen sie zumindest irgendwas.

Monobrother

Der Wiener Rapper Monobrother zog sich schließlich vergangenen Samstag aus dem Bewerb um den HipHop/RnB-Preis zurück. In seiner ausführlichen Stellungnahme prangert er gleich diverse Missstände an, die ihm als Musiker in Österreich das Leben schwer machen: Mangelnde mediale Unterstützung für Nischen wie den HipHop, Castingshows als einziger Weg zum kurzen Ruhm und gekürzte Förderungen.

Für diese Versäumnisse und Fehltritte kann der Veranstalter selbst natürlich rein gar nichts. Trotzdem betrachtet er sich offenbar als integraler Bestandteil und Repräsentant dieser ruinösen Branche, die seit etlichen Jahren fahrlässig mit österreichischen Musikschaffenden umspringt. Mich dieser Preisverleihung zu "stellen“, würde demnach ein generelles Einverständnis mit den aktuellen Verhältnissen – den gefräßigen Taktiken und Praktiken dieser destruktiven und ignoranten Musikmarkt-Maschinerie – signalisieren, was ich nicht mit mir vereinbaren kann.

Monobrother

Hannes Buchinger

Monobrother

Ich will hier keine Hände beißen, die mich füttern (wollen). Im Gegenteil bin ich all jenen Menschen, die sich für meine Nominierung auf die Hinterbeine stellen mussten, dankbar und zutiefst verbunden. Ich nehm' nur einen kleinen Bissen von der Pranke, die mich, aber vor allem mein künstlerisches Umfeld, seit Jahren kontinuierlich abwatscht. Solange keine angemessene Infrastruktur geschaffen wird und solange musikalische Reichweite in Österreich so eng mit Entwürdigung verknüpft ist, werde ich keine diesbezügliche Nominierung annehmen.

Nach diesen klaren Worten sind es also auch in der HipHop-Kategorie nur noch vier – oder eigentlich dreiundhalb: Der in Berlin lebende Chakuza erklärte seinen Fans sein Desinteresse an den Awards und bat sie, an seiner statt für seinen Freund Raf3.0 abzustimmen.

Und jetzt?

Obwohl die Umstände in jedem der Fälle unterschiedlich sind, tritt doch eines klar zutage: Mindestens vier Acts aus Österreich fühlen sich von diesem Preis und/oder der Industrie dahinter nicht gut vertreten oder ernstgenommen. Das ist früher bestimmt auch schon öfters vorgekommen, nur wurde es noch nie so öffentlich artikuliert. Ob das Unbehagen in allen Fällen zum Rückzug der Nomination gereicht hätte, wenn HVOB nicht den ersten Schritt getan hätten, ist natürlich eine interessante, aber theoretische Frage.

Zu hoffen steht jedenfalls, dass die ernst gemeinten und wohlformulierten Absagen Einzug in die Konzeptionsphase der nächstjährigen Awards finden - damit die Künstlerinnen und Künstler, um die es ja eigentlich geht, sich nicht noch stärker von ihnen abwenden.