Erstellt am: 2. 3. 2014 - 16:58 Uhr
Club der einsamen Herzen
Die Konkurrenz zwischen bitterer Realität und – erreichbaren oder unerreichbaren – Zielen lässt das Leben prickeln. Das Gras ist immer auf der anderen Seite grüner als hier, das wissen wir schon lange, wenn wir uns aber ab und zu ohne überbordendes Selbstmitleid einer Selbstüberprüfung unterziehen, fällt uns vielleicht auf, dass wir eigentlich eh auch einen ganz passablen Garten haben. Zu zufrieden wollen wir aber auch nicht werden! Hass und Neid und Eifersucht sind ja auch ganz gute Motoren.
Angel Olsen ist Meisterin im Vertonen der Ambivalenzen, in der Liebe, im Leben. Manchmal ist es schön, manchmal ist es nicht schön. Die Songwriterin aus St. Louis, mittlerweile wohnhaft in Chicago, hat es schon als weirder Vogel in der Backingband des großen Kauzes Bonnie "Prince" Billy zu einiger Prominenz gebracht, vor kurzem ist ihr wieder sehr gutes zweites Solo-Album erschienen. Das Album trägt den mächtigen Titel "Burn Your Fire For No Witness". Burn Your Fire For No Witness – man möchte sich diesen Spruch vielleicht auf T-Shirts drucken. Auch wenn man gar nicht so genau weiß, was Angel Olsen der Welt damit mitteilen möchte. Dass man seine prächtigsten privaten Zaubertricks dann auspacken soll, wenn gar niemand zuschaut? Man eigentlich nur für sich selbst tanzen soll, und nicht für die blöden Gaffer?
Angel Olsen
Auf der Platte findet sich der Albumtitel in dem Song "White Fire" wieder: "Burn Your Fire For No Witness/ It’s the Only Way It’s Done". "White Fire" ist mit seinen sieben Minuten Spieldauer, seiner musikalischen Kargheit und Zerstörungspoesie das zentrale und symptomatischste Stück der Platte. "Everything Is Tragic/ It All Just Falls Apart" lauten hier die ersten Zeilen – an dieser Losung scheint auch die gesamte Platte ausgerichtet. Minimalistische Folksongs der Trauer und der Asche, durchsetzt von giftigen Kracheruptionen. Es wird aber auch immer wieder gerockt. Dabei kippt die Platte nie ins Weinerliche oder in die Selbstaufgabe, sondern strotzt stets vor Kraft. Angel Olsen sehnt sich, jammert, aber zündelt auch gar boshaft.
Zwischendurch gibt es auch Humor. Das Stück "Hi-Five" ist eine Art Gegenpol zu allem, was sonst so auf der Platte passiert. Möglicherweise gibt es kein besser gelauntes Lied über die Einsamkeit als dieses. Munter, beschwingt, mit einer schäbig verzerrten Gitarre. "Hi-Five" beginnt zwar mit der berühmten Hank-Williams-Zeile "I feel so lonesome I could cry"– geweint wird aber in Folge nicht. Vielmehr wird die Einsamkeit als erstrebenswerter Zustand interpretiert, das Sich-Suhlen im Sich-Alleine-Vorkommen als glanzvolle Praxis vorgelebt.
Angel Olsen bleibt in diesem Song aber nicht lange alleine. Wir treffen in "Hi-Five" auf eine weitere einsame Seele, mit der Angel Olsen in weiterer Zukunft zu zweit alleine sein kann: "Are You Lonely Too? Hi-Five! So Am I". Die Einsamkeit besiegelt unser Bündnis. Die Liga der tieftraurigen Eigenbrötler.
Vage begibt sich die neue gefundene Koalition aufs Eis des Sexuellen, nur um rechtzeitig Halt zu machen: "Now We Don' Have To Take It To Extremes/ We'll Keep Our Hands, Our Legs, Even Our Lips Apart". Es ist eine unschuldige Zweckgemeinschaft, eine wechselseitige Beteuerung der eigenen Misere. Gemeinsam einsam. Und großen Spaß dabei.