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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

2. 3. 2014 - 17:51

Schnell und schamlos

Anglo-amerikanisches Stand-Up-Comedy funktioniert anders als deutschsprachiges Kabarett. In Wien gibt es seit kurzem einen eigenen Club dafür.

Kabarett ist in Österreich und auch Deutschland allgegenwärtig. Man kennt es von der Bühne und aus dem Fernsehen. Josef Hader ist seit Jahren eines der Aushängeschilder: Er kommt ganz alleine auf die Bühne, erzählt Geschichten und Witze, unterhält uns, lässt uns aber auch in tiefe Abgründe blicken. Deutschsprachiges Kabarett ist aber anders als die anglo-amerikanische Stand-Up-Comedy – die ist meist schneller, akzentuierter und oft auch schamloser.

Mikrofon-Grafik

Vienna Standup Comedy Club

Stand-Up-Comedy-Kultur ist hierzulande noch kaum ausgebildet. Seit ein paar Monaten gibt es aber in Wien den englischsprachigen Vienna Stand Up Comedy Club. Diesen Club gibt es seit dem vergangenen Spätsommer, bisher hat das internationale, dreiköpfige Organisatorenteam schon zwei Ortswechsel hinter sich und ist derzeit im Scotch Club im ersten Bezirk angesiedelt, wo der Club jeden zweiten Sonntag am Abend stattfindet. Die Regeln sind einfach: Jede/r kann kommen, zusehen oder selbst teilnehmen. Inhaltliche Vorgaben oder Tabus gibt es keine, Interaktion mit dem Publikum oder zwischen den Performern ist erwünscht. Die einzige Hürde ist eine zeitliche: Wenn jemand zu lange redet, wird sie oder er von den Veranstaltern mehr oder weniger höflich von der Bühne gebeten.

Ich begleite Peter Vogl, Theaterwissenschaftsstudent sowie Film- und Games-Geek bei einem Auftritt. Peter hat im Vorjahr bei einem öffentlichen Casting für einen Stand-Up-Abend im gegenüber des Scotch Club liegenden Gartenbaukino Blut geleckt. Er ist Laie, sammelt Bühnenerfahrung und feilt an Dramaturgie, Vortrag, Stimme, Inszenierung und allgemein Bühnenpräsenz. Humor ist fragil, ein Witz kann durch kleinste Fehler in Timing und Darbietung den ganzen Aufbau in Bruchstücken von Sekunden zum Einsturz bringen.

Peter Vogl bei seinem Auftritt.

Robert Glashüttner, ORF/FM4

Peter ist sich der Herausforderung bewusst und gegen Widrigkeiten gewappnet. Er bringt in seinem circa Fünf-Minuten-Auftritt eine Mischung aus persönlichen Anekdoten, stilsicheren Sexwitzen und Alltagsphilosophie. Während seines Auftritts passiert dann tatsächlich ein Missgeschick – er vergisst bei seinem ersten Witz die Punchline, gesteht das aber sofort offen ein und redet munter weiter. Ein kurzer, stichelnen Einwurf von Seiten des hinter dem Mischpult stehenden Moderators wird aufgenommen, ein kleiner Blödeldialog entsteht, eine Minute später ist alles vergessen. Spontaneität und Schlagfertigkeit sind das A und O bei öffentlichen Auftritten und Reden und so natürlich auch bei der Stand-Up-Comedy. Die Balance zwischen einstudierten Texten und Witzen und Improvisation ist nicht einfach und schon gar nicht perfekt planbar. Manchmal läuft es besser, dann wieder weniger gut. Peter bringt es nach seinem Auftritt sportsmännisch auf den Punkt: You win some, you lose some. Besonders gut hat es beispielsweise Ende letzten Jahres beim Dronen-Sketch funktionert.

"Stand Up is about everything"

Knapp zehn Performer treten an diesem Abend auf, nur eine davon ist eine Frau. Die Kartografie- und Geoinformationsstudentin Agnes Wieninger ist anglophil und von britischen und US-amerikanischen Comedians begeistert. Irgendwann wollte sie es selbst probieren und ist seit einer Weile regelmäßig beim Vienna Stand Up Comedy Club dabei. Sie wird vom Moderator als "beautiful woman" angekündigt. Das alte Problem: Frauen sind erst mal hübsch, später vielleicht dann auch noch lustig. Agnes hat die Situation aber mit Humor und Schlagfertigkeit fest im Griff: You can't raise expectations! What if some people in the room don't think I'm beautiful and they will be going: Oh my god, he lied to us! – Don't worry, I know I'm beautiful.

Agnes Wieninger bei ihrem Auftritt.

Robert Glashüttner, ORF/FM4

Agnes platziert ihre Bühneninhalte gezielt. Abgesehen von einer guten Performance an sich geht es bei ihr auch um einen feministischen Auftrag innerhalb einer männerdominierten Gemeinschaft. Die Bandbreite von Comedy ist also groß: Es funktioniert als oberflächliche Schenkelklopfunterhaltung aber auch als Vehikel, um auf bestimmte Themen und Zugänge lustvoll aufmerksam zu machen. Stand-Up-Comedy erfüllt aber noch einen anderen Zweck: den der Katharsis. Moralische und politisch korrekte Grenzen, die im normalen Leben gelten, werden hier mitunter außer Kraft gesetzt, wie die Organisatoren Daniel Plistiev, Jed Rittri und Steve Bocus erklären: You can talk about anything, also topics like racism. People should get more relaxed about it. Our concept is an open mike concept, so we allow everybody to go on stage and perform which also creates an interactive entertainment for the audience. When you try too much to tell people what to say or not, it's not in the spirit of real comedy. So we try to let people do whatever they want to do – within not taking it too far.

Großmeister der Stand Up Comedy: Louis C.K.

Sonntag, 2. März 2014: Vienna Stand Up Comedy Club im Scotch Club, Wien 1. Motto diesmal: "The Hungover Games"

Kruder Humor kann helfen, bei schwierigen Themen wie Sexismus die Scheu zu verlieren, sich damit auch ernsthaft auseinanderzusetzen. Dennoch fallen bei einer inhaltlichen Laissez-Fair-Politik viele Späne, die man natürlich auch aus gutem Grund ablehnen kann. Humor ist bekanntermaßen Geschmackssache. Ob man sich der unberechenbaren Dynamik eines Stand-Up-Comedy-Abends mit seinen oft grenzüberschreitenden Witzen aussetzen möchte oder nicht, muss jede/r für sich selbst entscheiden. Wirkliche Vorfälle hat es beim Vienna Stand Up Comedy Club bislang jedenfalls nicht gegeben und eine ruppig-humorvolle Auseinandersetzung mit einem sensiblen Thema kann oft tatsächlich hilfreich bei der persönlichen Annäherung damit sein.