Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Wurlerte Wurzelwerke und rostige Roboter"

Conny Lee

Prokrastinative Hinterstübchen des Alltags

28. 2. 2014 - 16:21

Wurlerte Wurzelwerke und rostige Roboter

Das tschechische Indie-Games-Studio Amanita Design macht außergewöhnliche Adventures und ist zu Gast in Wien.

Wenn ein Produkt gratis ist, erwarten wir uns meistens weniger. Entweder ist es qualitativ mangelhaft oder es soll irgendeinen Zweck wie Werbung erfüllen. Um so unerwarteter war es 2003, als im Netz plötzlich ein Spiel namens Samorost aufgetaucht ist, das man gratis im Browser spielen konnte, und das in jeder Hinsicht fantastisch war und auch heute, mehr als zehn Jahre später, noch ist. Der Look von Samorost sticht sofort ins Auge: diese Mischung aus realen Objekten wie bemoosten Wurzeln, Dosen oder rostigen Schrauben und animierten Wesen.

samorost

amanita design

Aber auch die Soundeffekte, die Rätsel und die Art und Weise, wie die Umgebungen animiert sind, sind so voller Liebe zum Detail und so faszinierend absurd, dass Samorost bis heute nichts von seinem Charme eingebüßt hat. Ich kann nicht mehr sagen, wie oft ich Samorost bereits durchgespielt habe, und jedes Mal entzückt mich diese kleine, fremde Welt aufs Neue.

Hinter diesem Spiel steckt Jakub Dvorsky. Dvorsky hat in Prag an der Akademie für Kunst, Architektur und Design studiert und danach das Studio Amanita Design gegründet, das seitdem für eigenständige und fantasievolle Produktionen steht.

Dabei entsprechen auch Auftragsarbeiten wie das Lernspiel Questionaut für die BBC oder ein interaktives Musikvideo für die texanische Band The Polyphonic Spree immer zur Gänze dem typischen Amanita-Stil.

2009 kam dann das erste größere Advenure von Amanita Design heraus, das man auch als Hardcopy erstehen konnte und an dem man mehrere Stunden getüftelt hat: Machinarium. Das Setting ist eine rostige Maschinenwelt und der Protagonist der kleine Roboter Josef (nach Josef Čapek, dem tschechischen Künstler und Erfinder des Begriffs "Roboter"). In Machinarium werden keine realistischen Photographien mehr verwendet, sondern sowohl Figuren als auch Umgebungen sind gezeichnet.

Machinarium

amanita design

So wie das Altmetall, aus dem scheinbar alles in Machinarium besteht, hat das Adventure selbst seine Ecken und Kanten und rauhen Oberflächen - im Gegensatz zu den glatt polierten 3-D-Produktionen der großen Gamestudios. Alles in Machinarium ist fremd und uns dabei doch gleichzeitig so vertraut. Das ist der Spagat, den Amanita Design so einfach hinlegt wie Barychnikov.

Ein wichtiges Element ist dabei das Weglassen von Sprache. Die Roboter in Machinarium sowie die Wesen aus anderen Amanita Adventures kommunizieren höchstens durch Laute, Geräusche, Bilder oder Gesten. Dadurch werden diese Fantasiewelten noch ein bisschen fremder für uns und sind doch weltweit verständlich.

Detailverliebtheit in Animation und Sounddesign

Gerade weil nicht gesprochen wird, gewinnen in den Games von Amanita Design die Musik und Soundeffekte so sehr an Wichtigkeit. Sie werden mit ebenso viel Detailverliebtheit gestaltet wie die bildliche Ebene. In jedem Bild, jeder Umgebung, kann man alle möglichen Dinge anklicken, selbst wenn es für das Rätsel unwichtig ist, und sie bewegen sich und geben lustige Geräusche von sich.

Musikalisch arbeitet Amanita dabei immer wieder mit Tomáš Dvořák aka Floex zusammen, aber auch mit anderen Artist wie den oben genannten Polyphonic Spree oder dem Komponisten Šimon Ornest, mit dem gemeinsam das interaktive Musikvideo/experimentelle Adventure Osada entstanden ist (unbedingt diesen Link anklicken und spielen, auch wenn gerade was Wichtigeres zu tun wäre, weil wenn du grade was Wichtigeres zu tun hättest würdest du sowieso nicht hier den Artikel lesen!). Osada ist ein gutes Beispiel für den absurden Humor, der die Games von Amanita so auszeichnet.

Das nächste große Amanita-Spiel Botanicula habe ich seit der ersten Ankündigung sehnsüchtigst erwartet, nicht nur, weil der Entwickler Amanita eine gewisse Qualitätsgarantie mit sich bringt, sondern auch, weil die Teaservideos auf YouTube so vielversprechend waren.

In Botanicula haben sich Jakub Dvorský und sein Team von den rostigen Maschinen wieder den Natursujets zugewandt. Kleine Baumwesen müssen in dem Spiel das letzte Samenkorn retten. Die Welt, in der wir uns bewegen, ist ein großer Baum, der von schwarzen, spinnenartigen Parasiten heimgesucht wird. Die Musik von Botanicula stammt von der tschechischen Indieband Dva, deren Musik perfekt zu der fantsievollen und dabei unkitschigen Welt von Botanicula passt.

Derzeit arbeitet das kleine tschechische Studio an Samorost 3. Allerdings soll dieser dritte Teil der Serie laut erstem YouTube-Teaser "not very soon" erscheinen.

Jakub Dvorský zu Gast in Wien

Dafür kann man den Mann hinter Amanita Design, Jakub Dvorský, am 28. Februar (heute!) im Zuge der SUBOTRON Arcademy ab 19 Uhr erleben, wo er und Clemens Scott (Broken Rules) über lokale, soziale und kulturelle Einflüsse auf Game Development sprechen werden. Der Abend findet im Wiener MuseumsQuartier im Raum D bei freiem Eintritt statt.