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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

26. 2. 2014 - 18:56

Der Mann, der nicht da war

Vor kurzem ist Staffel 2 der übel beleumundeten Serienkiller-Show "The Following" angelaufen. Besser als ihr Ruf, eine Kult-Show im Wortsinne.

Ordentlich zerzaust sieht Ryan Hardy immer noch aus - auch wenn er seit gut einem halben Jahr keinen Alkohol mehr trinkt. Er geht brav zu Meetings und unterzieht sich einem Fitnessprogramm. In Staffel 1 von "The Following", vor einem Jahr erst, war das Lieblings-Accessoire und ständiger Begleiter des ehemaligen FBI-Agenten und Serienkiller-Spezialisten Hardy eine mit Wodka-Wasser gefühlte Halbliter-Plastikflasche, die in ihrer ursprünglichen Aufgabe ausschließlich Wasser durch die Gegend spazieren führen sollte. Täuschen konnte Ryan Hardy seine Kollegen mit diesem gefinkelten Manöver nicht: Der immergute Kevin Bacon spielte Hardy zwar mit dem schicken Haar und der Alterslosigkeit eines Kevin Bacon, Hardys müde Augen, die glasigen Pupillen und sein ständiges Zuspätkommen verrieten das Level seiner Fertigkeit.

The Following

FOX

In Season 1 der von Fox produzierten Show "The Following" stand Ryan Hardy als Berater und Intimkenner des einstigen Literaturprofessors und jetzigen Serien-Killers Joe Caroll (James Purefoy mit gestanztem Akzent, der überdeutlich sagen soll, dass hier ein Brite, also irgendwie jemand Gebildeteres, Wohlerzogeneres spricht) dem FBI zur Seite. Dass die beiden Herren eine Vergangenheit mit derselben Frau hatten, gab der beruflichen Hass-Beziehung noch das private Bonus-Feuer. Nicht, dass man es nicht erwartet hätte: Verlässliches Hauptfeature von "The Following" war, dass alle Klischees aus der Thriller/Krimi-Kiste bespielt wurden.

Der feingeistige Serienkiller Caroll hatte sich im Gefängnis einen Geheimkult aus superdurchgeknallten "Followern" (Hobbys: Hieb- und Stichwaffen) herangezüchtet, Hauptspannung wollte "The Following" durch das allwöchentliche Gerätsel darum erzeugen, wer denn nun von den vermeintlich Guten in Wirklichkeit mit der bösen Blutsekte unter einer Decke stecke. Es war immer die Person, von der man es erwartet hätte.

Einzig Ryan Hardy und sein Team aus Spezialisten schienen sich einen Spaß daraus zu machen, den Tatort immer 10 Sekunden zu spät zu erreichen. Ein Running Gag, der nicht mit Absicht ausformuliert wurde. Ryan Hardy hatte am Ende jeder Folge neues unschuldiges Blut an seinen Händen, weil er in Fabrikshallen, Appartments und Garagen wie aus Prinzip immer erst dann erscheint, wenn wieder einmal gerade eben jemandem ein Schraubenzieher die Halsschlager kaputtgemacht hat. So knapp aber, diesmal!

The Following

The Following

Gerade ist Staffel 1 von "The Following" auf DVD erschienen.

"The Following" hat vergangenes Jahr fast durchgehend vernichtende Kritiken eingefahren. Man muss "The Following" nicht unbedingt gleich als meta-schlaue Kritik an Twitter begreifen, so schlecht war’s dann in Wirklichkeit aber gar nicht. In ästhetischer Hinsicht solides Handwerk in der hundertsten Gefolgschaft von David Finchers "Se7en", zwei sich gegenseitig überzogen in die Tasche spielende Kontrahenten. Dass hier alle Beteiligten gegen die Prinzipien der Logik arbeiteten, hat der Show bloß zusätzlichen Charme verliehen. Jemand, der noch nie im Leben eine Fernsehserie gesehen hat, hätte vermutlich bessere Polizeiarbeit geleistet als das Personal in "The Following".

Toll auch, wie unglaubwürdig das angebliche Charisma und die Führungsqualitäten von Geisteswunder Caroll behauptet wurden. Selbstvergessen wurden da Sinnsprüche von Carolls Lieblingsautor und Ideologiespender Edgar Allan Poe durch die Gegend zitiert, gerade so als würde man hier nicht bloß die Luft mit Worten wärmen, sondern die Weltformel definieren. Cop Ryan Hardy zeigte sich begeisterungsfähig für derlei tiefgründigen literarischen Zinnober: "Nevermore! The Raven! Poe is symbolizing the finality of death!"

Vor kurzem ist Staffel zwei von "The Following" angelaufen, die Show bleibt ihrem Erfolgsrezept treu. Hardy ist jetzt eben bloß ohne Alkohol kaputt. Innerlich zermürbt, weil seine große Liebe durch Carolls Schergen und auch ein wenig durch seine eigene Schuld den Tod gefunden hat. Am Ende von Staffel 1 hat Caroll in den Flammen (für Poe-Spezialisten: nahe eines Leuchtturms) das Zeitliche gesegnet – oder doch nicht? Seine Leiche wurde nie gefunden, und man muss sich nur ganz kurz am Kinn kratzen, wenn man nun erfährt, dass der Bösewicht noch am Leben ist. Mit Vollbart, Trucker-Cap, Karohemd und nur mäßig authentischem Dialekt hat er sich in der tiefsten Provinz von Arkansas versteckt. Cooler Dialog der Rückkehr:"Have you been doing a lot of writing lately?" – "I was in (angeekelt) Arkansas".

The Following

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The Following

Mittlerweile hat sich in Carolls Abwesenheit ein neuer Kult formiert. Groupies und frische Verehrerinnen und Verehrer, denen der Meister wieder aberwitzige Weisheiten über das Morden mitgeben kann - bislang leider ohne großmeinendes literarisches Unterfutter. Dafür haben Polizei und FBI dazugelernt und folgen – auch wenn sie nach wie vor die Verdächtigsten unter den Verdächtigen hundert Meter gegen den Wind nicht ausmachen können – sinnvolleren und diesmal schon auch mit Spannung gesäumten Wegen.

The Following ist eine Show, die besser ist als ihr Ruf. Die gerade auch aus ihrer Formelhaftigkeit Reiz gewinnt, vor allem natürlich durch das ewige Duell der beiden holzschnitthaften Hauptfiguren. Sie können nicht ohne einander: Caroll, nach einem Schusswechsel, gönnerhaft lächelnd, zu Hardy: "You can’t kill me, Ryan. If I die, you die." Gerangel, Gesteche, Blut, Geschrei. Stöhnend erwacht Hardy in seinem eigenen Bett. Es war nur ein Traum!