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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

24. 2. 2014 - 20:10

Mystery nach Schablone, Sex, Familie

Ein Blick auf fünf neue Pilot-Folgen, aus denen ganze Serien werden könnten. Einige vielversprechend, eine atemberaubend.

Amazon Instant setzt weiterhin auf das System der Zuschauerbefragung: Schon 2013 hat der Streaming-Service zeitgleich mehrere selbstproduzierte Piloten zur offiziellen Bewertung durch Publikum im Netz online gestellt. Nach einigen Wochen des Kommentierens, Sichtens und Diskutierens fiel die Entscheidung, die beiden - mal mehr, mal weniger unterhaltsamen, sicherlich aber nicht bahnbrechenden - Comedy-Shows "Alpha House" und "Betas" regulär in Serie zu schicken.

Vor kurzem sind zehn neue Piloten, die via Amazon von überall aus, legal, ohne Konto, Anmeldung oder sonstigen Firlefanz gestreamt werden können, als Testballons online gelandet. Fünf Shows für Kinder, zwei Dramas, drei Comedys. Hier ein kleiner Überblick über das Erwachsenen-Programm: Einen immerhin kurzen Besuch ist jede der fünf Shows wert, zwei bis drei davon vielleicht gar einen mit Herzblut abgegebenen Kommentar, um die favorisierte Serie längerfristige Wahrheit werden zu lassen.

Bosch

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Bosch

Basierend auf der immens erfolgreichen "Bosch"-Bücherreihe von Autor Michael Connelly spielt Titus Welliver, bekannt aus "Deadwood" und vor allem als "Man in Black" aus "Lost", den schwermütigen, gleichzeitig aber schon auch ziemlich raubeinigen Homicide-Cop Hieronymus "Harry" Bosch. Ein harter Knochen, der immer recht traurig aus der Wäsche schaut, dieser Hieronymos Bosch - ja, die Figur heißt tatsächlich so, sollte die Show in Serie gehen, darf man eventuell auf opulente Bilderwelten mit gar grauslichen Details hoffen. Bislang wird "Bosch" von einer traditionellen Hard-Boiled- und Noir-Ästhetik geprägt: Wir befinden uns in einem finsteren Los Angeles, in dem es ziemlich zuverlässig aus großen Bottichen regnet. Man raucht, im Hintergrund läuft Jazz-Musik, die nach Sex und Mysterium klingen will.

In der Pilot-Episode wird nichts unternommen, das "Bosch" besonders machen würde. Harry Bosch ist einem, wie es scheint, Serienkiller auf der Spur, gleichzeitig hat er selbst Probleme mit der Justiz: Im Einsatz hat er unter noch nicht näher geklärten Umständen einen Mann erschossen. So weit, so solide, durchaus spannend, mitunter langatmig. Nervenaufreibende Verwicklungen und - schon vage angedeutete - interessante Figuren-Entwicklungen könnte man sich in Folge für "Bosch" vorstellen.

The After

Komplett nach Zahlen wird in der neuen Mystery/Sci-Fi-Show von Chris Carter ("The X-Files") gemalt: Ein, man ahnt es nicht, unerklärlicher Zwischenfall, der die Stromversorgung kappt, ganze Großstädte lahm legt und so für allgemeine Panik, Unfälle, Explosionen und Chaos sorgt, würfelt einen höchst heterogenen Haufen von Menschen aus allen Walks of Life zu einem Team wider Willen zusammen.

The After

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Es muss hier sanft gespoilert werden: All diese Menschen, die sich noch nie im Leben zuvor begegnet sind - eine Polizistin, ein Clown, ein des Mordes verdächtigter Sträfling auf der Flucht, eine französische Schauspielerin, eine Escort-Lady, eine reiche, alte Dame und noch einige mehr - haben allesamt am selben Tag Geburtstag! Selten wurde ein vermeintlicher Schockmoment so vorhersehbar und nutzlos inszeniert. "The After" - eine Mischung aus "Lost", "FlashForward", "Revolution" und ähnlichem Endzeit-Getöse. Zugegeben: Der Macht des Cliffhangers ist bei derlei Serien jedoch meist schwer zu widerstehen.

The Rebels

The Rebels

The Rebels

Eine kleine, formelhafte Comedy mit denkbar abgegrastem Sujet: Der Besitzer eines mehr schlecht als okay laufenden kalifornischen Football-Teams stirbt unerwartet - ein Umstand, der die hinterbliebene Jung-Witwe zum Missfallen der sportlichen Männerwelt in die Führungsposition befördert. Der Knaller: Die Frau hat gar keine Ahnung von Sport. Es gibt einen abgehalftertern Quarterback, der in der Mannschaft der "Rebels" seine letzte Chance sieht, Spieler mit Superstar-Komplexen und Drogen-Problemen, einen Affen auf Kokain und mit Revolver im Anschlag.

Der einstige Assistent, der zwar hinsichtlich Knowledge mit allen Wassern gewaschen ist, in seiner Gutherzigkeit und seinem Idealismus jedoch nicht gar so toll mit den unangenehmen Aspekten des Business klarkommt, wird unverhofft zum Manager der Mannschaft. "The Rebels" ist im besten Sinne albern, ein bisschen zotig, plump - und lustiger als man meinen möchte; die Schauspieler, allen voran die wunderbare Natalie Zea ("The Following", "Justified"), machen das Beste aus der Situation. Eine Show, die vom Wesen her kaum eine Revolution anzetteln möchte, aber das Potenzial hat, ein feiner Snack für zwischendurch zu werden.

Mozart in the Jungle

Die Tagline verrät es: "Sex, Drugs and Classical Music". Ebenso könnte "Mozart in the Jungle" vielleicht unter dem Slogan ' "Girls" im Orchestergraben' laufen. Setting und Thema, nämlich das ausschweifende Leben der jungen New Yorker Klassik-Szene, Partys, Liebe, Jobturbulenzen, klingen zwar vielversprechend, leider bleibt die Tatsache, dass die Erschaffer der Show die verlässlichen Jason Schwartzman und Roman Coppola sind, fast schon – trotz toller Cast - das einzig Interessante an dem seltsam orientierungslosen und recht unlustigen Piloten.

Mozart in the Jungler

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Bisweilen erreicht der Humor von "Mozart in the Jungle" Stammtisch-Niveau: Wenn beispielsweise die Parallelen zwischen den Fähigkeiten der Musiker im Bett und ihrem jeweiligen Instrument belabert werden: Der Paukenspieler, jaja, höhö, und erst die Pianisten natürlich, was die so drauf haben etc. Auch werden in den Momenten, in denen jemand irgendwo hineinbläst, Anspielungen bezüglich Oralsex nicht ausgelassen. Immerhin bieten die Hahnenkämpfe zwischen dem scheidenden, alten Maestro Malcom McDowell und dem nachfolgenden jungen, wilden Sexgott mit Mozart-Frisur "Rodrigo" (Gael García Bernal), quasi dem David Garrett des Dirigentenmilieus, amüsante Reibung.

Transparent

Das Beste, mit großem Abstand, zum Schluss: Erfinderin, Autorin und Regisseurin Jill Soloway, unter anderem wichtige Schreiberin, später Co-Executive Producer im Team hinter "Six Feet Under", setzt auch in ihrer ersten komplett eigenen Show das Überthema "Familie" in den Fokus.

Der zärtliche Gigant Jeffrey Tambor ist hier abermals Familienoberhaupt, diesmal in seiner Rolle jedoch eher das Gegenteil des ebenfalls von ihm dargestellten spitzbübischen Halunken George Bluth Sr. in "Arrested Development": In "Transparent" ist Tambor ein - bis jetzt noch - leise agierender Mann, der zu lange schon ein Geheimnis vor seinen drei erwachsenen Kindern bewahrt hat. Beim gemeinsamen Essen will er sich ihnen öffnen - es ist aber eben alles nicht so einfach.

Vor allem, wenn die Kinder zuvorderst mit sich selbst beschäftigt sind. Mit Mitte Dreißig, Anfang Vierzig driftet Tambors Nachwuchs - das Zwillingspärchen Josh und Ali, sowie Sarah, die sich zunehmend bloß noch durch die Rolle "Ehefrau und Mutter" festgelegt sieht - auf die eine oder andere Weise vom Leben gefrustet, desillusioniert und sich leer vorkommend durch ein müde funkelndes Los Angeles.

Transparent

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"Comedy" ist als Zuschreibung für "Transparent" bislang unzureichend. Vielmehr erfahren und spüren wir hier die optimistische Melancholie einer Show wie "Enlightened", das Bindeglied zwischen unnervigem Mumblecore und den stillen Momenten eines Films von Wes Anderson minus Puppenstuben-Charme oder so genannte Indie-Comedy-Quirkiness, die die Quirkiness ausnahmsweise einmal nicht überspannt. Sogar ohne Ukulele.

Stattdessen gibt’s hier bezaubernden 70s-Singersongwriter-Folk, großartige Darsteller oder, in einer Nebenrolle, eine fiktive, betont hipster-ish doof daherkommende Band mit dem passend doofen Namen "Glitterish" zu erleben. Das alles ist ganz fantastisch. "Transparent" möge bitte in Serie gehen. Instant addiction.