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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

23. 2. 2014 - 16:32

Früher waren wir besser

Der Song zum Sonntag: Arthur Beatrice - "Fairlawn".

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Oh, goldene Jugend! Wo bist du nur hin? Wenn wir alt und mürbe geworden sind, werden wir reich und einsam in unseren Anwesen hocken und der großen vergebenen Chance nachheulen. Die sehnsuchtsvolle Hinwendung zu vergangenen Glücksmomenten und verflossenen Abenteuern ist eine der feinsten Möglichkeiten zum Zeitvertreib. Arthur Beatrice aus London geben sich dieser gleichermaßen Trost wie Trauer spendenden Zerstreuung jetzt schon hin - und das, obwohl sie doch noch so jung sind.

Gerade mal über zwanzig Jahre alt und schon mit schwerem Blut und wirren Gedanken im Schädel über den vorgestern verschütteten Rotwein weinen. In kargem Arrangement singt das englische Quartett in seinem Stück "Fairlawn" über den Glanz der Vergangenheit: "The Glow That’s Gone" wird herbeiimaginiert, sich erinnert, dass "we once lived here". Natürlich wissen wir, dass die Nostalgie in allen Lebenslagen und -phasen ein geeignetes süßes Gift ist, um den Geist wohlig zu färben, auch schon als 14-Jähriger kann man sich prächtig auf die Suche nach der verlorenen Zeit begeben.

Arthur Beatrice

Arthur Beatrice

Arthur Beatrice

Dieser Tage erscheint das, es soll hier gleich einmal verraten werden, von vorne bis hinten, ja, bezaubernde und wundersam in den Schlaf summende Debütalbum von Arthur Beatrice - benannt hat sich die Band nach der vor allem aus dem Comedy-Dauerbrenner "Golden Girls" bekannten Schauspielerin Beatrice Arthur. Ein Name, der mit seiner schrillen Assoziationskraft so gar nicht zur leise vor sich hinplätschernden Melancholia der Band passen will. Passt nicht so recht, passt also umso besser.

Routiniert und zu Recht werden Arthur Beatrice immer wieder mit anderen großartigen, dem Minimalismus zusprechenden Sauertöpfen wie The xx oder James Blake verglichen; ähnlich wie diese entwerfen Arthur Beatrice aus kleinen Teilen und weiten, menschenleer scheinenden Räumen großen Schwermut, dargereicht in schlanken Popsongs. Bei Arthur Beatrice ist jedoch, anders als bei den Genannten, kein Background auf dem elektronisch betriebenen Dancefloor oder eine allzu große Verpflichtung gegenüber Clubkultur im Allgemeinen zu vermerken. Die Ausgangsmaterialien sind hier zerbrechlicher Kammerpop, moody Postpunk minus Aggressions-Potential und R’n’B ohne Glitzer.

Unter all den herrlichen Songs - Songs, die nicht selten durch die sich tastend umspielenden Zwiegesänge von Keyboarderin Ella Girardot und Gitarristen Orlando Sheppard besonders glühen - auf dem "Working Out" betitelten Debütalbum von Arthur Beatrice ist das Stück "Fairlawn" das symbolischste. "We Are Old For Our Age" heißt es hier weihevoll.

Altklug und auch auf stimulierende Weise ein bisschen arrogant wird hier der Umstand vertont, dass irgendetwas fehlt. Beziehungsweise man sich das mit großer Geste auch nur ein bisschen vorgaukeln mag. Wir wollen nicht weiterkommen, lieber schauen wir noch einmal nach, was vor ein paar Tagen besser war als heute. Wärmendes Stubenhocken und Rückzug in die Schwelgerei. Um den Fortschritt sollen sich andere kümmern.