Erstellt am: 21. 2. 2014 - 17:37 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 21-02-14.
Auch 2014, wie schon seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.
#hochkultur #medien
Es geht mich ja nichts an.
Was die hochsubventionierte Hochkultur so treibt, was die im verfilzten Geflecht zwischen Politik, Business und Kulturmanagement abgehangenen Selbstdarsteller anrichten, das kann mich nicht auch noch kümmern.
Eigentlich.
Durch eine Laune des Schicksals habe ich aber partiell-guten Einblick in eine Angelegenheit, die gerade die Schlagzeilen-Breite der Kulturseiten sprengt und zu einer gesellschaftspolitischen Affäre wird.
Deshalb also.
Außerdem schien es mir in den letzten Wochen, als würde Matthias Hartmann einfach so davonkommen, noch dazu mit dem Anser-Schmäh, indem er sich dort als Opfer stilisiert, wo er Verantwortung übernehmen müsste.
Denn die Mechanismen der Kulturberichterstattung spielten den Burgtheater-Direktor in die Karten: die zuletzt öffentlich gewordenen Finanz-Probleme seines Hauses konnte er auch mit medialer Hilfe leicht an seiner kaufmännischen Vize-Direktorin Silvia Stantejsky abladen. Die gab anfänglich die ideale Monika Rathgeber ab, ehe sie begann sich zu wehren.
Es ist ja seit jeher so, dass die Kulturressorts, vor allem die der Qualitätsmedien, darauf bestehen einen künstlerischen Anspruch zu vertreten, also zu rezensieren, zu begleiten, bestenfalls essayistisch vorzugehen, und sich keinesfalls (und wenn, dann nur im Kurzmeldungsformat) mit dem Geschäfts-Aspekt der Kunst zu beschäftigen.
Das ist ein Zugang, der angesichts des Zustands der meisten Künste absurd anmutet, wo doch die eine Hälfte (vor allem die Bildende) doch nur noch über einen blasenhaften Kunstmarkt funktioniert und die andere Hälfte (vor allem die Darstellende Kunst, vor allem im deutschsprachigen Raum) sich in die Hoch-Subventionsabhängigkeit begeben hat; es also überall nur noch ums Geschäft geht.
Deshalb wird alles was mit finanziellen Ungereimtheiten zu tun hat, ausgesourct, findet dann im Wirtschafts- oder Politik-Teil statt. Die Kulturredakteure des Landes fühlen sich durch eine Beschäftigung mit diesem immer bedeutender werdenden Aspekt ihres Berichterstattungs-Feldes irgendwie beschmutzt.
Was auch damit zu tun hat, dass Hartmann vor großen Interviews, Presse-Konferenzen und anderen öffentlichen Auftritten seine Dramaturgen wochenlang mit der Ausarbeitung von Listen von möglichen Fragen und den bestmöglichen Antworten ausarbeiten lässt. Um dann erst recht partiell zu extemporieren.
In diesem Umfeld kam Hartmann mit seiner genau gleich gearteten Ausreden-Arie blendend durch. Wochenlang wurde nur seine Position wiedergegeben. Weder die Billeteur-Affäre, noch der Widerstand des Ensembles, das im Wissen um die Praxis (der Direktor schafft an, die Finanz-Zuständigen hüpfen nach) das Übernehmen seiner Mitverantwortung einfordert, konnten der Berichterstattung der Kulturressort in allen Medien einen anderen Dreh verleihen, als den, den der begabte Klartextredner Hartmann vorzugeben verstand. Von so einem Klasse-Typen liess man sich scheinbar gerne am Nasenring durch die Manege ziehen.
Glücklicherweise änderte sich das durch einen Bericht des Nachrichten-Magazins Profil. Dort wird vor allem eine freihändige Aussage Hartmanns entgegnet, die zuvor, als lässig hingeworfener Nebensatz unüberprüft weitergegeben wurde und dem Direktor eine Art Heiligenstatus verleihen sollte: dass er nämlich sowohl in Bochum als dann auch in Zürich die dort von ihm geleiteten Theater aus den roten in die schwarzen Zahlen geführt hätte. Hartmann also nicht nur als grandioser Künstler, sondern auch als Finanzgenie.
Damit war wohl eine Grenze überschritten.
Nach dem Dementi aus Bochum wehrte sich jetzt eben auch Zürich, unter Vorlage aller Zahlen, mit frostigem Unterton.
Der hat zwei Gründe.
Zum einen halt Hartmann in Zürich, einer Stadt, in der das erste Haus am Platz als schön, aber (im Gegensatz etwa zur gesellschaftlich unendlich viel bedeutenderen Oper) als nicht gar so wichtig angesehen wird, einen Ruf als Geldausgeber, dem man etwa mitten in seiner Amtszeit einen neuen kaufmännischen Direktor, den als Sanierer bekannten Ulrich Klötzner vor die Nase setzen musste.
Da wäre etwa die August Diehl-Episode: Als Peter Zadek den zu dieser Zeit bei Tarantinos "Inglourious Basterds" Beschäftigten für seine Produktion von Shaws "Major Barbara" wollte, gab Diehl eine grotesk überhöhte Gagenforderung ab, die von der kaufmännischen Direktion mit der Begründung verweigert wurde, dass man dafür eine ganze eigene Produktion finanzieren könnte. Hartmann engagierte Diehl trotzdem.
Zu viel war davor passiert.
Zum zweiten hatte Hartmann nach seiner inhaltlich durchschnittlich rezipierten Zürcher Zeit nachgetreten, was ihm in der Schweiz und auch in Deutschland übel genommen wurde - Kleinkriege um Nepotismus (seine Schwester und sein Schwager leiten auch in Wien die "Junge Burg") und illegal beschäftige Putzfrauen inklusive.
Kein Wunder also, dass das Schweizer Feuilleton auch die aktuelle Krise kritisch sieht und mit den "Wir haben's ja gewusst!" Unterton berichtet. Kritisch und umfassend und ohne allzu viele sowieso subjektiven Stellungnahmen von Betroffenen, so wie das auch in Österreichs Medien wünschenswert gewesen wäre.
Hartmanns selbstinszeniertes Sanierer-Image ist also perdu. Sein Selbstbild als toller Intendant und klasser Regisseur existiert weiter - auch weil sich zb nicht einmal alternative Medien wie der Falter trauen, mehr als nur Andeutungen über die zahllosen Episoden, die beides zum Einsturz bringen könnten, zu reportieren.
Wäre Hartmann nicht Kultur-Manager mit Künstler-Anspruch, sondern Politiker, würde ihn die Journaille mit dem Wissen, das sie um seinen Führungsstil und seine künstlerischen Qualitäten hat, wahrscheinlich zerfetzen - der falsche Kulturjournalisten-Kodex, der immer noch einen patriarchalen Zugang zu Kunstproduktion pflegt und mehr Wert auf gute Kontakte als auf die Verpflichtung Problemfelder anzusprechen legt, beschützt ihn aber - zumindest in Wien - aber vor jeglicher Behelligung.
Kritische Distanz, eine der Hauptanforderungen an jeden Journalismus, ist im Rahmen einer Klüngelei eben nicht oder nur im Einzelfall möglich.
Wie gesagt, mich geht's nix an - diese Welt ist weit entfernt; und im konkreten Fall kann man auch gar nicht von einer typisch österreichischen Geschichte sprechen.
Ich fürchte aber, dass die mediale Behandlung, die Burgtheater-Direktor Hartmann zuteil wird, das eklatante Gegenteil all dessen ist, dem sich alle anderen Berufsgruppen gegenübersehen. Vielleicht mit Ausnahme des im Mainstream auch kritiklos davonkommenden Putin-Haberers Karl Schranz.
Wahrscheinlich ist es dieser absurde Gegensatz, der mich so in die Sache reinzieht: dass dieselben Medien, die alle anderen, egal ob Politiker, Sportler oder Society-Depp, wegen jedes halbwegs lauten Pupsers wundschießen würden, einen im Stil eines Gutsherren agierenden Kulturmanager so problemlos davonkommen lassen; und in ihrer Mehrheit gar nicht dran denken, seine Aussagen auch nur ansatzweise einer Prüfung zu unterziehen.
Es sind blinden Flecken wie diese, die sich (ein noch dazu der Kultur verpflichteter) ganzer Berufstand nicht leisten kann, wenn er weiter den Anspruch auf gesellschaftliche Achtung aufrechterhalten will.