Erstellt am: 20. 2. 2014 - 23:30 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 20-02-14.
Auch 2014, wie schon seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.
Der Weltpokasiegerbesieger auf dem Weg nach Europa
#fußballjournal14
Bei Red Bull Salzburg muss man vorsichtig sein; immer den Vorbehalt betonen.
Das hat mit der grotesken Fußball-Historie, die diese an sich geniale Marketing-Maschinerie verbockt hat, zu tun. Für keinen anderen Sport, ja für keine andere Angelegenheit (vielleicht außer dem korrekten Umgang mit den Medien) hat die österreichische Weltmarke ein schlechteres Händchen; ist auch kein Wunder - das Handling erfordert höchste soziale Intelligenz, Basisbeteiligung, Empathie für kollektives Denken und weiche, subtil abgestimmte, auf die Gefühligkeit des Umfeld achtende Entscheidungen, also allesamt Eigenschaften, die dem klassischen Business-Erfolg eher im Weg stehen.
Normalerweise genügt ein patscherter, vielleicht nur nebenbei geäußerter Fehlgriff, um alles, was innerhalb dieses fragilen Systems aufgebaut wurde, wieder zu zerstören. Die langsam greifenden Erfolge der Ära Moniz wurden etwa der Nibelungentreue zu einem Doping-Arzt geopfert.
Und es ist dem von Frank Stronach in vielem nicht besonders weit entfernten Patron bei Red Bull auch jetzt zuzutrauen, dass er, wie das unbedachte Kleinkind im Kinderzimmer, sein Spielzeug versehentlich kaputtmacht.
Andere Österreicher im dieswöchigen CL/EL-Einsatz:
David Alaba, der für Bayern ja einen Elfer an die Außenstange setzte (bezeichnend, dass er dort diese Veranwortung übernehmen darf).
Die Legionäre in der am Rande des Bürgerkriegs stehenden Ukraine: Aleksandar Dragovic verlor für Kiev auf Zypern, Markus Berger remisierte in Odessa.
Martin Pusic verlor mit Esbjerg zwar daheim gegen die Fiorentina, schoß aber ein Tor. Das gelang auch Ex-Austrianer Dare Vrsic für Maribor.
Auf der Ersatzbank saßen: Gspurning (PAOK) und Janko (Trabzon).
Wenn dieser Vorbehalt in den nächsten Wochen und Monaten nicht greift, dann ist der FC Salzburg, die Red Bull-Mannschaft, endlich auf dem Weg nach Europa.
Diesmal wirklich.
Und, bei Hysterie-Zügelung, sublimen Ausbau und der Vermeidung von unnötigen Shiftings, auch nachhaltig. Mit Option auf noch mehr.
Dabei ist das, was - nach der hervorragenden Herbstsaison 13 - sich 2014 bislang offenbart hat, schon der nackte Wahnsinn. Die Mannschaft demoliert die nationale Konkurrenz (3 Spiele und Siege, mit 15 zu 2 Toren, also 5 Knödeln pro Spiel), bestrafte in seinem sehr seriös geführten Test das befreundete Bayern München und seinen Trainergott Guardiola für die versuchsweise Verwendung einer Dreier-Abwehr mit zubeißender Härte und demoliert heute den holländischen Meister Ajax daheim in der Amsterdam-Arena innerhalb einer guten halben Stunde.
Das ist kein Zufall, sondern erfolgt mit einem in den letzten Monaten gefestigten Team, einem selbstsicheren System, einer von einem surreal scharfen Pressing geprägten Philosophie.
Dass Salzburg nach der 0:3-Führung seine Überlegenheit ausspielte wie gestern Bayern gegen Arsenal oder Barcelona gegen jeden Gegner, also ein Powerplay-Spiel aufzog, das keinerlei Gegenwehr zuließ, zeugt von hoher Kunst in höchstem Tempo.
Dass die offensive Four im 4-2-4 von Roger Schmidt vielleicht nicht über den Sommer hinaus zu halten sein werden, sollte niemanden übermäßig verunsichern. Zwar sind Soriano und Alan, vor allem aber Kampl und Mane große Einzelartisten, es ist aber das mit den Defensive verschweißte Mannschaftsspiel, das ihren Erfolg mitausmacht - weshalb ihre Positionen auch von anderen ausfüllbar sein werden. Und für diese Nachbestückung reicht die Red Bull-Kriegskasse auch ohne Verkäufe aus.
Es sind auch die Österreicher in diesem von Andre Ramalho angeführten Back-Up, die bestechen: der immer ruppiger werdende Hinteregger, Leftback Ulmer und Mittelfeld-Kurbler Leitgeb. Vor allem ist es aber Stefan Ilsanker, der Taktgeber und Hebelumleger, der nächste Nationalspieler der Salzburger.
Nimmt man die Arbeit, die im Farmteam in Liefering geleistet wird (dort startet man in der nächsten Woche in die neue Meisterschaft) und bedenkt man, wer aller noch sonstwo geparkt ist (mit dem Nachbarn Grödig ist man in entsprechenden Kooperations-Verhandlungen; obwohl das die heimische Meisterschaft total verzerren würde), dann ist in genau einem Jahr ein Champions-League-Achtelfinale durchaus greifbar.
Was Rasenballer und Einstürzler noch verbocken können
#fußballjournal14
Das Red Bull-Engagement in Deutschland steht aktuell unter keinem so guten Stern. Nicht sportlich - da ist der Aufstieg in die 2. Bundesliga unaufhaltsam. Die Probleme liegen in den Strukturen: die deutsche Bundesliga verhindert mit ihren Statuten nicht per se Firmenteams, aber Oligarchen-Spielereien. Die aktuellen Geplänkel zeigen, dass die Red Bull-Führung diese Probleme nicht ernst genug nimmt, mit einer Schmäh-Lösung davonkommen will und alles tut um die eingangs erwähnte Tradition der Verbockungen (Stichwort: Vorbehalt; Die Fuschler als Pfuscher) fortzusetzen.
Scheitert das Projekt Red Bull/Rasenball Leipzig am grünen Tisch, kann sich das auch auf RB Salzburg fatal auswirken, zu kartenhausmäßigen Einstürzen führen.
Die aktuell größere Krise wird derzeit aber in der Salzburger Provinz provoziert. Da tat sich, in der Winterpause, rund um die Bundesliga-Krise durch den Abgang von Vorstand Georg Pangl, der Juniorchef des patriarchisch geführten Kleinklubs SV Grödig, Christian Haas mit der wenig dezenten Ansage hervor, dass er die - im Lizenzierungsverfahren vorgeschriebene - Infrastrukturverbesserung seines keinesfalls für erstklassigen Fußball tauglichen Klein-Platzes (für den Begriff Stadion reicht es echt nicht) so lange hintanstellen werde, bis er finanzielle Unterstützung von Gemeinde, Land und oder Bund erhalten würde. Zitat: "dann wünsche ich der Bundesliga viel Glück, weil dann spielen nur noch fünf in der Liga mit."
Die Liga reagierte auf diesen schamlosen Versuch das Umfeld zu erpressen mit weiteren angekündigten Verschärfungen - da die aber erst in Jahren in Kraft treten, blieb der Papiertiger wie üblich zahnlos.
Am letzten Spieltag brach nun eine der durch die vielen Provisorien erlaubte Zusatz-Tribüne zusammen - mittlerweile untersucht die Staatsanwaltschaft. Und Herr Haas ist sehr sehr klein, auch mit Hut.
Die Liga sieht sich nicht nur einer Untersuchung gegenüber, sie erhält auch Anzeigen, die ein deutliches Signal, sprich eine sportliche Bestrafung von Grödig (Missachtung der Lizenzierungsbestimmungen) fordern.
In der hier verlinkten Reaktion der Bundesliga auf diese Anwürfe liegt die ganze Tragik des heimischen Fußballs: Verbände und Liga haben sich durch ihre laxen Bestimmungen den Vereinen ausgeliefert, die diese unterlaufen, mit Hilfe von politischen Unterstützern aushöhlen und in Liga-Belangen nach Gutdünken vorgehen; ganz nach der Kartnig-Methode, also dem Oligarchie1.0-Schmäh.
Der Tanz auf der Nase der gutgemeinten Liga-Strukturen wird nicht nur zu Tribüneneinstürzen, sondern in weiterer Folge zu einer Zwei-Klassengesellschaft führen, die schon bald wirklich zur erwähnten Fünfer-Liga führen kann. Die infrastrukturell unterausgestatteten Dorf-Vereine, die sich noch dazu als Filialen an die wenigen Big Player andienen (wie eben Haas' Grödig, hinter dessen Kooperations-Ambitionen in Richtung Red Bull mehr steht als nur das rein Sportliche), werden nämlich nach ein paar Saisonen wieder in der Unterklassigkeit verschwinden. Oder im Fall von Grödig mit Liefering fusionieren und zu RB Salzburg II werden.
Wäre vielleicht sogar die beste Lösung.