Erstellt am: 17. 2. 2014 - 10:27 Uhr
No Fuzz No More
- wearedumdumgirls.com. Mehr zum neuen Album am Mittwoch, 19. Februar 2014 ab 19 Uhr in der FM4-Homebase.
Man könnte direkt eifersüchtig werden. Anstatt mit meiner, in Falten gelegten (selbstverständlich Denker)Stirn vorlieb zu nehmen, hat sich Dee Dee Penny vor zwei Wochen für die noch tieferen Falten des Herrn David Letterman entschieden. Interview-Date geplatzt. Statt dessen kämpfte sich die Frontfrau der Dum Dum Girls vor einem Millionenpublikum im TV etwas verbissen durch den Vortrag der Single „Rimbaud Eyes“ aus dem neuen Album „Too True“. Dee Dee Penny nimmt ihre Musik verdammt ernst. Das konnte man dort wieder genau beobachten. Jede Sekunde ringt sie um Perfektion und Kontrolle. Zu viele Kritiker und Fans haben schon mit voreiligen Schlüssen Stunk gemacht oder die Dum Dum Girls aufgrund ihres Auftretens in Lack, Leder und Netzstrümpfen zu Rock’n’Roll-Beigaben am Rücksitz der Fanboy-Fantasie degradiert.
Sub Pop
Das war vor knapp vier Jahren auch schon so. Ich hatte Dee Dee – der Name hat übrigens weniger mit Iggy Pop oder The Vaselines zu tun, sondern mit ihrer Mutter, die im Mädchennamen so heißt – zum Interview getroffen. Die Plattenfirma arangierte ein hastiges 10-Minuten-Gespräch zwischen Tür und Angel der Webster Hall im East Village. Als wir über eine New-York-Referenz auf die Vivian Girls zu sprechen kamen und einige Gossip-Meldungen über Catfights und Backstage-Brawls zwischen den beiden Bands, rastete Dee Dee kurz aus. Sie bezeichnete die Gerüchte als „bullshit“ und „sexist“ und konnte nicht glauben, dass Frauenbands noch immer in direkte Konkurrenz zueinander gesetzt und dabei auf Äußerlichkeiten reduziert werden. „They ask who’s hotter? Fuck that!“
Christian Lehner
Genau. Fuck that. Immerhin sollte es sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass im Pop freimütig Ausgestelltes nicht unbedingt eine Entsprechung im realen Leben haben muss - außer man heißt mit Vornamen Courtney, Pete oder Lemmy. Die Band mit Neigung zur räudigen Rock’n’Roll-Ästhetik weiß zwar sicher, wie eine Bierflasche ohne Öffner aufzukriegen ist, das bedeutet aber nicht, dass man in der der Freizeit auf heißen Öfen greaser boys hinterherjagt und schmachtend den Schraubenschlüssel reicht.
Retro ist bei Dee Dee Penny die bestmögliche Form, Herzschmerz zu lindern und existentiell Dämonisches zu bändigen. Ein Wertekatalog ist es nicht. Dieses Liebhabertum der Vintage-Form äußerte sich in den ersten beiden Dum-Dum-Girls-Alben in einer wahren Hall- und Fuzzorgie. Angerufen wurden die Geister des staubigen Garagen-Rocks der sechziger Jahre, der Girl-Group-Harmonien eines Phil Spector und der melodieselige Punk der frühen CBGB-Ära. Für "Too True" hat die Band mit Firmensitz in LA nun die Soundkoordinaten in Richtung Klarheit und Transparenz verschoben.
Dee Dee Penny
Dee Dee, die in Interviews immer relativ offen über ihre Unsicherheiten als Musikerin gesprochen hat, stellt die Stimme selbstbewusster aus. Auch der Sound stellt sich nicht mehr in den Dienst der Verschleierung. "True Blue" funkelt, spiegelt und schimmert wie ein gefrorener Bergsee in der Wintersonne. Statt den Ronettes oder Ramones stehen nun Pop-Ikonen wie Debbie Harry, Pat Benetar oder die Bangles als Patentanten im Taufregister. Auch Siouxie Sioux und The Cure haben etwas Musenstaub gespendet. Dee Dee Penny macht in Interviews keinen Hehl aus diversen Inspirationsquellen. Das ist sehr anständig und demonstriert Geschichtsbewusstsein.
Einmal mehr überwachte Richard Gottehrer (Blondie, The Go Go’s) die Genese eines Dum-Dum-Girls-Marchwerks. Der Producer-Veteran stand schon für das Debüt "I Will Be" an den Reglern. Von vielen Kollegen geschmäht, gefällt mir persönlich der Song „Rimbaud Eyes“ besonders gut, dockt er doch direkt am Sound einer Kapelle an, die im zeitgenössischen Zitatendschungel eher selten Props erfährt: The Cult und ihr Bandanas-Goth-Rock der „She Sells Sanctury“-Phase.
Mit Blick auf die Genealogie der Dum Dum Girls scheint „Too True“ zwar eine logische Platte und die bevorzugte Farbe bleibt auch weiterhin Schwarz, doch der Wandel hin zur klaren Form dürfte dann doch einige Vintage- und Indie-Fans, die es gern etwas lärmig, zerfahren und mit starrem Blick auf die Schuhe haben , vergraulen. „Too True“ ist definitv ein Pop-Album as can be. Darunter fällt zwar so ziemlich alles, was derzeit aus dem globalen Hipsterville kommt – von Hain bis Banks - aber diese Platte löst tatsächlich ein, was an anderer Stelle bloß aus Hypemaschinen qualmt.