Erstellt am: 16. 2. 2014 - 14:12 Uhr
Brothers in Arms
- Alle Songs zum Sonntag auf FM4
- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Man soll nun die Hörerin und den Leser sicher nicht mit Strukturellem und Inside-Quatsch quälen, es muss aber an dieser Stelle dennoch ausnahmsweise einmal gesagt sein dürfen: Der hier regelmäßig verhandelte Song zum Sonntag wird allwöchentlich in meist freundschaftlicher Übereinkunft zwischen zwei Menschen ausgewählt. In 98 Prozent der Fälle wird da relativ mühelos ein Stück gefunden, das allen Beteiligten Freude bereitet, manchmal muss ein bisschen gezankt, gerangelt und gestochen werden. Manchmal gibt der eine nach, manchmal der andere auf. Zuviel Konsens ist ungesund. Es soll also einmal auch über Unschönes berichtet werden dürfen.
Kaiser Chiefs
Ende März wird unter dem Titel "Education, Education, Education & War" das fünfte Album der Kaiser Chiefs erscheinen. Hat sie irgendjemand vermisst? Vermutlich. Fast mag man es nicht glauben: Das Quintett aus Leeds hat Millionen von Platten verkauft. Sehr oft ist das Mittelmäßige Trumpf, der Weg des geringsten Widerstandes einer der erfolgreichsten. Immer schon haben die Kaiser Chiefs eine Kumpelhaftigkeit ausgestrahlt, eine biedersinnige Bierseligkeit, eine fast schon aggressive Belanglosigkeit.
Mit ihrem feisten Jungmännertum, überschwänglicher Laune und einer Musik zwischen aufgekratztem Pubrock, den aber wirklich schon allerletzten Echos von Postpunk, abgelauscht vom Hörensagen, und einer erdigen und bodenständig vorgelebten Britishness sind der Band auf ihrem ersten Album "Employment" im Jahr 2005 schon auch ein paar recht okaye Gassenhauer geglückt, da soll nichts verschleiert werden. Genauso markierte die Platte aber auch den Punkt, an dem das so genannte Postpunk-Revival sich endgültig im Ausfüllen einer alten Schablone genügte. Und eben nicht mehr versucht wurde, wie das ursprünglich einmal gedacht war, Punk und Gitarrenmusik im Allgemeinen in neue Richtungen weiterzudenken.
In der Gitarren-Klasse der frühen und mittleren Nuller-Jahre waren die Kaiser Chiefs die brav arbeitenden Handwerker mit solidem Händchen und verschmitztem Lächeln, neben dem schick-schnöseligen Artschool-Gehabe von Franz Ferdinand und dem prächtigen Risiko der Libertines, auch neben den frühen Alben von Bloc Party und Maximo Park wirkte das Quintett immer zahm und farblos. Da konnte auf der Bühne noch so artig gezappelt und in den Liedern ein "Riot" vorausgesagt werden - gefährlich war hier nichts. Sympathie bis zum Kotzen.
2012 hat Hauptsongwriter und Drummer (immerhin: eine seltene Kombination) Nick Hodgson die Band verlassen, an den Studioreglern ist bei "Education, Education, Education & War" überraschenderweise der gute Ben H. Allen III gesessen, den mal wohl eher für seine Arbeiten mit dem Animal Collective, Deerhunter oder Washed Out kennt. Sind nun eventuell neue Klang-Abenteuer von den Kaiser Chiefs zu erwarten? Die Vorabsingle "Coming Home" sagt: Nein.
Eine Power-Ballade, die einen konservativen Pathos, das Hymnenhafte und die Sehnsucht nach der brüderlichen Umarmung schon allzu zwanghaft in ihren Titel eingeschrieben hat. Sieben Bier, zu viel geraucht. Ein Lied über das Zu-Lange-Ausbleiben, die Euphorie, die innere Leere, die Freundschaft. Mit "Coming Home" wollen die Kaiser Chiefs wieder die allergrößten Stadien füllen, falls dieses Lied demnächst der offizielle Theme-Song der englischen Fußballnationalmannschaft werden sollte – man würde sich nur ganz kurz räuspern. Es sei ihnen gegönnt. Nächste Woche gibt’s dann wieder was Gutes, versprochen.