Erstellt am: 15. 2. 2014 - 13:42 Uhr
Mein Berlinale-Tag
Wer zur Berlinale-Zeit einen Job hat oder anderweitig beschäftig ist, der kann natürlich nicht ständig zum Potsdamer Platz rennen. Wer aber zumindest mal dort gewesen sein will, muss den Berlinale-Tag oder -Abend irgendwie dazwischen quetschen und sich das Programm für den kurzen Festivalbesuch nach ganz eigenen, zweckgebundenen Kriterien zusammenstellen. Eine alte Praxis mit eingebautem Zufallsgenerator, bei der man völlig überraschende Filme sehen, natürlich auch Pech haben kann. Dabeisein war dann alles. Aber es lohnt sich fast immer, denn kaum ist man am Potsdamer Platz angekommen, stellt es sich auch schon ein: Das Berlinale-Gefühl.
Der weiße Schminkkasten des Berlinale-Kosmetik-Sponsors thront wie ein Puppenhaus über der Kreuzung am Leipziger Platz, seltsame futuristische Autos des Berlinale-Transport-Sponsors stehen auf der Verkehrsinsel und folgt man dem Lichterglanz, der blinkenden Weihnachtsbeleuchtung und gliedert sich in den Strom der Menschen aus aller Herren und Damen Länder, die in fremden Zungen sprechen, ein, dann ist sie plötzlich wieder da: die fast kindliche Vorfreude und Aufregung, das Weihnachtgefühl im Februar.
Zu einem gelungenen Berlinale-Tag gehört natürlich eine Weltpremiere im Berlinale-Palast, und weil es terminlich günstig lag, traf es Aloft, den Wettbewerbsbeitrag der peruanischen Regisseurin Claudia Llosa, ihrerseits Nichte des Schriftstellers Mario Vargas Losa.
Bei dieser abendlichen Galavorstellung muss man dann auch als ganz normale Besucherin ganz herrschaftlich über den großzügig ausgelegten roten Teppich in das Frühlingsblütenmeer von Foyer schreiten – das absolute Desinteresse der Heerscharen lauernder Fotografen und Autogrammjäger holt einen aber schnell auf den Boden der Tatsachen zurück.
Im Kino angekommen wird dann auf der Leinwand übertragen, wie draußen die echten Stars ankommen. Man kennt zuerst keinen; nur ein wahnsinnig gut aussehender Schauspieler mit hypnotisierend blauen Augen fällt auf. In welchem Film hat man ihn nur schon gesehen? Spielt er nicht gerne so oberflächliche Dandys ohne Moral - oder verzogene amerikanische High-Society-Bürschel? Spätere Recherchen ergaben, dass es sich um Cillian Murphy handelte, der eher durch (nord-) irische Bürgerkriegs- und Geschlechterdramen bekannt wurde.
Berlinale
Der Film liefert schöne Aufnahmen von der kanadischen Schweinemast und vom Polarkreis, wird dann aber immer schlechter, es geht um Naturmystik und Schamanenquatsch, der gutaussehende Ire wurde als kanadisches Kind von seiner Mutter verlassen, sie wird Heilerin, er Falkner.
Allen Fraser / Cry Fly Manitoba Inc.
Trotz der herrlichen Aufnahmen vom ewigen Eis und äugenden Falken im Landeanflug wird es schnell langweilig und man freut sich auf den nächsten Film: 40 days of Silence, eine Arbeit der usbekischen Regisseurin Saodat Ismailova.
Berlinale
Berlinale
In der usbekisch-tadschickisch-niederländisch-französisch- deutschen Produktion hat die Protagonistin ein 40-tägiges Schweigegelübde abgelegt und beobachtet derweil die Struktur der abbröckelnden Hauswand und das Muster ihrer Tagesdecke, während ihre Tante fieberhaft SMS verschickt und die Großmutter Radio hört. Es geht irgendwie um vier Frauengenerationen und die Abwesenheit von Männern und vieles bleibt rätselhaft.
Als Abwechslung sollte auf diese eher schwere Kost ein luftiger, bunter indischer Film folgen, aber bei Ghasiram Kotwal handelte es sich dann doch nicht um eine Bollywood-Komödie, sondern um einen Film von 1977, der in digitaler Fassung wiederaufgeführt wurde.
Der Film basiert auf einem Theaterstück und beschreibt Entwicklung und Fall des Peshwa-Regimes in Westindien. Sicherlich ein spannendes Thema, aber die experimentelle Ästhetik und die Verschränkung von fiktionaler und dokumentarischer Theaterarbeit wirken dann im dritten Film des Abends und weit nach Mitternacht, recht ermüdend.
Aber so ist das eben manchmal auf der Berlinale – und schön war es doch.