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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

13. 2. 2014 - 15:08

Sport als Kriegsersatz

In Zeiten von Olympischen Spielen hat das das nationale "Wir" Hochsaison. Warum funktioniert das so gut?

Olympische Winterspiele. Zeit für die selbsternannte Skination Österreich, es den anderen auf der großen Weltbühne so richtig zu zeigen. "Wir" machen Medaillen, sitzen vereint und gespannt vor den Fernsehgeräten, drücken die Daumen.

Seriöse Medien als auch der Boulevard springen auf den Zug auf und jubeln "Hosp-Hosp-Hurra" oder twittern "Go-Landi-go". Woher kommt eigentlich das Wir, dass da die Medaillen macht und wären Sportgroßereignisse auch denkbar, ohne das Antreten von Nationen gegeneinander? Der Sporthistoriker Rudolf Müllner weiß darauf ein paar Antworten.

Nicole Hosp mit Olympiamedaille in einem Fahnenmeer

APA/HANS KLAUS TECHT

Nicole Hosp im Fahnenmeer

Warum funktioniert das massenmediale Wir im Sport so gut?

Rudolf Müllner: Der Sport hat sicher eine sehr große Inklusionskraft. Das stellt man selbst beim Sport-Treiben fest: Wenn man zu einem Team dazugehört, hat man ein körperlich spürbares Gefühl von Zugehörigkeit, wie man es sonst wahrscheinlich nicht so findet. Das ist eine große Kraft des Sports, die in der Praxis benutzt wird, aber auch auf der symbolisch-kulturellen Ebene. Zum Beispiel in den Medien, wenn so eine Gemeinschaft von ZuseherInnen geschaffen wird. Gleichzeitig hat der Sport natürlich eine große Abgrenzungskraft. Stichwort Nationalismus. Das heißt wenn ich ein soziales Wir konstruiere, "wir Österreicher als Skination", konstruiere ich natürlich sofort andere Nationen, die nicht so gut sind. Das ist auch ein Faszinosum des Sports, weil es eine ganz einfach Weltordnung gibt, wo sich jeder einklinken kann und sagen: Ich bin Teil von A oder von B oder das ist gut und das ist schlecht. Deswegen funktioniert Sport auch massenmedial so gut, weil es keine große Vorbildung oder intellektuelle Auseinandersetzung braucht, ich kann sofort emotional einsteigen.

Warum wird eigentlich Nationalismus beim Sport eher als harmlos oder akzeptabel gesehen, währenddessen er in der Politik nicht so harmlos gesehen wird. Wo ist da der Unterschied?

Viele Sportfunktionäre behaupten, der Sport sei ja nur eine stellvertretende Auseinandersetzung zwischen Nationen oder zwischen Gruppen. Das stimmt auch zum Teil. Das heißt diese Positivisten, wie ich sie nenne, behaupten, im Sport würde Konflikt auf einer Weltbühne dargestellt, idealerweise indem man sich an Regeln hält, wie zum Beispiel Sieg und Niederlage zu akzeptieren. Und das wäre dann wieder ein Vorbild für reale Auseinandersetzungen, in denen das nicht gelingt. Das heißt Sport funktioniert als eine Art Kriegsersatz. In Wirklichkeit sind diese Emotionen aber schon reale Emotionen. Es gibt ja auch immer wieder Übergriffe, zum Beispiel nach Fußballspielen. Das heißt es gibt schon auch gewalttätige Auseinandersetzungen im und um den Sport.

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Terje Håkonsen ist gegen Olympia

Aber was wäre die Alternative vom Antreten von Nationen gegeneinander? Wir hatten einen Snowboarder, Terje Håkonsen im Interview. Der hat erzählt, das prä-olympische Snowboarden, da wären Teams gegeneinander gefahren und nicht Nationen. Wie groß ist denn das Identifikationspotenzial bei Teams?

Bis 1956 sind übrigens nicht nur bei der Eröffnungsfeier sondern auch bei der Schlusszeremonie die AthletInnen nach Nationen geordnet einmarschiert. Das wurde bei den Spielen in Melbourne auf Vorschlag eines 17-jährigen Melbourners geändert, seitdem kommen sie bei der Schlussfeier durchmischt.

Im Prinzip hat diese Snowboarderkultur, bevor sie vereinnahmt worden ist von der Olympischen Bewegung und auch vom Österreichischen Skiverband, ansatzweise schon eine Alternative zu diesem nationalistischen Denken gehabt. Prinzipiell könnte man schon versuchen solche Kulturen weiter zu stärken, um diesen Nationalismus zu überwinden. Das ist ja wirklich ein Relikt des 19.- Jahrhunderts, auch wenn man sich diese Zeremonien wie den Einmarsch der AthletInnen anschaut, der ja schon etwas Anachronistisches, ja sogar ein wenig Lächerliches hat. Ich denke, hier wäre es eine Aufgabe des IOC aber auch der nationalen olympischen Komitees, diese überzogene Symbolik zu reduzieren, die Emotionen vielleicht ein bisschen herunterzufahren und ein bisschen mehr in Richtung globale Kultur zu gehen, ein bisschen mehr Lockerheit zu zeigen.

Besteht aber dann nicht die Gefahr, dass wie im Radsport oder in der Formel Eins, dann halt nicht Nation A gegen Nation B gegeneinander antritt, sondern Firma A gegen Firma B.

Das ist unaufhebbar. Der Sport ist per Definitionem ein Konkurrenzsystem, bei dem Gruppen oder Personen gegeneinander antreten. Wenn man das nicht will, was durchaus legitim ist, dann kann man sich auch bewegen. Aber dann betreibt man nicht Sport.