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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 2. 2014 - 12:41

The daily Blumenau. Thursday Edition, 13-02-14.

Über falsche Anpassung und falschverstandene Leistung; ein PS zum #PSC.

Auch 2014, wie schon seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.

#musik #protest #asylpolitik

Klar, man kann sagen dass letztlich alles ein glückliches Ende fand: im Vorjahr stellt die Protestsongcontest-Jury in ihrer Mehrheit Craftsmanship über empathisch-emphatischen Protest, der unter Lebensgefahr geboren wurde. Heuer stellen Jury und erstmals mitvotendes Publikum den Irrtum richtig und erheben den - mittlerweile musikalisch gereiften - Protest der verbliebenen Refugees (diesmal sind sie das Fight Rap Camp) zum Gewinner.
Endegut/allesgut - Schwamm/drüber?

Kann man so sehen.
Wenn man wie Bonustrack-Anruferin Iris auf den Weltenfluss vertraut und sich sicher ist, dass alles irgendwann zurückkommt.
Und wenn man - so wie drei Viertel Österreichs - das kompromissbereite picksiaße Happy End über den grausamen Weg stellt.

Ich bin geneigt das aus einer anderen Warte zu betrachten, nämlich unabhängig von den Eigendynamiken, die sich da angesichts eines Contests ergeben hatten und erst mit Verspätung austariert werden konnten.

Dann ist die quasi nachträgliche Anerkennung nämlich nichts als ganz böser und widerlicher kapitalistischer Zynismus.

Wie komme ich da drauf?
Checken wir die Faktenlage.
Die unter dem Medien- und Kampfnamen Refugees zusammen-geschlossene Gruppe von Asylwerbern (die nicht nur ihrer Meinung nach von der Republik Österreich zu Unrecht keinen Flüchtlingsstatus erhielten) befindet sich Anfang letzten Jahres inmitten einer politisch aufgeheizten Vorwahlstimmung in einer kritischen Situation: ihre Fluchtpunkte (aufsehenerregend: die Votivkirche) und ihre Unterstützer (Caritas) sehen sich zunehmend der Staatsgewalt, die durch eine bewusst harte Linie der Politik dazu ermächtigt wird, unterlegen. Hintergrund: die Regierung, vor allem die Innenminister-Partei ÖVP will mit dieser Anti-Ausländer-Linie der rechtspopulistischen FPÖ das Wasser abgraben; Regierungspartner SPÖ stützt diese Linie aus demselben Kalkül.

Die Refugees werden in dieser Mühle zerrieben.
Zum Höhepunkt der Proteste nimmt ein Teil der Gruppe am Protestsong-Contest teil. Mit Hilfe heimischer Unterstützerinnen bastelt man ein holpriges, musikalisch und textlich auslappendes, in seiner Intensität und Realness aber hochpackendes und zwischen Hoffen, Bangen, Appell und Vorwurf gefangenes Stück namens "We love Vienna" vor.
Auch und gerade im Bewusstsein der Nicht-Perfektheit dieses wie improvisiert wirkenden Agitations-Auftritts fegen die Refugees bei ihrem Auftritt alle Zweifel hinweg - nur um dann hinter einem sehr reifen, fein-ironischen Chanson an 2. Stelle zu landen.

Danach wurde die Gruppe zerrissen, in großen Teilen abgeschoben.

Ein Jahr später ist ein Teil der Gruppe (vor allem Frontmann Saladin) Teil des neuen Projekts Fight Rap Camp.
Im Gegensatz zum Jahr davor ist der Auftritt heuer in seiner Viersprachigkeit extrem gut arrangiert und die Gerichtssaal-Inszenierung unterstreicht die musikalischen Vorträge anstatt sie zu behindern. Der Agit-Prop entlädt sich innerhalb des Auftritts, und nicht wie im Vorjahr ins Publikum (samt direktem Retourkanal).

Das Fight Rap Camp ist ein echter Act, keine lose Ansammlung.

Damit kommen sie diesmal vergleichsweise flächendeckend an - beim Publikum und auch jenen Teilen der Jury, die (wieder) Musikhandwerk über Wucht/Wirkung stellen. Sie gewinnen.

Jetzt zu meiner These: sie gewinnen nicht, weil ihr Anliegen uns so wichtig war. Das war auch letztes Jahr der Fall, sogar deutlich stärker, deutlich merk- und spürbarer. Sie gewinnen, weil sie sich formal angepasst haben, klassischen Kriterien der Musikverwertungskette entsprechen. Sie gewinnen, weil sie Leistung erbracht haben.

Die Moral dahinter ist jene: Dass ein Großteil der Refugees-Akteure, die die Bühne noch vor einem Jahr geflutet hatten, nicht mehr in Österreich sein dürfen - ihr Pech. Und den Glücklichen, die es irgendwie durch die engen Maschen der heimischen Abschiebepolitik geschafft haben, begegnen wir mit einem Grundsatz der kapitalistischen Arbeitslogik: wer fleißig ist, wer Leistung bringt, der kommt zu etwas.

Das ist genauso zynisch wie die Karriere-Praxis bei der politischen Hauptvertreterin dieses wenig reflektierten Denkens, der ÖVP. Die propagiert zwar die Leistungsgesellschaft, besetzt aber ihre eigenen wichtigen Position komplett gegenläufig, nämlich nach Herkunft und Bundes-/Standes-Zugehörigkeit; nicht nach Kompetenz.

Wenn also die verbliebenen Refugees dem entsprechen, was wir uns unter Protest-Kultur vorstellen (einer musikalisch sauberen, dramaturgisch wohlinszenierten Performance) dann ist uns das etwas wert, weil wir uns im wohligen Gefühl sonnen, dass auch der irgendwie akzeptierte, also dann doch brave Ausländer/Asylant seine Aufenthaltsgenehmigung mit "Leistung" zurückbezahlt.
Im Vorjahr, mitten im angstbesetzten Kampf um eben jenes Asyl, war uns die Leistung zu minder, der Wille anständig und sauber zu performen, zu unterentwickelt.

Letztlich bedeutet die Tatsache den Refugees den PSC-Preis erst dann zuzusprechen, wenn sie sauber herausgeputzt, angepasst sind und unseren Vorstellungen entsprechen, dass wir sie erst dann akzeptieren können, wenn sie sich assimilieren.
Vorher geht nichts. Gespielter Gerichtssaal-Horror schlägt die echte aktuelle Gefühlslage. Die erarbeitete Leistung schlägt die Darstellung von symptomatischen Schicksalen.

Früher wären öffentliche Symbole wie Tiroler-Hiatl, Lederhose oder ein Heurigen-Besuch nötig gewesen, heute sind unsere moralischen Einbürgerungskriterien halt subtiler gesetzt.
Unmenschlich bleiben sie allemal.