Erstellt am: 12. 2. 2014 - 14:40 Uhr
EU-Drohnenprogramme werden ausgebaut
Das europäische Programm zum Einsatz unbemannter Flugzeuge wird weiter ausgebaut. Am Donnerstag unterzeichneten die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) und die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) ein entsprechendes Abkommenfür das Projekt DeSIRE II. In den beiden Jahren davor habe DeSIRE I den Einsatz von Drohnen im zivilen Luftraum im Zusammenspiel mit Satelliten "erfolgreich demonstriert" und habe alle "Anforderungen der Benutzer an maritime Überwachungsdienste erfüllt".
Heute veröffentlichte die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch einen umfangreichen Bericht über den bisherigen und derzeitigen Einsatz von Drohnen in Europa und die weiterführenden Pläne mit unbemannten Fluggeräten in und um die EU. Die betreffen auch mehrere österreichische Firmen, insbesonders die auf luftgestützte militärische Kommunikation spezialisierte steirische Scotty Group sowie die Wiener Neustädter Firma Diamond Industries, die an sich Sportflugzeuge baut (siehe weiter unten).
"Forschungsprogamme"
"Unsere Motivation für diese doch recht umfangreiche Untersuchung war der Umstand, dass es bis jetzt weder auf nationaler Ebene noch im EU-Parlament Diskussionen über den Einsatz von Drohnen auf breiter Ebene gegeben hat", sagte Dr. Ben Hayes von Statewatch am Dienstag zu ORF.at.
"Unserer Ansicht nach müsste die Zivilgesellschaft hier bestimmen, wo die roten Linien zu ziehen sind. Es ist vor allem höchste Zeit, dass sich Europa entscheidet, wofür Forschungsgelder ausgegeben werden", sagte Hayes und verwies auf die bisher angefallene Fördersumme von mehr als 330 Millionen Euro für Drohnenprojekte. Dabei handelt es sich natürlich um Steuergelder.
Die Förderung von Drohnenprogrammen wie das berüchtigte INDECT-Projekt zur automatisierten, drohnengestützten Videoüberwachung im urbanen Raum kommentierte der Wiener Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl so: "Die Rüstungs- und Überwachungsindustrie hält die Politiker hier in Geiselhaft.". Kreissl leitet das von der Kommission geförderte IRISS-Projekt zur Erforschung der Auswirkung von Überwachung auf die Gesellschaft.
Im Rahmen des FP7-Forschungsprogramms werden jährlich bedeutende Summen aus dem Forschungsbudget der Kommission für "Sicherheitsprojekte" ausgegeben. Schon aus den Projektbeschreibungen ist unschwer abzulesen, dass es dabei nicht um akademische Forschung geht. Von der Kommission werden vielmehr ganz konkrete Projekte der Rüstungsindustrie anstoßfinanziert, die für die Überwachung urbaner Räume und der EU-Außengrenzen gedacht sind.
"Vollendete Tatsachen"
Der primäre Zweck des neues DeSIRE-Projekts zum praktischen Einsatz von Drohnen diene wie sein Vorläufer dazu, "jedes Boot aus Nordafrika sofort zu erfassen", sagte Hayes dazu, das sei im Konzept von "Eurosur" zur "Sicherung des Mittelmeers" von 2008 so vorgesehen. Zudem sei die EU-Grenzsicherungsagentur Frontex in all diese Projekte federführend involviert und überdies liege bereits eine detaillierte Roadmap zur Integration unbemannter Flieger in den zivilen EU-Luftraum bis 2028 vor.
"Diese Projekte sind ja nicht jetzt vom Himmel gefallen, sondern wurden um 2001 herum gestartet", sagte Ben Hayes, "in den letzten Jahren sind sie dann eskaliert". Forschungsgelder würden dabei systematisch zweckentfremdet, um eine Anstoßfinanzierung für neue Projekte der europäischen Rüstungsindustrie zur Verfügung zu stellen. Die Beamten der Kommission hielten sich dabei stets bedeckt und betonten regelmäßig, dass noch keinerlei Entscheidungen getroffen worden seien. "Tatsächlich aber werden vollendete Tatsachen gesetzt", so Hayes weiter.
Aufklärer und Killer
Von der EU-Kommission geförderte "Forschungsprojekte" wie INDECT haben von 2008 bis 2012 57 Millionen Euro an EU-Steuergeldern verschlungen. Dazu kamen weitere 23 Millionen aus nationalen Töpfen zur Forschungsförderung.
In der vergangenen Woche hatte die britische BAE-Systems ein Video vom ersten Flug des unbemannten Jets Taranis veröffentlicht. Das nach dem keltischen Donnergott benannte Sytem ist, anders als alle bisherigen Drohnen, weder ein reiner Aufklärer noch vom sogenannten "Hunter/Killer"-Typ wie die berüchtigten "Reaper" und "Predator".
BAE Systems Inc
Auf das Konto dieser Waffengattung gehen die vielen toten Zivilisten in Pakistan, Somalia, Afghanistan und im Jemen, die Verantwortung dafür liegt bei den Militärs von CIA und NSA. Erstere sind für den operativen Einsatz der Drohnen verantwortlich, die NSA wiederum liefert die Vorgaben dafür und zwar in Form von "Identifiern", die aus der Überwachung der Mobilfunknetze in den genannten Ländern stammen.
Die vom Pentagon seit der Wiederwahl Barack Obamas neu vergebenen Aufträge im Bereich Rüstung zeigen eine klare Linie. Geld gibt es vor allem für Sensor- und Kommunikationstechnologien und die damit bestückten Drohnen.
Killerdrohne, luftkampftauglich
Obwohl offiziell über die Taranis-Drohne weitgehend Stillschweigen herrscht, so ist doch eindeutig zu sehen, für welche Missionen dieser unbemannte Jet im Stealth-Design dienen wird. Taranis ist eine schnelle, luftkampftaugliche Killerdrohne, Predator ("Raubtier") und Co sind dagegen lahme Enten, die auch für alte F-16-Jets leichte Beute sind. Diese aktuell operativen Drohnentypen können nur in Territorien ohne irgendeine Luftabwehr operieren und entsprechend wehrlose Ziele angreifen.
Alleine für den Protyp des Taranis wurden 223 Millionen Euro fällig. Eine ähnliche Summe hat das vergleichbare deutsch-spanische EADS-Projekt, der Barracuda-Jet, verschlungen, seit dem Crash des ersten Prototypen 2006 war kein weiterer Barracuda mehr offiziell in der Luft.
Hunderte Millionen an EU-Steuergeld
Als noch ärgeres Desaster stellte sich 2013 der für Deutschland bestimmte "Euro Hawk" heraus, der auf dem amerikanischen Fernaufklärer "Global Hawk" basiert. Der einzige Prototyp von insgesamt acht geplanten Fliegern erwies sich als völlige Fehlkonstruktion, die nur noch für ein Luftfahrtmuseum taugt. Die Kosten liegen auch hier weit über 300 Millionen. Dabei handelt es sich um nationale Steuergelder.
Die EU-Kommission pumpt davon unberührt ebenfalls hunderte Millionen an Steuergeldern in den Drohnensektor. 3,5 Millionen Euro an Forschungsgeldern wurden allein für das in jeder Hinsicht wohl absurdeste Projekt mit Namen "Aeroceptor" ausgegeben. Es handelt es sich um eine Helikopterdrohne, die "unkooperative Fahrzeuge" durch den Abwurf von Schlitzkrallen, Versprühen klebriger Flüssigkeiten oder elektrische Impulse zum Lahmlegen der Motorelektronik stoppen soll.
Am Aeroceptor-Projekt wirken Spanien, Frankreich, Polen, Österreich, Italien, die Türkei und Israel mit.
Einsatzzweck ist gegen "organisierte Kriminiltät", dazu gehört auch "Menschenschmuggel" und damit sind nichts anderes als die Boote mit Flüchtlingen aus Nordafrika im Mittelmeer gemeint. An AEROCEPTOR ist neben den Israel Aerospace Industries auch das österreichische AIT beteiligt.
Wiener Neustadt, Steiermark
Wie aus der Statewatch-Untersuchung weiters hervorgeht, waren auch zwei österreichische Firmen an DeSIRE beteiligt. Dabei handelt es sich um die steirische Scotty Group, die luftgestützte Kommunikationssysteme vor allem für militärische Zwecke anbietet. Die Basis dafür, nämlich der Flieger, kommt ebenfalls aus Österreich.
Dabei handelt es sich um ein modifiziertes zweimotoriges Sportflugzeug der Wiener Neustädter Firma Diamond Aircraft. Da es für zwei Piloten ausgelegt ist, konnten so die bisher "bestehenden EU-Gesetze umgangen werden, die den Einsatz unbemannter Flugzeuge im zivilen Luftraum verbieten", hieß es 2013 seitens der EU-Grenzschutzagentur Frontex, der umgebaute Diamond-Flieger ist nämlich vom Typ "OPA". Dieses gemütliche Akronym bezeichnet ein "optional pilotiertes Flugzeug", also eine Drohne mit einem Piloten an Bord, der notfalls eingreift.
Die derzeit gebräuchlichen Flugroutinen für Drohnen, wenn der Empfang von GPS-Signalen abreiße, nämlich entweder zu steigen oder zum letzten bekannten Punkt zurückzufliegen, seien im zivilen Luftverkehr unbekannt und daher inakzeptabel, sagte Airbuskapitän Peter Beer zu ORF.at
Warum OPA Diamond am Boden blieb
Letztlich kam es dann doch nicht zu einem Probeflug entlang der türkisch-griechischen Grenze. Während der Statewatch-Bericht dafür Probleme mit der Freigabe des Luftraums durch die griechische Regierung anführt, hat der Geschäftsführer der Scotty Group eine anders lautende Erklärung.
"Wir haben für die spezielle, benötigte Kamera, ein amerikanisches Produkt, nicht rechtzeitig eine Ausfuhrgenehmigung bekommen", sagte Kurt Kerschat zu ORF.at. Der US-Lieferant habe wegen vorangegangener Exporte Probleme mit den eigenen Kontrollbehörden bekommen, die zu einem zeitlich begrenzten Ausfuhrstopp geführt hätten, so Kerschat.