Erstellt am: 12. 2. 2014 - 16:00 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 12-02-14.
Auch 2014, wie schon seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.
Die Tuesday Edition, 11-02-14 des daily Blumenau ist in der Pipeline steckengeblieben - war noch nicht ausgereift genug, musste zurückgezogen werden, kommt aber noch. Stichwort Geschichtenerzählen, Journalismus, Stil als ungenützte Ressource etc.
Man spricht dort deutsch, auch viel Seltsameres als in der Oststeiermark oder dem Pinzgau - aber kulturell sind wir Millionen Meilen entfernt von der Schweiz und Südtirol; im einen Fall zumindest im medialen Umgang, im anderen was den Mut sich nicht von der Wirtschaft erpressen zu lassen, angeht.
#finanzwirtschaft #schuldensozialisierung
Apropos Hypo: da fällt mir die beiläufige Anmerkung des Kollegen Zikmund ein: dass sich nämlich die letzte Finanzministerin, so sehr man ihre Art kritisieren mag, heftigst gegen das nunmehr von ihrem Nachfolger präsentierte Modell gewehrt hatte - mit dem Hinweis es wäre die für den Steuerzahler schlechteste Lösung, wofür sie voriges Jahr von einigen Medien geprügelt wurde, ehe man sie entmachtete.
Die Schweiz zerstört ihr Bild als rationaler Wirtschaftsplayer
#migrationsangst #eu-wahl
Der knappe Ausgang der sonntäglichen Volksabstimmung lag sogar noch unter dem der Anti-AKW-Volksabstimmung, einer von nur zwei in Österreich, wohingegen die Schweiz da eine Tradition seit 1848 aufweisen kann.
Nun haben also 50,3% für die Initiative Masseneinwanderung gestimmt, die ebenjene begrenzen will.
Das ist absurd, weil die Schweiz zum Thema Migration zwar immer schon einen harschen, spießbürgerlichen Ansatz hatte, sich aber - trotz des Aufstiegs der rechtspopulistischen SVP - nie wirklich ins ideologische Fahrwasser der Xenophobie begeben hatte, weil allen klar war, dass das Land ökonomisch massiv von der Migration profitiert.
Die Abstimmung markiert also gewissermaßen das Ende der Schweiz als wirtschaftlich denkende Finanzweltmacht und feiert ihren Eintritt in die Phalanx der instrumentalisierenden Populisten und der instrumentalisierten Schisser, die sich vor einer virtuellen Gefahr so sehr fürchten, dass ihnen das bislang Wichtigste (ihr Gewinn und ihr Wohlstand) egal ist.
Dass dabei die Regionen, in denen es kaum Probleme mit Migration aus den angstmachenden Ost- und Südzonen Europas und des Planeten gibt, am radikalsten gegen die Zuwanderer abstimmen, versteht sich.
Die Städte waren gegen die Beschränkungs-Initiative, die "Landschaft" (wie es in der SRG-Nachrichtensendung heißt) dafür - das Zünglein an der Waage waren die "Agglos", die Agglomerationen in Stadtnähe; Speckgürtel nennt man das bei uns; wobei der Speck um die vergleichsweise kleinen Schweizer Städte nicht so fett ist wie der um Wien, Linz oder Graz - dafür gibt es eben mehr Agglos.
Dieses Kippen hat auch wieder nichts mit der Anwesenheit von finster aussehenden Fremden zu tun, sondern mehr mit dem Gefühl der Überforderung durch zu schnelle Veränderungen. Und die gehen in den Agglos, wo Wohn- und Shopping-Einheiten hingestellt werden und die alten Stadtbilder rückhaltlos zerstören, eben besonders flott. Zu geschwind für die von Angst zerfressene Mittelschicht.
Dass der gesamte Westen, also die französischsprachige Schweiz klar dagegen war, ist eine weitere Facette - die Aussagen des aktuellen Bundespräsidenten, eines Welschschweizers, sprechen ein beredtes Zeugnis; dass der italienische Teil im Ticino mit 68% in übergroßem Maß für die Reglementierung stimmte, ist wiederum auf andere Art absurd. Dort, im Tessin, ging es um die sogenannten Grenzgänger, italienische Billiglohn-Arbeiter, die in von italienischen Firmen meist im Grenzgebiet angesiedelten Stätten arbeiten. Dass diese irgendwie störenden Ausländer aus der von der Lega Nord regierten Lombardei kommen, dass im Tessin die Lega dei Ticinesi die zweitstärkste Partei ist, entbehrt nicht einer gewissen Ironie - da schieben einander die Rechtspopulisten jenseits der Grenzen den Ausländer-Schwarzen Peter zu.
Überhaupt trifft die neue Regelung ja nicht die sowieso eingeschränkt abgehandelten Asylwerber oder das Feindbild des kriminellen Albaners, sondern eben die Nachbarn: neben den Italienern vor allem die Deutschen. Deutsche Gastarbeiter schupfen den schweizerischen Gesundheitsbetrieb, sind im Kulturbereich omnipräsent, werden gern und viel in allen weichen Bereichen jenseits des klassischen harten Bank&Industrie-Business eingesetzt. Für Österreicher gilt dasselbe in leicht abgeschwächtem Maße.
Insofern sind die Jubel-Arien der heimischen Populisten auch von beachtenswerter Schlichtheit. Das, was Herr Strache jetzt als tollen Move abfeiert, trifft nicht seinen Feind, sondern seinen Wähler.
Nun verstößt das, was die Schweizer da mehrheitlich beschlossen haben, komplett gegen die bilateralen Abkommen mit der EU, deren Reaktion bei einer Umsetzung von Schweizer Seite, also bei Vertragsbruch, nur die Auflösung sein kann - was wiederum die Schweizer Wirtschaft tief in die Scheiße reiten würde.
Und da wären wir wieder beim Ausgangspunkt: dem Ende der rational handelnden Weltwirtschaftsmacht Schweiz, ihrem Abstieg zur hundsgewöhnlichen populistischen mitteleuropäischen Angstrepublik.
Allerdings mahlen die Mühlen langsam: das Abstimmungsergebnis erteilt der Regierung den Auftritt innerhalb von drei Jahren eine Lösung zu finden. Sollte man in dieser Zeit nicht irgendeinen womöglich windelweichen oder auf akzeptablen Zugeständnissen basierenden Kompromiss mit der EU ausarbeiten können, dann könnte dieses Scheitern zu einer neuen Abstimmung führen.
Wenn es die Schweizer Wirtschaft bis dorthin nicht versteht die SVP und den dann schon über 75jährigen Christoph Blocher auf der Basis ökonomischer Zwänge einzufangen, dann versinkt das Land ohnehin zurecht im Isolations-Sumpf.
Für Europa gibt es also geringere Folgen als man meinen könnte. Wirklich beachtenswert ist allerdings dieser Gedankengang aus dem NZZ-Blog, der die veränderten Bedingungen im Umgang der europäischen Öffentlichkeit offenlegt. Was man noch vor 5 oder 10 Jahren als unfassbaren xenophoben Vandalenakt abgetan hätte, dem bringt man mittlerweile verhohlenes bis offenes Verständnis gegenüber.
Die Schwelle der öffentlichen Debatte ist also bereits so tiefgelegt, dass aggressive Ausländerfeindlichkeit auch in ihrer hirnlosesten und kontraproduktivsten Form als ein stubenreines Haustierchen angesehen wird.
Und: wenn es selbst den teilweise hochqualitativen Schweizer Medien (die im Gegensatz zu vielen österreichischen Pendants tatsächlich das Präfix "Qualitäts-"' verdienen) nicht gelungen ist, die Künstlichkeit der Ängste und die in furchteinflößenden Realismus gegossene komplette Virtualität der Probleme nicht als solche sichtbar zu machen, dann ist für Österreich Hopfen und Malz verloren.
Südtirol hat den Mut, der Österreich und der SP Wien fehlt
#novomatic
Wer sich hierzulande am Glücksspiel-Riesen Novomatic abarbeitet, hat es schwer: man gilt ganz schnell als Spaßverderber im Doppelspiel der Mächtigen, als mit alten Pornojägern verglichener einsamer Rächer oder als ewiger Nörgler.
Glücksspiel-Monopolisten werden von den politisch Verantwortlichen ja gerne gesehen, weil sie so viel Wertschöpfung und Steuern bringen und auch noch die Deppensteuer einheben. Die gesellschaftliche Verantwortung für die sozialen und finanziellen Folgen der Spielsucht (inkl. Verarmung, familiäre Vernachlässigung etc.) wälzt man gern in andere Bereiche ab - in die Erfolgs-/Gewinn-Bilanzen werden die Kosten, die spielsüchtigmachende Unternehmen verursachen, nie eingerechnet.
Und wenn einer wie Niki Kowall von der Sektion 8 die SPÖ Wien-Basis dazu bringt das sogenannte "kleine Glücksspiel" gesetzlich so zu beschränken, dass es weniger offensive Öffentlichkeit bekommt und der Glücksspiel-Industrie weh tut, dann schnauft die Parteispitze erregt was über linke Radikalinskis.
Noch viel linker und radikaler sind da, könnte man meinen, unsere südlichen Nachbarn: in Südtirol hat eine neue Gesetzgebung (Aus für Glücksspiel) dafür gesorgt, dass Novomatic gestern seinen Rückzug aus der Region angekündigt hat.
Komisch, dass dort mit einem sinnvollen Gesetzestext das ganz einfach geht, was anderswo seit Jahren blockiert wird. Und interessant auch, dass die altbekannten Abeitsplatz-Bedrohungs-Arien auch nicht helfen, sondern der verbesserte Schutz der Schwachen im Vordergrund steht.
Dass ein Gesetz zum Wohl der Bürger beschlossen wird und nicht auf Lobby-Basis für ein Unternehmen oder eine Branche, das ist mittlerweile bereits so ungewöhnlich, dass es auffällt.
Die Automaten des Großunternehmens sind nicht nur in Südtirol nicht gesetzeskonform, auch in Wien verstoßen tausende Automaten (Stichwort Action-Taste) gegen Bestimmungen. Hat der Falter berichtet - viele andere haben an einer Verbreitung dieses OLG-Urteils kein so gesteigertes Interesse - man vermeldet eher die geplante Gegenklage.
Schließlich ist Novomatic urerfolgreich, ein Player in der NÖ-Wirtschaft und hat auch noch den ursympathischen Werbeträger, der für Kritik an seinem Kapperlsponsor auch hohes Verständnis äußert.
Dass dieser in Wien und am politischen Parkett so gut verankerte Glücksspiel-Anbieter sich in Gebieten, wo seine Lobby-Arbeit nicht so greift, Kräften gegenübersieht, die tatsächliche Menschen jenseits ihrer rein kommerziellen Bedürfnisse vertritt, führt zu offensichtlicher Verstörung. Ob das Ansporn für erhöhtes Engagement etwa in Wien sein kann, bleibt dahingestellt.
Schön wär's schon.