Erstellt am: 11. 2. 2014 - 14:33 Uhr
Fast Faserland
Weitere Buchempfehlungen
Was uns die Geschichtsschreibung immer für Bären aufbinden möchte! Dass der große österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard am 12. Februar 1989, also fast auf den Tag genau vor 25 Jahren, gestorben ist, ist gar nicht wahr. Vielmehr hat er seinen Tod nur gefaked und unter dem Namen Franz-Josef Murau, so auch der Name der Hauptfigur seines letzten Romans "Auslöschung", in New York ein neues Leben begonnen. Er hat einen Sohn namens Esteban und lebt mittlerweile auf Mallorca.
In seinem kaum heimlich auf das Jubel-Datum hingeschriebenen Roman "Die Murau Identität" schickt der österreichische Autor Alexander Schimmelbusch in einer möglicherweise geringfügig alternativen Realität sein Alter Ego, einen Journalisten namens Alexander Schimmelbusch, auf die Suche nach dem verschollen geglaubten Bernhard. Diese Suche ist in "Die Murau Identität" zum Glück nur eine Art Schein-Manöver. Ein bloßer Auslöser, ein Vehikel, um Hauptdarsteller Alex Schimmelbusch in Aktion zu zeigen. Und was für ein Darsteller er ist: Der abgehalfterte Journalist und Autor zweier mäßig bis kaum erfolgreicher Romane lässt sich im Buch keine Zeit damit, sich als selbstherrlichen Schnösel zu inszenieren:
"Ich hatte mir gerade ein Glas Meursault eingeschenkt, als mir der Bote das Kuvert überreichte, nicht ohne Missbilligung - mein Oberkörper war nackt, ich trug eine seidene Pyjamahose, meine Haare standen zu Berge, ich hatte ein großes Glas Wein in der Hand. Ich warf einen herablassenden Blick in sein feindseliges Beamtengesicht, bevor ich die Tür hinter mir achtlos ins Schloss donnern ließ."
Leben heißt Lifestyle
"Die Murau Identität" von Alexander Schimmelbusch ist im Metrolit Verlag erschienen.
Am Dienstag präsentiert Alexander Schimmelbusch sein Buch im Wiener phil. Lesung und Gespräch des Autors mit David Schalko.
Die Figur Alexander Schimmelbusch lebt über seine Verhältnisse, großteils vom zur Neige gehenden Geld seiner Eltern und sieht sich selbst als gewitzten Salon-Löwen, Geschenk an alle Frauen und Jetsetter. Mit voller Absicht wird hier Snobismus, Blendung und Markenverkultung zelebriert. Es wird von Montblanc-Füllern gesprochen, von guten Whiskeys und teuren Weinen. Man geht in die besten Restaurants, zu "Szene-Marokkanern", man trägt Armani-Anzug und "einen stahlgrauen Lodenmantel, der mit den kurz geschorenen Fellen silberner Füchse gefüttert" ist. Es wird geschwafelt und schwadroniert, man besucht in Wien die "Loos Bar", das "Cafe Jelinek" oder das "Jenseits". Dort werden Studentinnen aufgerissen.
In New York ist man auf Du und Du mit dem selbst höchst gefallsüchtigen Kunst-Impressario Julian Schnabel, der sich übrigens in einer doch sehr lustigen Fußnote als "El Schnabuloso" tituliert wissen will. Diese Durchfetischisierung von Produkten und Konsum, die Bezugnahme auf tatsächlich existierende Figuren aus Show und Schein und das ständige Pochen auf Lifestyle kennt man nicht zuletzt von Brett Easton Ellis. Was Schimmelbusch natürlich weiß und in seiner Eindeutigkeit wohl auch so bezweckt, weshalb von Easton Ellis selbst dann in "Die Murau Identität" auch gleich die Rede sein muss.
Vor allem aber scheint das Buch als Kommentar zu und mit bestem Wissen misslungene Huldigung vor Christian Kracht funktionieren zu wollen. Kracht hat schon 1995 in seinem Debüt-Roman "Faserland" eine an Easton Ellis geschulte "Pop-Literatur" (geht nur noch in Anführungszeichen) erfolgreich nach Deutschland verpflanzt und einer zuvorderst an Marken, Symbolen, Exzess und Materialen interessierten Schicht von Wohlstandsverwahrlosten ein kaltes Denkmal gesetzt.
Ungerührt blickt Alexander Schimmelbusch, die Figur, auf die ihm Unterlegenen, die Unwürdigen. Er bemüht einen überspitzten Weltekel, den ihm in seinem Glauben wohl Bernhard höchstselbst injiziert haben dürfte.
"Selten lässt sich ein amerikanischer Mensch endgültig gehen, bevor er oder sie nicht einen geeigneten langfristigen Lebenspartner gefunden hat. Das Anschwellen ihrer Leiber vollzieht sich im Team, dachte ich mir, im Gleichschritt mit der Größe ihrer Häuser, Fertigpallazi aus Sperrholz und Pappe, in denen sie sich mit fahrbaren Fernsehsesseln umherbewegen."
METROLIT
Über Literatur
Das alles ist freilich so überzeichnet und als Karikatur und so unsympathisch gemeint. Im Vorbeigehen webt Schimmelbusch einen Kritik-Ansatz bezüglich Bernhards "Holzfällen" ein: Es ginge da logischerweise nicht um das Herabblicken auf die im Buch Kritisierten, sondern auf den kritisierenden Ich-Erzähler. So dürfen wir, die doofen Leser, also, so sagt kaum undurchschaubar dieser die Literatur spiegelnder Kniff, auch das Buch "Die Murau Identität" getrost begreifen. Die Distanzierung von seinem fürchterlichen Erzähler Alex Schimmelbusch gelingt dem Autor Alexander Schimmelbusch derweil nicht immer.
Vor allem in den Passagen, in denen von Sex die Rede ist - und das ist sie oft - missglückt der Balanceakt zwischen Ironie und Sexismus zumeist. Der erhabene Hallodri und Großsprecher Schimmelbusch überrascht die Damenwelt mit seiner "unbekümmerten Erektion" und muss als "stahlgrauer Loden-Fuchs" auf "afrikanische Straßenhuren" klarerweise attraktiv wirken. Er weiß so einiges über den Lauf der Dinge zu berichten:
"Nach der gesellschaftlichen Diskreditierung aller anderen männlichen Attribute hatte der Penis offenbar eine nachhaltige Aufwertung erfahren, da sich viele Frauen am Ende eingestanden hatten, dass sie Penisse einfach mochten - nicht umsonst ist vom besten Stück des Mannes die Rede -, und da für den Penis auch noch kein wirklich gleichwertiger Ersatz gefunden worden war."
Gegen Ende dieses schmalen, mitunter zugegebenermaßen dann schon sehr witzigen und oft ärgerlichen Romans trifft Journalist Schimmelbusch dann schließlich doch noch kurz auf Thomas Bernhard. Das ist aber auch nicht mehr so wichtig. Vielmehr geht es in "Die Murau-Identität" um anderes. In einer Passage mokiert sich Hauptfigur Schimmelbusch über eine Kolumne in der Zeit, die Kritik an der Kaffeehauskette Starbucks übt, und zwar, so Schimmelbusch, tue dies der Autor besagter Kolumne "...in einem Ton, aus dem überlegenes Schmunzeln und auch verächtliches Schnauben herauszuhören gewesen war." Aus diesen Materialen ist ebenso der Tonfall von "Die Murau Identität" geschnitzt; dass Schimmelbusch die Erläuterung gleich selbst mitliefert, macht die Angelegenheit nicht wesentlich erfreulicher.