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Marc Carnal

Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, hat die bessere Luft. Lach- und Sachgeschichten in Schönschrift.

8. 2. 2014 - 13:41

Der Schuhstreit

Die Mehrheit möge entscheiden: Sind meine neuen Schuhe wirklich hässlich?

Neben der in Scoville gar nicht messbaren Schärfe meines Verstandes, der Anmut meiner stolzen Züge, meinen Ländereien im Piemont und vor allem meiner großen Bescheidenheit bewundert man nicht zuletzt auch den unbestechlichen Geschmack, der meine Garderobe auszeichnet. Nur feinstes Gewebe darf meinen gut versicherten Body umsäumen, denn Kleider machen Leute. Teilweise auch Maschinen, aber das führt zu weit.

Wer eins und eins zusammenzählen kann (zwei), wird sich nicht wundern, dass ich auch Wert auf apartes Schuhwerk lege. Die Füße sind schließlich das größte Kapital eines Außenverteidigers.

Harald Schuh

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CC BY-SA 3.0 Harald Schuh wurde mit Forschungen zur geodätischen Interferometrie mit Quasaren bekannt. Coole Sache!

Vor rund einem Monat beschloss ich, mir neue Schuhe zu kaufen. Ich betrat die Begegnungszone und nach einigen netten Begegnungen ein Fachgeschäft. Mit dem zweifelnden Blick des modischen Gourmands musterte und probierte ich zahlreiche Modelle, um mich schließlich für ein passendes Paar der zweifelsohne schönsten zu entscheiden.

Just an dieser Stelle meldet sich ein Leser zu Wort:

Was soll denn der Scheiß? Ich zahle meine Gebühren wirklich gerne, aber sicher nicht dafür, dass dieser eitle Vollspast uns hier erzählt, dass er sich neue Schuhe gekauft hat! LieGrü Gernot

Lieber Gernot, ich verstehe deinen Groll, aber dieser Text wird noch eine überraschende Wendung nehmen, soviel sei versprochen. Weil ich dir aber eine Freude machen will, erzähle ich dir eine kleine Geschichte:

Das ist die Geschichte vom kleinen Schuhnichtgut. Niemand sieht ihn, niemand hört ihn. Er wohnt in den Wänden von garstigen Leuten, die andere ausspotten. Wenn die garstigen Leute in ihren Betten liegen, kommt der kleine Schuhnichtgut aus der Wand und zwickt die garstigen Leute in ihre Füße!!! Doch damit nicht genug: Er sengt ihnen auch die Wimpern an, damit sie am nächsten Tag komisch aussehen! Und er streut ihnen Zucker auf die Zähne, damit der Kariesteufel kommt zu den garstigen Leuten! Und er gibt ihnen Juckpulver in die Unterflak! Jaja, so ist er, der kleine Schuhnichtgut. Und wenn du garstig bist zu anderen, kommt er bald auch schon zu DIR!

public domain

Franz Schuh führte 1840 eine der ersten Punktionen eines Herzbeutelergusses durch. Spitze!

Nun sollten alle zufrieden sein und ich kann endlich meinen Aufsatz fortsetzen. Wo war ich stehengeblieben? In der Begegnungszone, um kurz durchzuatmen. Danach fuhr ich nach Hause (Lüge, aber ist doch völlig egal, geht doch niemanden was an).

Einige Tage später verbrachte ich in einer Gastwirtschaft einen über weite Strecken schönen Abend mit “lieben” Freunden, nämlich Herrn Hurej und Frau Schmitz. Als ich zur Sperrstunde vorschlug, in meiner Finca noch ein gutes Gespräch zu führen (einige Flaschen Wein zu trinken), passierte am Nachhauseweg das Unfassbare:

Die bis dahin so geschätzte Frau Schmitz sagte doch tatsächlich, und zwar mir mitten ins Gesicht (!), sie fände meine neuen Schuhe hässlich!

Ich erbleichte. Meine Beine wurden schwach. Ich fiel auf offener Straße in Ohnmacht und sollte tagelang nicht mehr erwachen.

Soeben übertrieb ich. In Wahrheit nahm ich diese ungeheure Frechheit nonchalant zur Kenntnis und ließ mir mein Entsetzen nicht anmerken. Doch gleich sollte es noch dicker kommen: Mein eigentlich guter Kamerad Hurej stimmte der wüsten Frau Schmitz doch glatt zu!
Ich war heilfroh, als ich zu Hause das gedisste Schuhwerk endlich ausziehen und die Gäste durch Kunststücke und Steppeinlagen von diesem Thema ablenken konnte.

Ich weiß das Mitgefühl des Leserschaft sehr zu schätzen. Danke! Ihr gebt mir ganz viel Kraft!
Doch nun haltet euch fest:

Frank Shu

CC BY-SA 3.0 - Wikimedia User SSR2000

CC BY-SA 3.0 Frank Shu entwickelte die als Dichtewellentheorie bekannte Theorie der Spiralarme in Galaxien. Wow!

Tags darauf fand das FM4 Geburtstagsfest statt. Wohlgelaunt fand ich mich in der gelben Brauerei ein, wo sich schöne Jugendliche bereits Rockkonzerte anhörten und ausgelassen im Reigen tanzten. Meine Begleitung war Herr Hurej, den ich aber nur mitnahm, weil nichts besseres zur Verfügung war.

Zuerst war es eh nett. Es wurde geschmatzt und geschlürft, man riss Zoten und munkelte. Als sich eine adrette Runde zusammengerottet hatte und wahrscheinlich gerade über die Pendlerpauschale, vielleicht aber auch über Vorhautverengung gesprochen wurde, geschah es doch glatt: Plötzlich wurden erneut meine neuen Schuhe thematisiert!

Tatsächlich gelang es Ex-Freund Hurej, in Windeseile Werbung für seine schändliche Meinung zu betreiben. Rasch bildete sich eine breite Opposition gegen meine Schuhe. Es fielen Vokabeln wie “Tour de France” und “Orthopädie”. Selbst der renommierte Journalist Manfred Gram, dessen Arbeit sonst auf Besonnenheit und neutralen Urteilen fußt, ließ sich zu einer ungeheuren Entgleisung hinreißen und meinte (wortwörtlich!), er würde sich solche Schuhe "wohl eher nicht kaufen".

Glücklicherweise lief in diesem Moment Wortchef Pieper vorbei und rief euphorisch: “Oh, Marc, schöne Schuhe!”
Doch sein Schauspiel war mangelhaft. Er konnte es obendrein nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, für jene fünf Euro zu lügen, die ich ihm zuvor durch Botin Johanna Jaufer zukommen lassen hatte. Der Rettungsversuch schlug fehl und meine Stimmung endgültig um. Gedemütigt und gebrochen verließ ich das Geburtstagsfest.

Am nächsten Tag schickte mir Feind Hurej noch einen fiesen Link und meinte, die könnte ich mir doch für den Sommer zulegen. Lustig.

Du pass nur auf, mein Lieber, dass dich nicht eines Tages der kleine Schuhnichtgut holt!
Und Herr Gram sowie Frau Schmitz sollten besser auch vorsichtig sein!

Nach Wochen der sozialen Isolation wage ich nun jedenfalls den Schritt an die Öffentlichkeit. Ich will endlich Gerechtigkeit, setze dabei auf die normative Kraft der Demokratie und fordere hiermit die Leserschaft auf, mein bescholtenes modisches Image zu rächen:

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