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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

7. 2. 2014 - 22:19

The daily Blumenau. Friday Edition, 07-02-14.

Was an dieser Olympia-Eröffnung wirklich schlimm war.

Auch 2014, wie schon seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.

#sochi14 #sportpolitik

Ich habe schon ein paar grauenvolle Olympia-Eröffnungen mitverfolgt: die Propaganda-Shows im Kalten Krieg (Moskau '80 und die Rache '84 in L.A.), die Protzerei in Atlanta, das Geblinge im Vogelnest. Die gegen 20 Uhr hiesiger Zeit verstrichene Eröffnungsfeier von #sochi14 toppt diese Erlebnisse aber.

Nicht weil die pathetische Selbst-Darstellung der Ausrichter-Nation diesmal übler war als sonst - das bewegt sich auf dem letztlich immer selben nationalistischen Folklore-Gebimmel - strictly pathetic; Österreich hat sich da bei der letzten Ski-WM in Schladming in die Top Ten ever gemogelt.

Auch nicht weil wieder einmal ein autoritäres Regime sich eines Sport-Großereignisses bediente um sich aufzuplustern und gockelhaft umherzustolzieren. Dazu braucht niemand die Nazi-Spiele '36, Peking oder die Fußball-WM '78 zu bemühen: die Instrumentalisierung von Sport-Veranstaltungen steht tagtäglich auf der Propaganda-Agenda von Regimes, die es nötig haben. So hat sich Peking ja auch schon wieder beworben - für die Winterspiele '22; wie auch die kasachische Metropole Almaty. Dort könnte dann Herr Gusenbauer den Karl Schranz machen.

Es war auch nicht der peinliche Satz des neuen IOC-Chefs, des vormaligen Fechters und jetzigen Machtsportpolitikers Thomas Bach vom "Mut, sein Missfallen doch im direkten politischen Dialog auszudrücken, nicht auf dem Rücken der Athleten." Der direkte politische Dialog, klar. Der findet in Russland halt leider nur per gerichtlicher Vorladung der Opposition durch die Machthaber statt. Der bilaterale direkte politische Dialog endet mit der ersten Erwähnung von Erdgas. Sowas wie Druck der Weltöffentlichkeit auf die Autokratie Putins wird durch den Hinweis, dass man auf dem Weg in Richtung Demokratie wäre und die Schuld, die man durch die Ignoranz von weitaus Üblerem (China; und da lässt sich vor allem olympisch trefflich argumentieren) auf sich geladen hätte, nicht ausgeübt.
Der UN-Generalsekretär mahnt zwar Menschenrechte an, sitzt aber dann direkt neben Putin, eine Reihe vor dessen Buddy Lukashenko, dem letzten lupenreinen Diktator Europas.

Es waren nicht die beschämenden Auftritte von Putins Geliebter als Fackelträgerin oder von seinen vom Sport in die Politik gewechselten Duma-Marionetten; auch nicht die bezeichnende Präsenz der verdienten Österreicherin Netrebko. Auch nicht das Geschwurbel des russischen NOK-Chefs, der Begriffe wie Inspiration, Sportsgeist oder olympischen Traum für mich zu No-Go-Areas für viele Tage verwandelt hat.

Im Vergleich der Übertragungen im deutschen und österreichischen TV zeigte sich auch, wofür Journalismus in einem scheinbar reinen Unterhaltungs-Feld da sein kann und muss: er sorgt für Ein- und Zuordnung von Informationen. Die Leiterin des ZDF-Studios in Moskau brachte als Co-Kommentatorin mit kleinsten Erwähnungen Klarheit in die pralle Symbolik der Eröffnungsparty, wo der hiesige Broadcaster nur die offiziellen PR-Zetteln verlesen konnte.

Es ist nicht das bizarre zu-Tode-Instrumentalisieren von allem und jedem, dessen die russische Propaganda-Maschinerie habhaft werden konnte: das ist irgendwie folgerichtig. Und der Hinweis der ZDF-Experten, dass Petrograd, Sankt Petersburg, in einer letztlich vergleichbaren Gewaltanstrengung aus dem Nichts aus einem Sumpfboden gestampft wurde, zeigt ja bloß, in welcher Tradition die Geldverbrennungs-Maschinerie von Sotschi steht: einer zaristischen. Da funktioniert Putin nicht anders als die großen Sowjet-Führer, denen auch kein potemkinsches Projekt zu groß werden konnte.

Es hat auch nichts mit dem bei dieser Feier gar nicht präsentem Abwehrkampf der österreichischen Putin-Lobbyisten zu tun, die sich - wie Karl Schranz, ebenso wie die sattsam bekannten Wirtschaftstreibenden, die mit sattem Gewinnen ausgestiegen sind - angesichts selbst kleiner Kritikpunkte (wie die unzureichenden Sportler-Unterbringungen) im Nestbeschmutzer-Gestus empören, als wären sie Jörg Haiders Wiedergänger. Bis zum Rassismus-Vorwurf greifen die bezahlten Claqueure, wenn man Nicht-Funktionierendes auch nur aufzählt.

Das alles ist business as usual, vorher- und absehbar.

Mir ist der Grusel während der traditionellen Ansprache des IOC-Chefs den Rücken hochgekrochen. Ich habe an dieser Stelle schon einen verstockten Amerikaner, der den Nazis auf den Leim gegangen ist und es in späteren Jahren mit Überstrenge kompensieren wollte, ich habe dort einen Apparatschik der alten Franco-Schule erlebt, der sich von dieser Schuld freistrampeln wollte.
Das strukturell schon seit langen Jahren korrupte Regime des Internationalen Olympischen Komitees, das ja - im Gegensatz zu den anderen Gigantomanen der Sport-Veranstaltungen, der FIFA - keinen eigenen Sport hervorbringt, sondern nur Existierendes so aggregiert, dass es in seiner Gesamtwirkung zur noch viel größeren Geschäftsidee wird, war sich lange Jahre lang seiner Schuldhaftigkeit bewusst und hat sich - alte Schule eben - öffentlich schamhaft aus allem, was Unbill und Geschäftsstörung nach sich ziehen könnte, herausgehalten. Die Hintermänner in der Sportindustrie können das bei ihrer Erschließung aller globalen Märkte nämlich wirklich nicht brauchen.

Seit die nicht mehr durch Diktaturen oder dem Scheitern daran gestählte neue Generation den Laden schmeißt, ist dieses Schuldbewusstsein verschwunden. Bei Bachs Vorgänger Rogge war es wegen dessen hausgemachten Korruptions-Skandal und der heftigen Kritik wegen der Peking-Vergabe noch implizit da - das schlechte Gewissen und der Umgang mit der Schuldhaftigkeit.

Unter Bach ist das weg.
Der neue IOC-Chef weiß, was er und seine Firma da treiben. Und er präsentiert dieses Treiben, diese hopperdatschige Inszenierung, diesen Spiegel, der per Eröffnungsfeier der nach den Regeln des Kapitalismus funktionierenden Welt da fast unabsichtlich aufgezeigt wird, nicht wie alle seine Vorgänger mit einem genierten Kotau oder schuldbewussten Zwischentönen.

Bach legt seine Rolle offensiv an.
Er ist nicht schlimmer als seine Vorgänger.
Aber er präsentiert das ganz offensichtlich Gruselige mit einer Geste der Selbstverständlichkeit; als hätte er tatsächlich einen Anspruch als Vertreter der Jugend der Welt und nicht bloß als Vertreter der Interessen von Sportindustrie und Sponsoren.
Bei ihm schwingt (und ich kann da immerhin bis zu Brundage zurückdenken) ein Beharren auf der Richtigkeit mit, wo früher zwischen den Zeilen der Ausdruck des Bedauerns lag.

Wenn seine Vorgänger noch Teil der symbolischen Realwirtschaft waren, dann ist Bach die Entsprechung zur Finanzwirtschaft; und ihm und seinem IOC wird - indirekt von uns allen - eine ganze Menge an symbolischem Kapital überantwortet. Zuviel um es so anzulegen.