Erstellt am: 7. 2. 2014 - 17:14 Uhr
Kosmischer Horror, schwarz auf weiß
avant verlag
Die grusligsten Horrorfilme und -geschichten sind oft die, in denen wir nicht sehen, was uns da eigentlich bedroht: das, was nur angedeutet wird, was nachts an der Tür scharrt und einen undeutlichen Schatten an die Wand wirft.
Der amerikanische Autor H.P. Lovecraft hat diesen Horror des Unbekannten zum Hauptbestandteil seines Werkes gemacht. Die Bedrohung in Lovecrafts Erzählungen kommt meist aus den Meerestiefen, aus dem dunklen Weltall oder aus vergessenen Gruften. Als Kosmischer Horror wird Lovecrafts Stil zusammengefasst. Er ist ein Meister darin, mit Worten Bilder zu malen, Umgebungen zu beschreiben und Spannung aufzubauen, auch ohne dabei allzu konkret werden zu müssen. Ein gutes Beispiel dafür ist seine Erzählung "The Colour out of Space", in der ein Meteorit in eine Farm einschlägt und dort nach und nach alles Leben von einer mysteriösen und unbeschreiblichen Farbe zerstört wird. Lovecraft lässt unsere Phantasie das Ihre tun, damit uns die Gänsehaut den Nacken hochkriecht.
In Bilder gebannt
Der niederländische Illustrator Erik Kriek hat nun aus fünf dieser Horrorgeschichten ein Comic gemacht unter dem Titel "Vom Jenseits und andere Erzählungen". Darin handelt Kriek in etwas über 100 Seiten die Erzählungen "Der Außenseiter", "Die Farbe aus dem All", "Dagon", Vom Jenseits" und "Schatten über Innsmouth" ab.
Krieks Stil, der häufig mit Charles Burns' Horror Comics verglichen wird, passt eigentlich perfekt zu Lovecrafts düsteren Erzählungen: Schwarzweiß, starke Kontraste und viel Schatten, weit aufgerissene Augen der Figuren, mit Warzen und Pusteln übersähte Tentakel.
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Allerdings besteht zwischen dem Horror, den Kriek mit seinen Bildern herstellt, und dem Horror in Lovecrafts Geschichten ein ganz grundsätzlicher Unterschied. H.P. Lovecraft kreiert das feine Grauen durch genaue Beschreibungen und durch das langsame Herantasten an den Horror. Er umkreist die eigentliche Bedrohung und nähert sich ihr Absatz für Absatz, sodass der Schauder Zeit hat, in uns zu keimen und Wurzeln zu schlagen. Und selbst wenn es bei Lovecraft zum Showdown kommt, gibt es immer Auslassungen, leere Stellen, in die man den eigenen Schrecken einfügen kann. Kriek zeigt uns die Monster Schwarz auf Weiß. Das sieht im ersten Moment grauslich aus, der Schock lässt allerdings schnell nach.
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Außerdem kann manchmal ein Bild erzählen, wofür man sonst ein paar Seiten verwenden könnte. Dadurch kommt Kriek mit seinen Comics viel schneller zum Punkt und fasst Lovecrafts Geschichte reichlich gerafft und gekürzt zusammen. Für all jene, denen Lovecrafts Stil zu umständlich ist, stellt das vielleicht eine Erleichterung dar. Allerdings verlieren die Geschichten dadurch drastisch an Spannung und Reichhaltigkeit. Ihre Stärke geht ihnen zu einem guten Teil verloren.
Weniger wäre mehr
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Nur "Die Farbe aus dem All" und "Schatten über Innsmouth" hat Erik Kriek etwas ausführlicher illustriert und erzählt. Da merkt man, dass es besser gewesen wäre, hätte Kriek sich für nur eine Geschichte entschieden und diese eingehender in Bilder übersetzt. Es wäre wünschenswert, wenn sich Erik Kriek zum Beispiel in einem Comic ausgiebig dem Cthulhu-Mythos widmen würde. Nach "Vom Jenseits und andere Erzählungen" hat man Lust auf mehr. Die kurzen Geschichten sind wie Appetithäppchen, die den Hunger erst anregen.
Für H.P.Lovecraft-Fans ist das Comic "Vom Jenseits und andere Erzählungen" schön anzusehen und eine attraktive Bereicherung für das Bücherregal. Jene, die Lovecrafts Texte allerdings nicht kennen, werden durch dieses Buch wohl auch nicht zu Fans werden, da es seiner Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, leider nicht gerecht wird.