Erstellt am: 6. 2. 2014 - 18:41 Uhr
Indies auf der Konsole
Was ist der beste Weg, um bei einer großen Firma Talentescout für Computerspiele und ihre Macher/innen zu werden? Am besten ist es, wenn man beide Seiten kennt, also früher selbst Spiele programmiert hat und die Bedürfnisse von unabhängigen Games-Developern kennt. Shahid Ahmad hat Mitte der 80er Jahre selbst Spiele programmiert und eines davon erst kürzlich neu remastert - über zwei Monate hinweg, während Busfahrten.
Bonding mit den Künstler/innen
twitter.com/shahidkamal
"Artists and Repertoire" oder kurz "A&R" ist die Fachbezeichnung für eine Person aus der Musikindustrie, die für Plattenfirmen Ausschau nach neuen Talenten hält. Dasselbe gibt es auch in der Videospielindustrie. Innerhalb der Musikszene/n sind A&Rs oft selbst Leute, die nicht dem klischeehaften Business-Typ entsprechen. In der Games-Szene hingegen hat der Talentescout noch nicht so eine starke Tradition. Oft verbindet man damit immer noch Anzugstypen, die wenig Ahnung von kreativen Prozessen haben. Shahid Ahmad ist anders - das sagen die unabhängigen Spielemacher/innen selbst. Er ist persönlich stark an jungen Spieletalenten interessiert, versteht deren Lebenswelten, ist auf Twitter und sonstigen Kommunikationskanälen stets verfügbar, sobald PlayStation mal Interesse an einem Titel bekundet hat. Bereits einige Indie-Aushängeschilder wie "Spelunky", "Proteus" oder "Thomas Was Alone" sind dank seines Einsatzes nun auch auf PlayStation-Geräten spielbar.
Eine gute Personality bringt gute PR
Der japanische Konzern kann hocherfreut über eine Personality wie Ahmad sein. Er bringt nicht nur die auch wirtschaftlich immer attraktiver werdende Indie-Games-Bewegung in die Download-Läden des großen Konsolenherstellers, sondern ist auch ein perfektes PR-Aushängeschild. Das ist vor allem ein starkes Signal gegen den größten Konkurrenten Microsoft bzw. Xbox: Seht her, wir kümmern und unterstützen die Indie-Spiele-Entwickler/innen - und was macht ihr?
Lesetipp auf EDGE Online: "Meet Shahid Ahmad, the man winning over indies for Sony with passion and commitment"
Es stimmt schon, PlayStation hat sich immer schon stark um unkonventionelle Titel interessiert, die von kleinen Studios gekommen sind - in den frühen Jahren von PS1 und PS2 waren das aber vornehmlich Studios aus Japan, die Games wie "Vib Ribbon" oder "ICO" entwickelt haben. Jetzt, wo auch die westliche Indie-Szene mit Aushängeschildern wie Vlambeer ("Super Crate Box", "Luftrausers", usw.) oder Team Meat ("Super Meat Boy") stark glänzt, macht es nur Sinn, sich mit voller Verve auch darauf zu stürzen. Natürlich: Ist die Produktionsqualität nicht dementsprechend, wird auch Shahid Ahmad und sein Team seinen Arbeitgeber nicht von einem bestimmten Spiel überzeugen können. Der wirkliche Games-Untergrund wird also auch in der aktuellen Hochzeit der unabhängigen Spieleentwicklung weiterhin nicht seinen Weg auf PlayStation-Geräte finden - und das wohl auch gar nicht wollen.
Der Vorstoß von Sony mit Ahmad und Team ist dennoch zu begrüßen. Immerhin werden so unterschiedliche Zielgruppen mit unkonventionellen Spielideen konfrontiert, was Gameskultur im Allgemeinen nur entgegen kommen kann. Denn wenn neben dem neuen "Resistance" oder "Killzone" auch mal ein "OlliOlli" oder "Contrast" steht, ist das eine schöne Zurschaustellung von vielfältigen Ideen und der Reichhaltigkeit digitaler Spiele.
Zu Gast in Wien
Shahid Ahmad ist in Wien zu Gast und hält am Donnerstag, 6. Februar, ab 19 Uhr im Wiener MuseumsQuartier im Rahmen von SUBOTRON einen Vortrag. Wenige Tage nach dem Vortrag werden der Audiomitschnitt sowie Fotos auf der dazugehörigen Seite online sein.