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Roland Gratzer

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29. 1. 2014 - 16:00

Sucht-Süchtig-Quizduell

Ein Gespenst geht um in Europa. Das Gespenst einer simplen Quiz-App mit mittlerweile 15 Millionen UserInnen.

Fünf gestreifte, fünf eingewickelte Bonbons. Dazu noch drei Farbbomben. Ein unmögliches Level, dieses 400irgendwas. Wieder nix. Wieder von vorne. Dazwischen bewegt sich der Finger fast schon magisch Richtung Appstore. Die Bonbons vielleicht einfach kaufen? Von hinten naht bereits die Gegnerin, nur noch drei Levels hinten. In der Nacht Träume von fallenden Zuckerl. Candy Crush ist die Hölle.

Doch die Hölle ist zugefroren. Kein Schokolade-See mehr, keine unüberwindbaren Zucker-Gebirge. Candy Crush war die Sucht 2013. Die Sucht 2014 heißt: Quizduell. Meine häufigsten Gegner: Ulliversal Versand (den kenn ich auch im echten Leben) und HegsoR (der hat nicht einmal einen Avatar).

Das Geschäftsmodell ist klassisch: An sich gratis, wer die Werbung loswerden und genaue Statistiken bekommen will, zahlt ca. drei Euro. Dafür verlangt das Spiel keine spezifischen Daten, auch die Verknüpfung mit Facebook ist nicht verpflichtend. Wer fünf Fragen einschickt, bekommt eine Krone. Oder eine Gasmaske. Oder einen Adventkranz.

Glückstreffer

Quizduell

In Österreich spielen derzeit 682000 Leute. (Stand: 28.01., 17.30 Uhr)

Explodierende UserInnen-Zahlen

Das Prinzip ist simpel. Eine Runde besteht aus drei Fragen zu einem von 19 Themengebieten. Pro Spiel stehen sechs Runden an. Es gibt vier Antwortmöglichkeiten und alleine im deutschsprachigen Raum fast schon 8,8 Millionen SpielerInnen. (Stand: 29.01. 2014, 14.30 Uhr). "Es ist so einfach, dass auch ältere Menschen und Leute mit wenig Game-Erfahrung mitspielen können", erklärt sich Henrik Willstedt den ersten großen Wurf der App-Firma Feo Media aus Schweden. Ich wurde von Ulliversal Versand an einem unschuldigen Weihnachtsfeiertag angefixt. 92 Partien später führe ich mit drei Siegen, dafür hat er bereits ein "perfektes Spiel", sprich die vollen 18 Punkte, geschafft.

2012 hat Villstedt gemeinsam mit seinem Bruder und einem anderen Brüderpaar das Grundkonzept entwickelt. Bis dahin waren alle Apps der Firma gescheitert. An einem Abend in Stockholm hat Willstedt zu seinem Bruder gesagt: "Ich geh jetzt in die Küche und komme in 15 Minuten mit einer Idee zurück". Die Idee war Quizduell, oder "Quizkampen", wie die originale Version in Schweden heißt.

Quizduell

naja, geht so...

Mit Bibi durch's Wüstental

Paradiesisch ist Quizduell zu Beginn. Für Niederlagen gibt es kaum Punkteabzug, für Siege springt man im Ranking gleich mal ein paar tausend Plätze vor. 564 Spiele später sieht die Sache anders aus. Die Top-Platzierten wollen nicht gegen mich spielen, die schlechten bringen keine Punkte. Dafür weiß ich jetzt, dass Bibi Blocksberg das Wetter NICHT verhexen kann, dass ein Wadi ein ausgetrocknetes Wüstental und Stephanus der erste christliche Märtyrer ist. HegsoR weiß diese Dinge immer. Er ist mir ein Rätsel.

In nur wenigen Monaten ist Quizduell zur App Nummer eins, vor allem in Deutschland geworden. Die Tagesschau hat berichtet, in Schweden wird bereits an einer Fernseh-Variante gearbeitet. Ist das endlich ein Nachfolger des gefühlt 1000 Jahre alten Millionenshow-Formats, der sich dann auch behaupten kann? Hoffentlich.

Quizduell

"Es ist eine gute Sucht. Man lernt dabei nämlich was", beruhigt Willstedt meine sozialen Ängste. Die bisher negativste Auswirkung ist die Akkuleistung meines Smartphones, das sich generell eher wieder vom Status eines schnurlosen Telefons wegentwickelt. Quizduell frisst ordentlich Batterie.

Die Fragen werden von den Usern selbst eingeschickt und mittels Algorithmus und Redaktion überprüft. Auch, wenn Quizduell angeblich für alle Menschen super sein soll, die Fragen zeigen doch von einer gewissen Nerdhaftigkeit. Viel Comics, wenig "Hoch"kultur, ganz schön viel Periodensystem. Eine Frage, die in allen Sprach-Versionen ganz am Anfang eingeschickt wird: "Aus welchem Hafen lief die Titanic aus?" Southampton übrigens. Hat aber auch gedauert, bis ich mir das gemerkt habe.

Nach drei Niederlagen gegen HegsoR klicke ich vor lauter Ärger auf Candy Crush. Zuckerl-Eskapismus nur für mich, ganz alleine. Nur mal schaun. Fuck.