Erstellt am: 29. 1. 2014 - 15:21 Uhr
Der Tramp wird 100
Die nächtliche Adria war unheimlich leise. Das Schiff, das seine Wellen durchquerte, unglaublich laut. Am Deck schrien, tanzten und erlebten Maturanten aus ganz Österreich ihre Freiheit.
Zur gleichen Zeit saß ich im Schiffsalon und schaute zu wie der „Tramp“ Charlie Chaplin ins Gefängnis gehen muss. Die „Lichter der Großstadt“ haben mich so in ihren Bann gezogen, dass ich meine Verpflichtungen als Animateur total vergessen habe. Die Geschichte vom Tramp und der blinden Blumenverkäuferin berührt mich immer, egal wie oft ich sie schon gesehen habe. Die Blumenverkäuferin hält seine Hände und erkennt ihn. „Sie?“ – fragt sie. Er nickt. Ich glaube, dass das die beste Liebesszene der Kinogeschichte ist. Ich liebe den Tramp – immer glücklos, aber doch immer der Sieger. In In diesen Wochen feiert der berühmte Tramp von Charlie Chaplin genau 100 Jahre Kinodebüt.
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In Amerika angekommen, trat der Brite Chaplin zuerst in verschiedene Varietés auf. Er wurde oft depressiv, da er keine feste Anstellung als Schauspieler finden konnte. Der Tramp wurde ganz spontan erfunden. Als der erste Film, in dem er vorkommt, „Mabel's Strange Predicament“ gedreht wird, ist der Regisseur besorgt, dass das Drehbuch nicht lustig genug ist und bittet den damals 24-jährigen Chaplin auf die Schnelle etwas zu erfinden, wo noch einige lustige Szenen vorkommen. Das was Chaplin erfindet, wird zur vielleicht berühmtesten Kinogestalt aller Zeiten.
Vor einigen Jahren reiste ich im asiatischen Teil der Türkei, im tiefsten Anatolien. Wir hielten in einem Lokal neben der Schnellstraße an. Das Lokal war voll mit Bauern aus dem Dorf nebenan und durchreisenden Truckern. Wir befanden uns irgendwo in der Pampa. In der Ecke leuchtete ein Fernseher. Alle Lokalbesucher schauten in diese Richtung. Auf dem Bildschirm lief „Moderne Zeiten“.
Die rauen Gesichter von allen waren in einem wunderbaren Lächeln eingefroren. Im Fabrikarbeiter sahen sie sich selber, sie sahen wie lustig die angsteinflößende Welt eigentlich sein kann. Sie bekamen Hoffnung. Währenddessen wurde die Kuttelflecksuppe in ihren Tellern kälter. Aber „der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein“. Am Ende siegten das Gute und die Liebe, die Trucker bestiegen wieder ihre LKWs und die Bauern ihre Traktoren. Kein einziger Mensch hat die Kneipe mit einem bösen Gesichtsausdruck verlassen.
Es sind nur 100 Jahren seit der Erfindung des „Tramps“ vergangen. Die nächsten 100 warten auf uns. Lächelt, liebe FM4 Hörer! Unter uns gibt es so viele dicke Bösewichte, die einen Tritt in den Arsch verdienen! Alles ist möglich und das Gute wird siegen. Wenn ihr mir nicht glaubt, dann lest Chaplins Autobiografie. Ich habe sie mindestens zehn Mal gelesen. Es hilft um das Leben zu meistern.